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Einsamkeit. Ist nicht nur ein Wort. Ein Gefühl. Es ist eine Bestrafung. Es frisst sich tief in die Seele. Saugt dich aus, bis nichts mehr übrig ist als leere. Aber das schaffte nicht nur die Einsamkeit. Isoliert zu sein ist nicht alles. Sondern auch, dass man niemanden hat, dem das interessiert wie es einen geht.  Naja, außer Dad. Wenn er nicht gerade arbeiten war. Was er gefühlt ungefähr zwanzig Stunden am Tag tat. Ich sollte raus, meinte er. Freunde finden. Mein Leben ist schon kürzer als andere, daher sollte ich es nicht vergeuden. Warum sich die Mühe machen, wenn es eh nicht lange was bringt. Er wollte auch, dass ich in der Firma mithelfe. Versuchte mich auch ständig mit Ian zu verkuppeln. Bloß weil er gut aussieht lasse ich doch nicht jeden ran. Auch wenn das meine letzte Chance sein sollte!

"Juna?! Kommst du mit?" Wohin er wohl wieder hin wollte? Und wenn er mich fragt, sicher wieder für Verkupplungsversuchs oder mich dazu zu bringen doch bei ihm zu arbeiten. Weil er mir dann wieder die angenehmen Seiten des Jobs aufschwatzen will. Er ist Luxusmakler. Alles über eine halbe Million, Weltweit geht durch seine Finger. Alles drunter gilt als Standard. Ja, wir sind da durch ziemlich wohlhabend, aber ich habe nie viel davon gewollt. Lebte ziemlich bescheiden. Mein Zimmer hatte viele alte Möbel. Ich schoppte gern in alten Vintage und Secondhand Läden. Ich brauchte keine Marken oder irgendwelche Luxusgüter. Ich habe gelernt, alles ist im Leben vergänglich. Vorallem Materielles. Aber nicht nur das. Auch Dinge wie Freundschaften, Gefühle, Bindungen. Selbst die Liebe ... Ob in der Familie, oder außerhalb dessen, nichts bleibt für immer. Sogar das Leben endet irgendwann. Für manche früher als gedacht. Obwohl ich alles in den Arsch geschoben bekommen hätte, bin ich auf dem Boden geblieben. Wollte keine dieser TV Barbies werden. Wegen Problemen heulen, weil ein Nagel abgebrochen ist. Oder ihre Lieblingstasche die sie schon drei mal haben, nicht mehr in Rosa vorhanden ist. Ihre Probleme sind ein scheiß, gegen manche Schwierigkeiten wo Leute mit weniger durch müssen. Hunger, Kein Dach über den Kopf. Dem Wetter ausgesetzt. Vielleicht krank. Oder sogar alleine ohne Hoffnung. Oder ... sie Blicken dem Tod ins Auge. Schon mein Bruder war so. Ich war noch nie ein Kind der Freude, dem Regenbogen aus dem Hintern schießen, aber die Nachricht über meine Krankheit, dass man nicht wüsste was es genau sei und dass ich wohl nicht mehr lange hätte, hat mir den Rest meines Lebenwillens genommen.

"Hallo? Kommst du nun?" Fragte Dad nach. Ich rafte mich auf um ihn dann doch eine Antwort zu geben. Oder beziehungsweise eine Gegenfrage zu stellen.

"Wozu? Um mir den nächsten Aufschwatzen zu lassen?"

"Wie meinst du das? Ich wollte dich einfach mitnehmen, da es in mein Heimatland geht. Wir könnten ..." Er stockte mitten im Satz.

"Komm schon! Etwas frische Luft schadet nicht."

"Nein! Ich will in kein Hotel, oder so. Fahr, so lange der Kühlschrank voll ist." Dann hörte ich ihn an der Tür.

"Mäuschen?" Er trat ein.

"Hier. Dann nimm den. Vielleicht bringt der dich auf andere Gedanken. Wir könnten auch Skypen. UND ... du wirst Besuch bekommen. Henry wird für dich einkaufen falls du was brauchst. Und auch für andere Probleme da sein. Das wird nämlich etwas länger dauern. Ich lasse dich mal ein paar Tage alleine. Aber nicht über zwei Wochen. Er wird dir gefallen." Den letzten Satz, mit diesem bescheuerten Grinsen, hätte er sich sparen können.

"Er ist zum Arbeiten hier! WENN ich ihn rein lasse. Gefallen muss er hier niemanden." Dabei riss ich ihm die Karte aus der Hand, die er mir hin hielt.

"Wars das?" Gab ich etwas patzig wieder. Er schien etwas enttäuscht zu sein. Aber da musste er durch. Selbst schuld.

"Der ist aber nicht jeden Tag hier oder?" Wollte ich dann noch wissen.

"Doch, irgendwie schon. Denn er soll jeden Tag mindestens mal kurz vorbeischauen." Ich rollte genervt mit den Augen. Ich hatte nicht mal in meinem eigenen Zuhause meine Ruhe. Oh man!

"Also ein Babysitter? Ich kann selbst auf mich aufpassen. Was soll mir schon groß passieren? Sterben werde ich eh!"

"Aber nicht sofort. Du hast vielleicht sogar noch ein paar Jährchen. Du wirst keine fünfzig, aber du lebst noch und diese Zeit solltest du nutzen und vorallem möchte ich dich in Sicherheit wissen." Ich verschränkte genervt die Arme.

"In Sicherheit? Oder unter einem Kerl. Steck dir den sonst wo hin!" Plötzlich bekam ich einen kleinen Schwindelanfall. Zum Glück bemerkte er nichts, da ich mich an die Tür lehnte und er kurzzeitig auf die Karte starrte, die ich ihn etwas grob wieder in die Hände drückte.

"Versuch es wenigstens. Ein Versuch wird dich nicht gleich umbringen." Lachte er und räusperte er, als er merkte, dass dieser Witz eher geschmacklos war.

"Sorry. Ich ... muss kurz was erledigen. Wir sehen uns heute Abend. Willst du wieder kochen, oder soll ich jemanden arrangieren?" Ich schüttelte den Kopf. Ich kochte gern und wollte keine fremden im Haus. Muss schon die Putzkraft zwei Mal die Woche ertragen. Vater hatte kaum Personal eingestellt. Weil ich es für unnötig hielt und er eh nie da war. Das Haus war groß, aber trotzdem machbar, sich um alles selbst zu kümmern. Außer die Putze und ein Gärtner kommt keiner in die Nähe des Hauses. Zum Glück. Alles andere wird nach Bedarf angerufen.

Ich setzte mich, nachdem er weg war, an den Laptop den er mir gab. Ich hatte keine große Erfahrung mit dem Internet. Ab und zu war ich mal Online bei Dad, aber nur für Rezepte oder so. Ich laß die meiste Zeit oder schaure Filme. Ich liebte fremde Geschichten die erzählt werden. Wenn ich keine Epilepsie hätte, würde ich sogar Zocken, aber das will mein Körper nicht mitmachen. Man kann halt nicht alles haben.

Last Chance - Lebe jede SekundeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt