Kapitel 43

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Zunae blickte hinaus auf den Innenhof, wo gerade die letzten Vorbereitungen geschlossen wurden.

Es war noch sehr früh am Morgen, doch Zunae hatte nicht mehr schlafen können.

Heute war der Tag ihrer Hochzeit. Ein Tag, der für sie ein Meilenstein in ihrem Leben legte.

Sie zog das Schultertuch, das sie wärmte, etwas enger um sich. Draußen war es warm und in ihrem Zimmer brannte auch immer der Kamin, doch sie fühlte eine gewisse innere Kälte.

Würde alles gut gehen?

Würden Charlet und Ariel etwas tun, um die Hochzeit zu verhindern?

Sie hoffte nicht.

Mittlerweile war sie sich nicht einmal mehr sicher, ob sie das Gespräch wirklich gehört oder nur geträumt hatte. Vielleicht war es auch eine Vision, die sie nur nicht als solche wahrgenommen hatte.

Zunae hatte aber auch keine Kraft mehr, darüber nachzudanken.

Magietechnisch hatte sie sich zwar von ihrem Ausflug nach Vereven erholt, doch nicht emotional.

Die Schlachtfelder, die sie kannte, bezogen keine Kinder mit ein. Sie hatte erwartet, dass sie es verkraftete, dass sie stark genug dafür war, doch da hatte sie sich getäuscht. Vielleicht, weil für sie nie ein Kind im Spiel sein würde, obwohl sie sich so sehr eines wünschte.

Zunae schloss die Augen und erinnerte sich an die Vision, in der sie schwanger vor dem Fenster stand. Sie wusste, dass sie es sich nicht leisten konnte, in Kind zur Welt zu bringen, wenn sie nicht alles andere verlieren wollte.

Ein Klopfen erklang an ihrer Tür, was sie überraschte. Die Dienstmädchen würden nicht klopfen und kamen eigentlich erst in einer Stunde, um sie zu wecken.

Nachdenklich wandte sich Zunae vom Fenster ab, durchquerte ihr Schlafzimmer und kam in den kleinen Vorraum. »Ja?«, fragte sie, als sich die Tür langsam öffnete. Da sie bereits angezogen war, störte es sie nicht, als Degoni zögerlich eintrat.

Erst, als er sie erblickte und einmal gemustert hatte, entspannte er sich wieder ein bisschen. »Sehr gut, du bist schon fertig. Yelir will dich sehen«, erklärte er zögerlich.

Zunaes spürte Überraschung in sich aufsteigen. »Sind meine Schwestern etwa schon da?«, fragte sie, denn sie hatte erst am Nachmittag, kurz vor dem Beginn der Hochzeit mit ihnen gerechnet. Immerhin war es nicht möglich, dass alle von ihnen längere Zeit die Stadt verließen.

Sie hatten jedoch darauf bestanden, dass sie alle zur Trauung anwesend waren.

Degoni schüttelte den Kopf. »Nein ... Da ist eine Kutsche und Yelir weiß nicht, ob du damit zu tun hast«, bemerkte er, wobei er in Rätseln sprach.

Was für eine Kutsche? Yelir wusste doch, wen sie alles eingeladen hatte?

Zunae runzelte die Stirn, bevor sie Degoni deutete, dass sie ihm folgen würde.

Dieser nickte, wandte sich um und ließ mit schnellen, festen Schritten los.

Zunae hatte Mühe, ihm zu folgen, ohne zu rennen. Es musste wichtig sein, denn Degoni wirkte überraschend überfordert. So kannte sie ihn nicht.

Je weiter sie gingen, desto angespannter wurde auch Zunae und als sie hinaus zum Vorhof trat, wo eine Kutsche stand, hellte sich ihr Blick auf.

Auf der Kutsche prankte das Wappen der Raben, was Zunaes Herz aufgeregt schlagen ließ. Natürlich hatte sie einen Brief geschrieben, doch da sie keine Antwort erhalten hatte, hatte sie auch nicht mehr damit gerechnet.

Schließlich entdeckte sie Yelir, der mit einem Mann mit langen, schwarzen Haaren sprach. Er trug die weiße Robe des Hohepriesters der Raben.

»Sisenem«, flüsterte sie, hob ihren Rock an und lief dann schnellen Schrittes die Treppe nach unten zu den beiden Männern. Degoni blieb verwirrt zurück. Er wusste nicht, was auf der Insel der Raben geschehen war. Yelir hatte darauf bestanden.

Schwer atmend kam Zunae bei Yelir und Sisenem ab. Während ihr zukünftiger Mann sie fragend anblickte, schenkte der Hohepriester ihr ein Lächeln. »Du bist doch gekommen«, brachte sie atemlos hervor, wobei sich ihre Wangen vor Freude rot färbten.

Sisenem lächelte sanft und öffnete dann in einer einladenden Geste die Arme. »Ich würde sicherlich nicht die Möglichkeit verpassen, meine liebste Tochter zu trauen«, sagte er, was Zunae Tränen in die Augen treten ließ, bevor sie sich in die Umarmung ihres Vaters warf.

Sie hörte Yelir leise fluchen, doch das interessierte sie im Moment nicht. Vielleicht hätte sie etwas dazu sagen sollen, bevor Sisenem hier angekommen war, doch sie hatte nicht gewusst, dass er so locker damit umging. Immerhin war es nicht gerade normal, dass Raben und Drachen ein gemeinsames Kind hatten. Auch wenn sie, so wie man es ihr gesagt hatte, ein Kind der Visionen sei. Was sie nicht ganz verstand, aber auch nicht zwingend verstehen wollte. Sie wusste, es hing mit ihrer Aufgabe zusammen, die sie auf alle Fälle erfüllen wollte.

Sisenem löste sich langsam von ihr, bevor er ihr ein weiteres Lächeln schenkte. Es füllte Zunae mit Geborgenheit und Wärme, denn er war ihr ein sehr guter Vater gewesen. Vielleicht nicht der typische, aber für sie hatte seine Gegenwart immer Wärme und Zuhause bedeutet.

Zunae wandte sich mit einem entschuldigenden Blick zu Yelir. »Ich hatte ihn gebeten, uns zu trauen, aber da ich keine Antwort erhalten habe, dachte ich ...«, setzte sie an, als Sisenem sie mit einem Räuspern unterbrach.

»Was heißt, du hast keine Antwort bekommen?«, fragte er und zog sowohl Yelirs als auch Zunaes Aufmerksamkeit auf sich.

Diese runzelte die Stirn. »Du hast nicht geantwortet«, sagt sie noch einmal deutlicher. Was war daran so schwer zu verstehen.

Sisenem legte den Kopf schief. »Das erklärt so einiges. Ich habe dir mehr als fünf Briefe geschrieben und mich dann einfach entschieden, herzukommen.«

Zunae stieß die Luft aus. »War der Weg ... nicht gefährlich?«, fragte sie, denn durch die ständigen Angriffe, die ihr Land vor allen an den Küstengebieten heimsuchten, musste es für Sisenem nicht leicht gewesen sein.

Dieser machte eine abwinkende Handbewegung. »Mit Meerjungfrauen an der Seite war es fast ein Kinderspiel«, beschwichtigte er, blickte aber einen Moment zu Yelir, als wolle er diesem etwas sagen. Allerdings schwieg er.

Yelir räusperte sich leise. »Ich werde dafür sorgen, dass Ihr ein Zimmer bekommt«, sagte er, bevor er eine winkende Bewegung machte.

Es war kein Diener, der sich ihm näherte, sondern Dainte, der die ganze Sache aus der Ferne beobachtet hatte. Ähnlich, wie es auch Degoni tat. »Sorg für eine Unterkunft für unseren Gast«, befahl Yelir, der es niemand anderem überlassen würde, einen so wichtigen Gast zu versorgen.

Dainte neigte den Kopf. »Ich werde mich darum kümmern«, erklärte er, bevor er sich vor Sisenem verneigte und dann in die Burg verschwand.

»Darf ich dich herumführen?«, wollte Zunae wissen, auch wenn die Frage mehr an Yelir ging.

Dieser grummelte leicht, nickte dann aber und deutete ihr an, dass er sie begleiten würde.

Sisenem hielt Zunae einen Arm hin, die sich sofort einhakte. Bei ihnen war es vollkommen normal, dass ein Vater so mit seiner Tochter durch die Gegend lief, doch der skeptische Blick von Yelir sagte ihr, dass es hier wohl nicht so war. Trotzdem ließ sich Zunae das nicht nehmen. Sie konnte schon so selten Zeit mit ihrem Vater verbringen, dass sie wenigstens die jetzige nutzen wollte. »Wie lange bleibst du?«, fragte sie und schielte zu Sisenem auf.

»Der Situation geschuldet nur bis morgen«, sagte er entschuldigend, was Zunae leise seufzen ließ. Sie verstand es, doch traurig war sie trotzdem.

»Mir wäre es lieber, wenn deine Schwestern nicht kommen würden«, meinte Yelir plötzlich, während sie durch die Burg schlenderten.

»Ich weiß«, erwiderte sie, doch Zunae konnte ihm den Grund nicht nennen. Er würde nur versuchen, die Zukunft zu verhindern, welche die einzige war, in der die Opfer nicht immer größer wurden.

Sisenem drückte ihre Hand, was ein klägliches Lächeln auf ihre Lippen wandern ließ. Sie verdrängte die trüben Gedanken und schenkte Sisenem ein Lächeln. »Lass mich dir meinen Garten zeigen«, sagte sie und versuchte, im Hier und Jetzt zu bleiben. Nur so würde sie die nächsten Stunden überleben können.

Das Blut der Drachen (Band 1+2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt