Kapitel 56

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Keuchend kam Yelir langsam wieder zu Bewusstsein, während um ihn herum die Männer ihren Sieg feierten.

Er selbst atmete schwer und Schweiß floss von seiner Stirn und vermischte sich mit Tränen, die seine Wangen benetzten.

Unter seiner Hand spürte er das sanfte Klopfen eines Herzens, doch ansonsten spürte er nichts. Keine Regung und keine Atmung. Als hätte seine Magie den Kern ihres Körpers nicht erreicht und nur die Hülle gerettet.

Eine Vorstellung, der er sich nicht hingeben wollte. Nicht, wenn er nicht verzweifeln wollte.

Yelir sammelte seine letzte Kraft, doch erst als Dainte ihm seine heilenden Hände auf den Rücken legte, konnte er sich wieder erheben.

Sein Blick wanderte über die Fläche. So viel Zerstörung und Tod.

»Wir haben gewonnen, doch die Opfer, die diese Kampf gefordert hat, sind zahlreich. Verarztet die Verletzten und ruht euch aus«, befahl er, wobei er Mühe hatte, seine übliche, ruhige Miene zu bewahren. »Diejenigen, die es können, bauen die Zelte weiter abseits auf. Sammelt die Leichen zusammen und macht sie für den Transport bereit.«

Seine Worte mochten harsch und kalt klingen, doch sie waren ein Kriegsclan. Es war nicht ihr erster Kampf und obwohl er um jeden einzelnen Soldaten trauerte, musste er pragmatisch sein. Jetzt hieß es, schnell zu handeln. Jeder Verletzte musste versorgt werden, bevor es noch mehr Tode gab. Aber vor allem mussten sie alle so schnell wie möglich diesen Ort verlassen. Je länger sie hier blieben, desto schneller würde das ganze Ausmaß dieses Kampfes in die Köpfe der Soldaten dringen. Und sobald das geschah, sollten sie in ihren Familien sein, wo man sie auffangen konnte.

In den Armen ihrer Frauen.

Yelirs Blick wanderte zu Zunae, die mit ihrer blassen Haut und den nun völlig schwarzen Haaren nicht einmal mehr wie sie selbst aussah.

Degoni legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Geh. Ich werde mich hier um alles kümmern«, versicherte er, wobei das Lächeln auf seinen Lippen krampfhaft und traurig wirkte.

Yelir schluckte den Kloß in seiner Kehle hinunter, bevor er sich langsam hinabbeugte, um Zunae auf seine Arme zu heben. Er hatte keine Ahnung, woher er diese Kraft nahm, doch es gelang ihm.

Sofort drückte er sie an sich, um ihr schlagendes Herz zu hören. Um sich selbst zu versichern, dass sie noch am Leben war.

Dieser Drache hatte ihm etwas sehr Wertvolles genommen und er schwor sich, sich eines Tages dafür zu rächen.

Jetzt aber verließ er mit seiner Frau im Arm den Kampfplatz und hielt auf eine Kutsche zu, die weit abseits ihres Lagers stand. Mit dieser waren Teile der Heiler in der Nacht zu ihnen gestoßen. Darin befanden sich wichtige Heilmittel, die gerade von weniger verletzten Soldaten ausgeräumt wurden. Sie alle würden gebraucht werden, aber seiner Frau im Moment nicht helfen.

Der Mann, der die Truppen anleitete, die Dinge zu transportieren, war Daintes Stellvertreter Adrian. Er war ebenfalls ein herausragender Heiler. Sein Artefakt war dafür geschaffen, doch er zeichnete sich auch in einem großen Wissen über Kräuterkunde aus.

Der Mann mit dem ergrautem Haar und kurzem Bart nickte ihm zu, als Zeichen, dass er verstand, was sein Herrscher hier wollte. »Ich werde die Kutsche sofort für Euch bereit machen«, sagte er, bevor er selbst ins Innere stieg und einige weitere Kisten hinausreichte.

Es dauerte eine Weile, doch Yelir wartete geduldig. Sollte er vielleicht erneut Zunaes Schwestern um Hilfe bitten? Aidina konnte möglicherweise etwas tun, um seiner Frau zu helfen.

Adrian kletterte aus der Kutsche und nickte Yelir zu. »Ich habe einige leere Kisten mit einer Decke bedeckt, sodass ihr bequemer reisen könnt«, erwiderte er, denn die Kutsche selbst war zum Gütertransport gedacht und besaß daher keine Sitzbänke.

Das Blut der Drachen (Band 1+2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt