Als sie den Saal erreichten, in dem König Yelir sie erwartet, hatte sie mit einer Audienz gerechnet und war nun entsprechend überrascht, als sie den Speisesaal vor sich sah.
Der lange Tisch war reichlich gedeckt, doch es gab nur zwei Stühle. Der, auf dem König Yelir saß und einen direkt neben ihm. Beide an der Stirnseite der Tafel.
Zunae spürte Unruhe in sich aufsteigen, als ihr klar wurde, dass König Yelir gedachte mit ihr zu speisen.
Ihr Magen rumorte ein wenig. Sie hatte Hunger, das wollte sie gar nicht leugnen, doch sie war so nervös, dass sie nicht wusste, ob sie auch nur eine der vorbereiteten Mahlzeiten herunterbringen würde.
Zunaes Blick fiel auf den Mann, der am Kopfende des Tisches saß. Sein Blick aus grünen Augen war kalt und seine Miene bar jeder Emotion. Trotzdem verliehen seine kurzen, braunen Haare ihm ein verwegenes Aussehen.
Er trug elegante Kleidung, die jedoch genug Freiheit ließ, um in Ruhe zu essen, ohne zu behindern.
Zunae fühlte sich sofort ein wenig zu gut angezogen, doch sie ließ sich davon nicht einschüchtern. Mit erhobenem Kopf und langsamen Schritten betrat sie den Raum, bevor sie einen sanften Knicks machte. »König Yelir«, grüßte sie mit ruhiger Stimme, die dafür sorgte, dass der König ihr einen kurzen, musternden Blick zuwarf. Allerdings wandte er ihn fast sofort wieder ab. »Bitte verzeiht, ich habe mit einer Audienz gerechnet. Niemand hat mich darüber informiert, dass Ihr mit mir speisen wollt«, sagte sie, um das sofort klarzustellen.
Nun wandte er ihr noch einmal den Blick zu und musterte sie, bevor er eine Augenbraue hob. »Kein Grund für diese Formalität. Du wirst meine Frau werden. Also setz dich.«
Seine Worte kamen rau und vielleicht sogar ein wenig barsch, doch Zunae ließen sie lächeln. Es schien, als hielt der König nicht so viel von Formalitäten, was es für Zunae hoffentlich angenehmer machte, hier zu leben.
Wie er ihr gesagt hatte, trat sie auf den Stuhl zu und ließ sich darauf nieder.
Sie spürte seinen intensiven Blick auf sich, ließ sich davon jedoch nicht einschüchtern. Stattdessen besah sie sich das Essen, das sie so noch nie gesehen hatte. Es schienen alles regionale Dinge zu sein, die wunderbar rochen und ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen ließen.
Während sie noch das Essen betrachtete, bemerkte sie, dass Yelir seine Finger ineinander verschlang und sie darüber hinweg ansah. »Machen wir es kurz: Da du jetzt hier lebst, hast du dich unseren Regeln zu unterwerfen. Als Königin hast du nur eine einzige Aufgabe: Einen Erben zur Welt zu bringen. Solange du diese Aufgabe erfüllst, kannst du tun und lassen, was du willst.«
Yelirs Worte sorgten dafür, dass ihr das Essen sofort verging. Sie hatte damit gerechnet, doch dass es so schlimm sein würde, dass er es bei seinem ersten Treffen erwähnen musste, hatte sie nicht erwartet.
Sie schluckte unauffällig, bevor sie den Blick hob, um Yelir anzusehen. »Ein Kind zur Welt bringen?«, fragte sie herausfordernd. »Ist das alles, für was Ihr mich gebrauchen könnt?«, wollte sie wissen, wobei sie sich einfach ein wenig von der Suppe nahm, die so gut roch.
Sie versuchte so zu tun, als wäre nichts, doch das stimmte nicht. In ihr rumorte es und Wut ergriff sie, die sie jedoch zurückhielt. »Dabei bin ich mir sicher, dass es mehr Dinge gibt, die ich beisteuern kann.«
Yelir machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich habe dich noch nie auf dem Schlachtfeld gesehen. Du kannst also nicht besonders stark sein. Ich habe schon damit gerechnet, dass dein Reich mir eine Prinzessin schickt, die ihre Kampfkraft nicht zu sehr schwächt«, sagte er, was Zunae direkt wütend machte. Er sagte es, als wäre er sich dabei sehr sicher, dabei war dem auf gar keinen Fall soll.
Zunae versuchte, seine Worte nicht zu sehr an sich heranzulassen, doch es war klar, dass er sie für schwach hielt. Ob das gut oder schlecht war, würde sich erst noch zeigen.
»Wie stellt Ihr Euch dieses Arrangement vor?«, fragte Zunae stattdessen. Sie wollte wissen, was sie wirklich tun konnte und was nicht.
Yelir winkte ab. »Zuerst einmal wirst du eine Weile hier leben, bis wir offiziell heiraten«, erklärte er und Zunae ahnte, warum.
Wenn sie sich richtig an Degonis Worte erinnerte, dann glaubten sie, dass Zunae eine Attentäterin war. Das wollten sie sicherlich zuerst ergründen, bevor sie Yelir heiratete. Immerhin wäre es für die Reputation des Königs auch nicht so gut, wenn seine Frau versuchte, ihn zu töten.
Zunae ließ sich Yelirs Worte durch den Kopf gehen, während sie einen Löffel Suppe nahm.
Das war nicht ganz das, was sie als Antwort erwartet hatte, aber erst einmal akzeptabel.
Sie schluckte, bevor sie ein Brennen im Hals spürte und begann zu husten.
Für einen Moment glaubt sie, dass das Essen vielleicht vergiftet war, doch sie stellte schnell fest, dass es einfach nur verdammt scharf war.
Hustend wandte sie sich an Yelir. »Ihr hättet mich warnen können«, warf sie ihn vor, weil das Lächeln auf seinen Lippen Bände sprach.
»Scharfes Essen gehört bei uns traditionell dazu«, erklärte er und nahm einen Schluck Wein.
Zunae griff ebenfalls zu ihrem Glas und wünschte sich beim Trinken, dass es Wasser statt Wein wäre, denn dieser brannte etwas im Rachen.
Trotzdem ließ der Schmerz nach, sodass sie leise die Luft ausstieß. »Ich bin so scharfes Essen nicht gewohnt«, bemerkte sie, wobei sie den Mund verzog, da sie nicht wusste, ob sie sich dafür entschuldigen oder ihn die Hölle heiß machen sollte. Zumindest bekam sie durch seine Reaktion ein ganz gutes Bild davon, wie der König so war. Er schien sich daran zu erfreuen, sie so aus der Fassung gebracht zu haben. Oder lag es vielleicht sogar daran, dass sie Schmerzen hatte? Das würde sie beobachten müssen.
»Solltest du andere Mahlzeiten wollen, musst du die Küche informieren«, erklärte er, als wäre nichts dabei, dass sie als neue Königin direkt in die Küche ging. Bei ihnen wäre das ein Unding gewesen, doch scheinbar handhabte man das hier so.
Zunae hustete noch einmal, bevor sie noch einen Schluck nahm. »Auf Dauer vermutlich die beste Lösung«, murmelte sie und stieß leise den Atem aus, denn ihr Rachen brannte noch immer. Wie konnte man sowas mögen? Irgendwie konnte sie sich nicht vorstellen, dass alle hier so aßen.
Sie blickte zu Yelir, der lediglich sein Glas Wein in der Hand hatte, aber ansonsten nichts aß. Das machte Zunae misstrauisch, weshalb sie die Stirn runzelte. War das vielleicht ein Versuch, sie zu vergiften? Aber warum machte man dann das Essen so scharf?
Zunae legte ihr Besteck zur Seite, entschied sich aber dazu, Yelir nicht darauf anzusprechen. Vielleicht wollte er sie auch einfach nur ärgern oder testen.
Erst einmal würde sie vermutlich damit leben müssen, aber das würde sie nicht davon abhalten, bei der Küche ihre Wünsche aufzugeben. Wenn sie schon auf den Großteil ihres Lebens verzichtete, dann wollte sie zumindest ihr Essen genießen können.
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Das Blut der Drachen (Band 1+2)
FantasyZunae, eine starke Magierin bekommt eine wichtige Aufgabe. Sie soll das verfeindete Oberhaupt eines anderen Clans heiraten. Yelir Raenac. Das Problem: In dieser Gegend sind Frauen nicht sonderlich viel wert. Trotzdem könnten ihre Reiche in Gefahr se...