Luciana II

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Mit der Hand fasse ich erneut an meine Tasche, um auch wirklich sicherzugehen, dass ich das Gift dabeihabe. Denn ohne Gift kein Deal.

Hinter den Dächern sehe ich die Sonne aufgehen und lege einen Schritt zu. Um Ludwig noch vor der Arbeit zu erwischen, bin ich bereits einige Stunden vor Sonnenaufgang aufgestanden und hoffentlich rechtzeitig losgelaufen.

Aber ich muss ja auch noch zu Phillip. Ihm die Anweisungen geben, das Gift überreichen und ein Zeichen vereinbaren.

Ich biege ab von der Hauptstraße in eine dunklere Nebengasse und kann mein Ziel bereits sehen. Ich klopfe drei Mal an die schwere Holztür.

Geöffnet wird jedoch nur ein kleiner Spalt. "Passwort?", höre ich die alte, kratzige Stimme des Hausmädchens.

"Wer die richtigen Kräuter kennt, dem wird die Welt geschenkt", flüstre ich durch den Spalt.

Die olle Alte schmeißt die Tür zunächst wieder zu. Ein Klappern, dann geht sie auf und ich werde reingebeten.

"Ich bin mit Phil ..."

"Jaja ich weiß schon", unterbricht sie mich und bedeutet mir ihr zu folgen.

Ich folge ihr durch einen endlos langen Flur, bis vor eine weitere Holztür, an der ich wieder warten soll. Doch dafür fehlt mir die Zeit.

Ich darf Ludwig nicht verpassen.

Ich dränge die Alte mit einer gemurmelten Entschuldigung bei Seite und betrete Phillips Büro.

Phillip Selbach ist ein langjähriger Kunde und Verbündeter. Gerne führt er Aufträge - jeglicher Art – für mich aus. Bezahlen tu ich mit Kräutergemischen - meistens Gift.

"Ach ... Luciana", begrüßt er mich.

Ohne weitere Umschweife stelle ich ihm das Fläschchen Gift auf den Tisch. "Hier Phillip, jetzt bist du dran."

Er nickt wissend und ruft nach der Alten. Nervös sehe ich auf die Standuhr in der Ecke.

Ich darf ihn nicht verpassen.

Er schickt sie los jemanden zu holen. Meinen Gegenwert. Den, der die Tat ausführen soll.

Der Gegenwert stellt sich als großer, kräftiger Mann heraus.

Jerg.

Phillip hat scheinbar keine Verwendung mehr für ihn und so gehört er nun mir.

Schnell erkläre ich Jerg seine Aufgabe. Beschreibe ihm Ludwig, den Mann, den er ermorden soll. Dafür bekommt er seine Freiheit.

Bevor ich gehe, zeige ich ihm noch ein Handzeichen, damit er weiß, wann es losgeht.

Dann stürme ich hinaus Richtung Marktplatz, in der Hoffnung, dass ich Ludwig noch nicht verpasst habe.

Ich erreiche den Markt als es sieben Uhr schlägt. Suche ihn mit meinen Blicken ab, doch er ist nirgends zu sehen. Hoffentlich kommt er noch.

Er muss einfach.

Nach einer Gefühlten Ewigkeit entdecke ich ihn dann. Es schmerzt, dass er offensichtlich versucht sich vor mir zu verstecken. Ich stelle mich ihm in den Weg. Sein Blick trifft mich und ich erstarre.

Von seinem Anblick bin ich jedes Mal aufs Neue überwältigt. Heute glänzt sein dichtes schwarzes Haar in der Morgensonne.

Vom Versuch mir auszuweichen, halte ich ihn ab - greife nach seinem Arm, den er mir zu meinem Bedauern direkt wieder entreißt.

"Geh nicht! Warte, bitte! Wir müssen reden." Flehend sehe ich ihn an. Er muss es doch spüren, unsere Verbindung.

"Wie kannst du es wagen mich noch einmal anzusprechen, nachdem du die Frechheit hattest mich zu küssen."

"Bitte lass es uns klären." Etwas in seiner Haltung verändert sich. Ich wusste er fühlt es auch.

Zur Bestätigung nickt er und ich atme auf. Ich wusste, er würde sich richtig entscheiden. Würde zu seinen Gefühlen stehen.

"Hör zu ...", ich sehe in seine wunderbar braunen Augen. "Ich weiß, dass es vielleicht erstmal beängstigend ist. Ich weiß diese Gefühle überfordern sie, aber Veränderung ist immer erstmal einschüchternd. Dabei wissen sie genau wie ich, dass wir füreinander bestimmt sind. Ludwig, wir gehören zusammen."

Er schüttelt den Kopf. "Wie können sie nur so etwas behaupten? Habe ich ihnen nicht oft genug gesagt, dass ich meine Frau und Kinder liebe? Sie spinnen doch!"

Das kann nicht ... Nein, er darf sich nicht falsch entscheiden. Darf mich nicht abweisen. Darf nicht vor seinen Gefühlen flüchten.

"Okay, Ludwig, ich gebe ihnen eine letzte Chance sich für mich zu entscheiden. Ich bin die einzig richtige für sie, ihre Seelenverwandte, das müssen sie doch auch spüren. Sie werden glücklicher sein mit mir, das weiß ich ganz bestimmt. Ich kann ihnen viel mehr geben als sie."

Er schüttelt erneut den Kopf. "Mir würde es nicht im Traum einfallen meine Familie zu verlassen! Ich weiß nicht welches Hirngespinst sie antreibt, aber sie sollten langsam in der Realität ankommen. Lassen sie mich in Zukunft in Frieden und sprechen sie mich ja nicht mehr an. Ich bin fertig mit ihnen." Mit diesen Worten geht er an mir vorbei. Lässt mich zurück - allein. Er stellt sich nicht. Er läuft davon.

"Das werden sie bereuen!", rufe ich ihm hinterher. Doch er dreht sich nicht einmal mehr nach mir um. Verlässt mich.

Ich wische mir ein paar Tränen von der Wange und suche nun den Platz nach Jerg ab, der nur auf mein Handzeichen wartet.

Ich sehe Jerg einen Moment an. Gebe ihm das Zeichen. Überdenken muss ich nichts mehr. Ludwig hat sich entschieden.

Hat sein Schicksal mit seinen Worten besiegelt.

GeflüsterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt