Kapitel 05

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Nie in meinem Leben zuvor habe ich solch schöne Augen gesehen, die so rein und klar sind, dass ich erschaudern muss.

"Alles klar?", reißt mich eine raue Stimme aus der Starre.

"Äh ... Klar ... Sorry", nuschle ich, während ich mich aufrapple.

Um uns herum haben sich bereits ein paar neugierige Schüler versammelt. Als ich sehe, in wen ich gelaufen bin, verstehe ich auch wieso.

Sein Name ist Gabriel und soweit ich mich an Nellis Vortrag erinnere, gehört er wohl zur berüchtigsten Gruppe der Schule.

Um der Peinlichkeit zu entfliehen, nuschle ich ein weiteres "Sorry" und verkrümle mich in die hinterste Ecke des Kursraumes, dort versuche ich möglichst cool und lässig meine Sachen auszupacken, als wäre nichts gewesen.

Mein Plan unentdeckt zu bleiben, funktioniert nicht wie erhofft. Er setzt sich neben mich und betrachtet mich nun von der Seite.

"Du bist schneller weggelaufen, als ich schauen konnte. Das passiert mir sonst nicht, Neue." Er sieht mich herausfordernd an.

"Ich wollte mir einen guten Platz ergattern", lüge ich.

Er räuspert sich, als wolle er noch etwas sagen, doch die eintreffende Lehrerin rettet mich vor weiterer Konversation.

Ich mag Frau Lauer jetzt schon.

Nach dem Unterricht, verschwinde ich so schnell wie möglich aus dem Raum. Wie vereinbart wartet Nelli bereits draußen auf dem Hof.

Sie meinte, dass wir nur wenige Häuser entfernt wohnen und hatte vorhin entschieden, dass wir fortan zusammenlaufen würden.

"Larissa wirklich, du machst Sachen!", begrüßt mich Nelli und schüttelt den Kopf. Ich blicke sie irritiert an.

"Na du kannst dich doch nicht einfach vor Gabriel Hubert werfen. Also wenn du versucht hast bis jetzt unbemerkt die Neue zu spielen, dann wars das jetzt, nach dieser Showeinlage. Du weißt gar nicht, wie viele eben zu mir gekommen sind, um zu fragen wer du bist."

"Mist!", bringe ich nur hervor.

"Ja, großer Mist", bestätigt Nelli. "Auch wenn ich allen was vorgemacht habe und jedem erzählt habe ich wüsste nicht wer du bist - merkst du jetzt setze ich meinen Ruf für dich aufs Spiel - hassen dich die Mehrheit der Mädchen wohl einfach aus Prinzip. Aber keine Sorge, nur die nächsten Tage, dann vergessen sie dich wieder. Die halten sich durch ihre Familien sowieso für etwas Besseres, da kommst du nicht ran."

Beruhigt nicke ich. "Danke."

"Kein Ding. Wir halten zusammen, ja?" Wieder nicke ich.

Als ich das Haus betrete kommt mir Luis entgegengerannt.

"Lissa, da bist du ja endlich." Er fällt mir in die Arme. "Ich muss dir so viel erzählen." Verkündet er, als er mich loslässt, damit ich meine Sachen ablegen kann. Hinter ihm erscheint Maria, die mir zunickt und uns belustigt beobachtet.

"Dürfen Lissa und ich in mein Zimmer?"

"Selbstverständlich." Erwidert Maria und ehe ich mich versehe, zieht mich Luis am Ärmel mit sich. Er schließt die Tür hinter uns und setzt sich auf den Teppich, in der Mitte seines Zimmers. Ich tue es ihm gleich.

"Na los, erzähl schon. Wie war es das erste Mal im Kindergarten?"

"Lissa, du weißt gar nicht wie groß der Kindergarten ist. Viel größer als der alte." Er versucht mir mit seinen Händen, die Ausmaße klar zu machen. Dann listet er eine beachtliche Menge an Kindern auf, mit denen er heute gespielt hatte.

GeflüsterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt