47. Kapitel

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Dieser Abend verlief ruhig, keiner, der um seinen Schlafplatz stritt, oder um was auch sonst. Steve hielt sich wie immer zurück, wenn andere über ihr altes Leben erzählten. Er sah sie zwar an, wenn sie mit einem Funkeln in den Augen, über ihre Familien erzählten oder über ihre Taten prahlten, aber wirklich interessieren tat es ihn nicht. Steve ging in sich und ließ sein Leben Revue passieren, als er ihnen nur nebenbei zuhörte. So stellte er fest, dass er nicht groß anders war, als einige, die hier einsaßen.
In seiner Laufbahn hatte er auch des Öfteren Dinge gemacht, die einen Grund besaßen, hier zu sein. Er hatte den Bogen von Gut zu Böse oft überspannt und war nicht viel besser, wie mancher Häftling hier. Tief seufzend blickte er in Richtung der Gitterstäbe der Zellentür nach draußen. Die feuchte schwülwarme Luft war verschwunden, es roch nach Regen. Dunkle Wolken schoben sich vor dem Mond, so ließ er seine mittlerweile leeren Gedanken mit den Wolken ziehe und schlummerte darüber ein. Irgendetwas riss ihn aus seinem Schlaf. Schlaftrunkend rieb er sich übers Gesicht, blickte um sich und stand leise und langsam auf. Mühsam bahnte er sich einen Weg, durch die auf dem Boden dicht gedrängt liegenden schlafenden Männer. Kurz hielt er inne und lauschte. Die Geister der Nacht, wachten allmächtig auf. Wispernde Stimmen, drangen aus dem anderen Zellentrakt erst leise, dann lauter werden hinaus, sowie ein sägendes Schnarchen, das dem Dezibel einer Kreissäge glich. In dessen Ruhephase wurde die Stille durch ein unwirkliches Gedämpftes wimmern und ein wohliges, lauter werdendes Stöhne unterbrochen. Steve schloss für eine Moment die Augen, nein das war nicht der Ort, wo er immer bleiben wollte. So wurde er Gedanklich weitergetrieben von einem unguten Magengrimmen. Es zog ihn schließlich weiter zu den Gitterstäben und hielt sich an ihnen fest. Etwas in sich gekehrt sah er hinauf zum Mond und den vorbeiziehenden Wolken.

Ein Schmunzeln ließ kurz seine Mundwinkel bei seinen aufkommenden Gedanken nach oben ziehen. Amy würde jetzt zu Hause in ihrem Bett liegen und schlafen. Wie gerne würde er sich jetzt an sie kuscheln und ihr einen Kuss auf die Schultern geben. Sie in seine Arme nehmen und festhalten. Allein ihren Duft riechen zu dürfen, wäre super. Entmutigt ließ er seinen Kopf auf die Brust gleiten und im nächsten Moment blickte er zurück zum Himmel. Erschreckt zuckte er leicht zusammen, als er einen Druck auf der Schulter spürte. “Hey, ist alles gut bei dir? Du bist heute Abend so schweigsam? Du denkst an zu Hause, an deine Frau nicht war?” Steve ließ erneut langsam seinen Kopf auf die Brust gleiten und leckte sich mit der Zungenspitze über die Oberlippe. “Sie hat es mit mir nie leicht gehabt. Und nun diese Ungewissheit, was mit ihr ist. Ich mag mir nicht vorstellen, wie sie leidet.” Dabei stieß er einen schweren Seufzer aus. Seine innere Stimme sagt ihm, er werde zu Hause gebraucht.
Bob, der eine Armlänge hinter ihm gestanden hatte, trat seitlich neben ihm und blickte ihn von der Seite an. “Was meinst du damit, dass sie es mit dir nie leicht hatte?” “Es ist kompliziert, um mein Leben zu erklären.” 
Bob ließ nicht locker, „versuch es doch einfach, es schlafen mittlerweile alle und es hört keiner weiter zu. Außerdem hilft es einem, sich mal alles von der Seele zu reden und mir ist schon klar, dass du ein bewegtes Leben geführt hast. Wie gesagt, dass sagen mir deine Narben auf dem Körper, die sicherlich nicht von einem Bürodienst herrühren.“ Steve drückte mit zwei Fingern seine Nasenwurzel zusammen und sah dabei weiter zum Himmel hinauf. 

„Ich hatte mit meiner Ex-Freundin die Insel damals verlassen. Wir wollten nach allem, was die Jahre zuvor passiert war, hinter uns lassen und neu anfangen. Die ersten Monate liefen gut und es schien so, dass wir beide es schaffen würden. Doch dann …" Steve sog scharf die Luft ein und blies einen langen Atemzug aus, während er die Lippen fest aufeinander presste.

 „Auf jeden Fall hat es nicht geklappt und ich bin dann zurück nach Hawaii geflogen. Dort nahm ich wieder meine Arbeit bei der Task-Force auf. Eines Morgens, als ich auf dem Weg zur Arbeit war, stand unweit meines Hauses ein Auto am Straßenrand. Die Motorhaube war offen. Ich hielt an und fragte, ob ich behilflich sein könnte.“ Sehnsuchtsvoll blickte er ins Leere der Nacht. „Das war Amy. Sie wirkte etwas verzweifelt und sie erinnerte mich in diesem Moment etwas an meine kleine Schwester Mary. Ich bot ihr meine Hilfe an und fuhr sie zur Arbeit. Es war ihr erster Tag in der Schule und sie war gerade mal eine Woche auf der Insel.  Sie kannte niemanden. Also kümmerte ich mich im Anschluss darum, dass ihr Auto zur Werkstatt kam und repariert wurde. Als Dankeschön lud sie mich auf einen Kaffee ein. Wie gesagt, sie erinnert mich an Mary und da sie neu auf der Insel war, habe ich ihr immer wieder mal etwas geholfen.“ Steve machte eine kurze Pause, sah Gedanken verloren vor sich hin und schmunzelte leicht. „Einmal bin ich zu ihr gefahren, als sie versucht hatte, ihr Vordach zu reparieren. Ich habe es dann repariert und war zu dem Zeitpunkt immer noch auf keine neue Beziehung aus. Es war eine schöne, unkomplizierte Zeit, es passte alles so gut mit ihr. Amy hatte mir dann alles von sich erzählt. Dass ihr Großvater und Onkel bei 9/11 starben und sie deshalb mit ihrer Familie später nach Santa Barbara gezogen war, weil der Schmerz zu groß wurde. Dass etwas später ihr Bruder in Afghanistan gefallen war. Sie erzählte mir viel, aber jedes mal, wenn ich ihr etwas von mir erzählen wollte, musste ich  weg. Mein Leben war zu kompliziert, um es ihr bis ins kleinste Detail zu erzählen. Vielleicht war es auch die Angst, sie damit zu verschrecken und sie hatte auch nie nachgefragt.
Irgendwann wollte ich es ihr erzählen, es ihr gleich tun und offen sein, so lud ich sie auf ein Segelwochenende ein. Ich hatte alles genau geplant und mir fehlte zum Schluss nur eine kleine Aufmerksamkeit für sie. Also fuhr ich zum Aloha Tower und lief dort meiner Ex, in die Arme. Sie bat mich um ein klärendes Gespräch und ich fand es besser alles geklärt zu haben. So habe ich Amy abgesagt, erzählte ihr etwas davon, dass ich kurzfristig von der Insel müsste und erst am Montag wieder zurück sei.“ Steve griff sich an den Nasenrücken und drückte ihn mit Daumen und Zeigefinger zusammen. Selbst jetzt bekam er immer noch einen dicken Klos im Hals, sie belogen zu haben.
Bob kniff die Augen zusammen und hatte eine Ahnung, was dann passiert war. Er entschloss sich aber nicht nachzufragen.

„Wir haben uns in ihrem Hotelzimmer ausgesprochen und …“, vorsichtig leckte sich Steve über die Lippen. „Und ich habe mit Cath geschlafen. Auch wenn ich zu dem Zeitpunkt mit Amy nur eine Freundschaft hatte, wurde ich das Gefühl nicht los Amy betrogen zu haben und fühlte mich total schlecht. So hatte ich das Zimmer und Cath, meine Ex fluchtartig verlassen. Als ich mich beruhigt hatte, habe ich mit Danno, meinem Partner/besten Freund, über das Treffen mit meiner Ex gesprochen und was passiert war. Er hat mich gewarnt. Er sagte, ich sollte erst mit Amy reden, bevor ich mit meiner Ex rede. Seine Wahrung hatte ich in den Wind geschlagen und gehofft, Amy würde es nie herausfinden, was an diesem Wochenende passiert war. Also bat ich als erstes Cath um ein erneutes Gespräch. Dort wollte ich ihr klarmachen, dass die Nacht ein Fehler war. Mir war klar wurde, dass Amy doch mehr war, als, was ich am Anfang in ihr gesehen hatte. Amy hatte alles, wonach ich mich gesehnt habe.“

„Und hat sie je davon erfahren.“ Hackte Bob vorsichtig bei ihm nach. Steve blickte kurz über seine Schulter in Bobs Gesicht. „Ja, hat sie, gerade als ich Cathrine erzählte, dass diese Nacht ein Fehler war, stand sie vor mir. Sie hatte alles mit angehört. Doch bevor ich es ihr erklären konnte, war sie in der Menge verschwunden.“

Zeichen der Vergangenheit  (Hawaii Five-0, Steve Mcgarrett, Alex oLoughiln)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt