Kapitel 35

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Zunae hörte draußen Stimmen. Sie waren leise, doch Zunae konnte diese recht gut zuordnen. Die niederen Priester, die hier dienten. Sie wollten von Yelir wissen, was dieser hier zu suchen hatte.

In diesem Moment öffnete sie die Kutschentür und der starke Wind fuhr ihr unter die weißen Robe und wirbelte die Ärmel auf.

Yelir wandte sich zu ihr um und riss seine Augen auf, bevor er erstarrte.

Zunae wusste, dass die Robe einer Hohepriesterin ihr nicht sonderlich stand, doch als Kind, das teilweise hier aufgewachsen war, war es nun einmal ihre Pflicht.

»Wir sind hier, um Hohepriester Sisenem zu sehen«, sagte sie mit ruhiger Stimme und erhobenem Haupt.

Das rote Haar hatte sie zu einem Zopf gebunden, der ihr wie eine Krone auf dem Kopf lag. Darüber ein weißer Schleier, der teilweise auch ihr Gesicht bedeckte.

Die beiden Jungpriester wirkten überrascht und dann ein wenig unsicher, bevor sie sich verbeugten. »Wie Ihr wünscht«, sagten sie im Gleichklang und zogen sich in die Höhle zurück, vor der sie gelandet waren.

Zunae und Yelir waren mit der Kutsche auf einem Vorsprung gelandet, der mit einer Höhle ins Innere der Horste führte. Sie mussten mehrere Meter in den Höhen der Felsen sein, welche sie umgaben.

»Zunae«, erklang Yelirs Stimme gereizt. »Was geht hier vor?«, fragte er und wandte sich ihr zu, um sie erneut zu mustern.

Ein schiefes Lächeln legte sich auf die Lippen der jungen Frau. »Ich habe die Ausbildung als Priesterin durchlaufen«, sagte sie nicht ganz so begeistert, doch ihr war klar, dass sie vieles nicht mehr vor ihm verstecken konnte. »Technisch gesehen, bin ich im Rang unter dem Hohepriester«, fügte sie hinzu und wandte dann den Blick ab, da man sie hineinbat.

Yelir grummelte leise. »Wie kann es sein, dass die Seher hier jemanden wie dich aufnehmen und ausbilden?«, fragte er, denn tatsächlich war es nicht unüblich, dass hier Kinder zu Priestern für die Raben-Seher ausgebildet wurden. Immerhin brauchten diese Personal und ein Sprachrohr nach draußen.

Zunae presste einen Moment die Lippen zusammen, bevor sie sich entschied, Yelir mehr zu erzählen. »Als ich jünger war, schickte mich meine Mutter hierher. Es war ein Wunsch des Hohepriesters.«

Yelir stieß die Luft aus. »Und das konntest du nicht sagen, weil?«, fragte er, während er ein Stück hinter ihr lief und sie anstarrte.

»Weil manche Dinge nicht für die Ohren aller gedacht sind«, erwiderte sie ungerührt.

Die Hände hatte sie sittsam vor ihrem Körper gefaltet, während sie mit festen Schritten die Tunnelgänge entlanglief, die auch einem Schloss entsprungen sein könnten. Sie waren edel und elegant. Der einzige Unterschied war das Fehlen von Fenstern, weshalb es in regelmäßigen Abständen leuchtende Kristalle gab, welche Licht spendeten.

Schließlich traten sie in einen gemütlichen, runden Raum, der einen kleinen Tisch und ein Sofa aufwies. Diese Dinge waren edel und wirkten bequem, doch ansonsten schien der Raum recht leer.

Ein Warteraum.

Eine Tür ging auf, die kaum im Felsen der Wände zu erkennen war und eine der jungen Priesterinnen kam hervor. Als sie Zunae und Yelir entdeckte, verneigte sie sich sofort. »Ich habe Euch angekündigt«, sagte sie, wobei sie verwirrt wirkte. »Der Hohepriester wünscht nur Euch zu sehen.«

Zunae blickte von der Frau zu Yelir und lächelte schief. »Tut mir leid«, flüsterte sie, doch Yelir winkte ab, bevor er sie an sich zog und ihr einen Kuss auf die Lippen drückte.

Das Blut der Drachen (Band 1+2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt