26. Kapitel

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„Ich mache eine Räuberleiter.“

Irritiert betrachtete sie ihn und fragte sich, wie das gehen sollte. Sollte sie ihn auf ihre Schultern nehmen, oder was meinte er mit Räuberleiter?
„Amy, du musst an mir hinaufklettern und ich nehme dich dann auf dem Rücken Huckepack. So kannst du das Seil durchschneiden.“
Amy kniff skeptisch ihre Augen zusammen und war ganz und gar nicht von seiner Idee begeistert. Grob warf sie einen Blick auf seinen geschundenen Körper.
„Amy, wir haben nicht lange Zeit, also nun komm!“, sein besorgter Blick wanderte zur Tür. Amy rührte sich keinen Zentimeter. Sie wollte ihm nicht noch mehr Schmerzen zufügen.
„Amy, heute noch, bitte klettere nun an mir rauf und schneide das Seil durch.“ Steves Ton wurde bestimmender. Tief ausatmend trat sie an seine Seite und winkelte ihr Bein bis zu seinem Knie an. Im nächsten Augenblick stellte sie es wieder neben das andere.
„Amy, was ist los? Stell dir vor, ich bin ein Baum, auf den du klettern möchtest. Und nun rauf mit dir.“
Kurz schüttelte Amy ihren Kopf.

„Ich kann das nicht, Steve, ich werde dir weh tun, wenn ich mich an dich hänge. Das will ich nicht.“ Dabei betrachtete sie seine aufgescheuerten Handgelenke und blutverschmierten Unterarme.

„Du hängst mit deinem ganzen Körpergewicht nur an den Handgelenken, und wenn ich mich an dich dranhänge…“, Amy biss sich auf die Unterlippe und schüttelte noch einmal ihren Kopf.

„Amy, mach es einfach, denk nicht nach, es wird schon nicht mehr weh tun als jetzt“, ermutigte Steve seine Frau. Schließlich gab sie sich einen Ruck, hob erneut ihr Bein in die Höhe seines Knies. Steve winkelte sein Bein an und Amy stellte sich auf seine Wade und zog sich nach oben. Steve keuchte auf vor Schmerz. Jede Faser in seinem Körper schmerzte und das Brennen in seinen Schultern war zum Zerreißen. Nur unter großer Anstrengung unterdrückte er den Schmerz.
„Geht es wirklich? Nur einen Augenblick, Schatz, dann habe ich es.“ Hauchte Amy ihm seitlich ins Ohr, während sie das Seil durchtrennte.
Kurz darauf landen beide unsanft auf dem staubigen Boden. Schmerzverzerrt rieb sich Steve die Handgelenke und reichte ihr dann die Hand. Schwungvoll zog er sie in seine Arme. Eng umklammert drückte sich Amy an seinen malträtierten Körper. Scharf zog Steve die Luft ein, während er ihr über den Hinterkopf strich. Amy zitterte am ganzen Körper, schluchzte und konnte ihre Tränen nicht zurückhalten. Immer wieder drückte sie sich fest an Steve und suchte seine Nähe. Er war auch unsagbar erleichtert, sie wieder in seinen Armen zu halten. Aber seine Gedanken waren bei ihrer Flucht. Vorsichtig löste er sich aus ihrer Umarmung und trocknete behutsam ihre Tränen.
„Hör genau zu Amy. Wir müssen dafür sorgen, dass der Mischa die Tür öffnet und wir raus auf den Flur können. Ich weiß, wo wir sind. Draußen ist der alte Fischereihafen mit den alten Lagerhäusern. Wir müssen versuchen, dort hinzukommen, hast du gehört. Von da aus geht es erst rechts etwa eine Viertel Meile hinunter, dann eine Dreiviertel Meile geradeaus zu einer Straße, auf der das HPD regelmäßig Streife fährt. Du lässt dich von ihnen zu Duke aufs Revier bringen. Dann bist du dann in Sicherheit, verstanden?“
Amy begann erneut, ihre Nase zu kräuseln.

„Was heißt hier, dass ich in Sicherheit bin, Steven? Kommst du nicht mit? Dann bleibe ich auch!“ bockte sie ein wenig.
Steve drückte seine Hand auf die Rippen, um die Schmerzen zu unterdrücken, und zog die Brauen hoch.
„Amy, ich komme mit, werde dir aber Deckung geben, damit uns keiner folgt. Und sobald ich weiß, dass du es zur Straße geschafft hast, komme ich nach.“
Dann erklärte er ihr seinen Plan.
Wie besprochen, legte sich Amy wieder auf den Boden und stellte sich bewusstlos. Steve steckte in dessen das Messer hinten in seinen Hosenbund und hängte sich an den Rest des durchtrennten Seiles.
„Also dann, Amy, du weißt Bescheid. Du stellst dich soweit bewusstlos und wenn ich dir dann ein Zeichen gebe, folgst du mir. Bleib dich an mir dran, ok?“ Das ließ sich Amy nicht zwei mal sagen. Ohne ihn würde sie von hier keinen Schritt machen.
„Hey Mischa, oder wie immer sie heißen, kommen Sie schnell, bitte“, rief Steve inbrünstig. Wartete kurz ab und versuchte es noch einmal lauter. Dann hörten sie etwas an der Tür.
„Ok Amy, ich höre was, ich glaube, er schließt die Tür auf“, flüsterte Steve.
Ein leises Knarren und Klicken des Schliessvorgangs des Türschlosses war zu hören. Amy lag starr auf dem kalten Boden und versuchte so wenig wie möglich zu atmen.
„Bitte Mischa, schauen Sie nach meiner Frau, sie bewegt sich nicht. Bitte sehen Sie nach ihr.“
Steve spielte seine Rolle als besorgter Ehemann gut. Dennoch schwang bei Mischa ein wenig Skepsis mit. Gemächlich entfernte er sich von der Tür und schritt auf Steve und Amy zu.
„Mischa, sehen Sie, sie atmete nicht. Bitte schauen Sie nach ihr. Bitte!“
Misstrauisch blickte Mischa Steve an und dann zur Tür und schob dann schließlich seine AK 37 auf den Rücken. Zögernd ging er vor Amy in die Knie. Dabei schielte er immer wieder zu Steve hinauf.
Gefühlvoll tastete er den Hals nach ihrer Halsschlagader ab. Erleichtert schaute er hinauf zu Steve.

„Sie lebt.“ Er richtete sich bereits wieder auf.

„Bitte, dann drehen sie Amy auf die Seite, damit sie Luft bekommt“; forderte Steve den Handlanger von Alexej auf.
Wieder ging er vor Amy in die Knie und drehte sie in die stabile Seitenlage. Doch als er sich erneut aufrichtet, umklammert Steve ihn mit seinen Beinen und rutscht leise an dem Seil hinunter. Alles ging furchtbar schnell und Mischa konnte sich aus seinem Würgegriff nicht befreien.
Lautlos ließ Steve den ausgeschalteten Mischa zu Boden gleiten und nahm dessen Waffe und Munition an sich.
„Komm Amy, und bleib dicht hinter mir.“ Höchst konzentriert begaben sich die beiden zur Tür. Steve versuchte, soweit es möglich war, die Tür zum Flur leise zu öffnen.
Kurz schielte er hinaus und gab ihr ein Zeichen ihm zu folgen. Amy legte eine Hand auf seine Schulter und drückte sich so wie er an der Wand entlang bis zum nächsten Querflur. Dort stoppte er und sah auch hier vorsichtig um die Ecke. Steve wich zurück und drückte sie mit seinem Körper gegen die Wand. Kurz atmend wartete er einen Moment und blickte erneut um die Ecke. Schnell umfasste er ihre Hand und zog sie hinter sich her. Erneut liefen sie über einen nicht enden wollenden Flur und hörten aus der Ferne jemanden Rufen.
Irgendjemand hatte Mischa entdeckt und schlug Alarm.
„Mist“ stieß Steve aus. Fast hatte sie es ohne Zwischenfälle nach draußen geschafft. Über zwei Flure und eine Halle, dann wären sie draußen gewesen.
„Okay Amy, sie wissen, dass wir weg sind, du musst gleich so schnell du kannst über diesen Flur laufen. Dann durch die Halle nach draußen. Ich bin dicht hinter dir und werde, soweit es möglich ist, dir Feuerschutz geben.“
Sprachlos und ängstlich taxierte sie ihren Mann.

„Und dann, Steve? Wenn wir draußen sind, was dann?“
„Dann wirst du dich nicht umdrehen oder auf mich warten. Du läufst, so wir es vorhin besprochen haben.“
Dabei schaute Steve ihr tief in die Augen und strich über die rötlich geschwollene Wange. Amy holt kurz Luft, um ihm was zu sagen. Doch er legte seinen Finger auf ihren Mund.

„Nein, wir machen es genauso und nicht anders.“
Dann gab er ihr einen Schubs und Amy rannte los. Hinter ihr war lautes Geschrei zu hören. Schüsse fielen dicht hinter ihr und wurden erwidert. Steve gab ihr Feuerschutz und schrie hinter ihr her, dass sie laufen solle. Die Schüsse wurden lauter und kamen immer näher.
„Jetzt durch die Tür und rechts halten“, schrie Steve von hinten. Amy rannte und stieß eine alte, verwitterte Holztür auf.
Draußen auf dem großen dunklen Hof blieb sie stehen, keuchte und schaute sich suchend nach Steve um. Als plötzlich jemand sie ohne Vorwarnung hinter einen Container zog.
„Verdammt Amy, weiter.“
Wieder fielen Schüsse und wieder zog Steve seine Frau zur Seite und schoss zurück. Schnell wechselte er in der kurzen Verschnaufpause das Magazin.
„Los da rüber und dann da entlang, du musst ganz dicht im Schatten der Hausmauer entlang laufen. … Jetzt!“ Steve sprang aus seiner Deckung.
Kugeln flogen durch die Luft. Amy tat, was Steve gesagt hatte, und rannte an der Lagerhalle entlang. Plötzlich stoppte sie und horchte auf. Es war still geworden zu still. Keine Schüsse fielen mehr, keine wurden erwidert. Ein ungutes Gefühl machte sich in ihrem Magen breit. Sie schluchzte, ihr Herz sagte:

„Dreh dich um, Steve braucht deine Hilfe.“ Aber sie hört auf ihren Verstand und auf das, was er ihr sagte. Er kommt nach. Los nur bis zur Ecke dort. Dann die dreiviertel Meile. Erst trabend, dann wurde sie schneller, bis sie rannte.
Allmählich tauchten vor ihr aus der Dunkelheit die Lichter der Straßenlaternen auf. Es wurde wieder belebter. Autos standen am Straßenrand und ein Streifenwagen des HPD kam die Straße hinaufgefahren, so wie es Steve gesagt hatte.
Amy sprang auf die Straße, fuchtelte wie wild mit ihren Armen und stoppte den Wagen, der sie zur HPD Zentrale brachte.

Zeichen der Vergangenheit  (Hawaii Five-0, Steve Mcgarrett, Alex oLoughiln)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt