Kapitel 11

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Als Zunae wieder auf ihrem Pferd saß, konnte sie noch immer nicht glauben, was gerade geschehen war.

Yelir hatte sie zum Oberhaupt der Stadt gemacht, die dem Herrschaftssitz am nächsten war. Sie wusste nicht, was man jetzt von ihr erwartete, doch alle schienen damit zufrieden zu sein.

Zunae sah jedoch nur den Stapel an Arbeit, der nun auf sie zukommen würde.

Vielleicht war die Ansammlung von Häusern für sie keine richtige Stadt, doch hier war es die bedeutendste.

Kavalare, wie sie erfahren hatte. Ein Name, der ihr sogar etwas sagte.

»War das eigentlich Absicht?«, fragte Zunae brummend, als sie Yelir einholte und ein Stück neben ihm ritt.

Diese grinste lediglich vor sich hin. »Was genau?«, fragte er gespielt unschuldig.

Zunae verzog den Mund. »Mich ohne Vorwarnung dort hineinlaufen zu lassen«, knurrte sie missmutig. Die Vorstellung, Yelir hatte das zu seiner eigenen Belustigung arrangiert, passte irgendwie ganz gut zu ihm.

»Ich hatte mit einem anderen Ausgang gerechnet, aber zumindest konntest du dich beweisen.«

Zunae verdrehte innerlich die Augen. Scheinbar hatte er wirklich mit ihrer Niederlage gerechnet. Er war wirklich ein ...

Zunae hielt sich zurück, bevor sie ihn geistig beschimpfte. Er würde immerhin ihr Mann werden. Sie sollte sich also zusammenreißen.

»Sieh es positiv. Jetzt hast du immerhin etwas zu tun«, lachte Yelir, von dem sie sich gut vorstellen konnte, dass er selbst nicht sonderlich viel Geduld mit Verwaltungsdingen hatte.

Zunae schnaubte und erinnerte sich daran, dass Aaron gesagt hatte, er würde die Unterlagen zur Stadt die Tage schicken. Hoffentlich musste sich Zunae nicht durch zu viel Mist kämpfen, um an die wichtigen Dinge zu gelangen.

»Soll das eine Beschäftigungstherapie für mich sein, oder wie hast du dir das gedacht?«, fragte sie frei heraus, wobei ihr Unmut doch ein wenig in ihrer Stimme mitschwang.

Es war nicht so, dass die Idee ihr nicht gefiel oder sie nicht über das Dorf herrschen wollte, doch eine Vorwarnung wäre ganz gut gewesen.

Yelir schnaubte. »Ich versuche lediglich aus dieser Sache Vorteile für mich und mein Reich zu ziehen«, erklärte er und stellte sich ihr mit dem Pferd in den Weg. Dabei deutete er Zunae, abzusteigen.

Diese fühlte sich nicht ganz wohl dabei, tat es aber. Yelir folgte nur wenig später und trat auf sie zu.

»Bei uns sind Frauen nichts weiter als schöne Anhängsel«, erklärte er ernst, wobei er eine Hand hob und eine ihrer roten Strähnen griff. »Aber die Seher, die diesen Pakt erzwungen haben, habe mir deutlich gemacht, dass es unser Untergang wäre, wenn ich das auch in dir sehen«, gab er widerwillig knurren von sich. »Und obwohl ich es bevorzugen würde, wenn du lediglich mein Bett wärmst und meinen Sohn gebärst, muss ich dir doch eine Gelegenheit einräumen. Also kannst du auch Dinge für mich tun, die mich zu sehr nerven.«

Zunae lauschte seinem kleinen Monolog, während sie ihn genau im Auge behielt. Es klang so, als würde er sich nicht wirklich darüber freuen, wie es gelaufen war. Gleichzeitig schien er aber auch seine Arbeit auf sie abzuwälzen.

Zunae beobachtete, wie Yelir ihre Strähne zwischen den Fingern drehte. Er hatte etwas Anziehendes, weil er ein Krieger war, wie sie es aus ihrer Heimat nicht kannte. Dort war der Umgang zwischen Männern und Frauen ein wenig anders. Zunae war neugierig darauf, ob sich diese Sachen auch im Bett sagen ließen, doch im Moment wollte sie sich noch auf nichts einlassen.

»Ich bin geschult in Politik und Reichsverwaltung«, meinte sie nüchtern. »Wenn du mir also solche Dinge abgeben willst, dann nur zu. Warn mich bitte nur das nächste Mal vor, damit ich mich darauf vorbereiten kann«, erwiderte sie ungerührt, was Yelir erneut einen überraschten Ausdruck aufs Gesicht zauberte.

»Du bist so ganz anders als die Frauen bei uns«, bemerkte er ein wenig abwesend, während er ihre Strähne betrachtete.

Zunae fand sein Verhalten ein wenig seltsam, doch sie konnte ihn auch nicht wirklich einschätzen. Dazu kannte sie ihn zu wenig. »Kann ich nicht sagen. Ich kenne keine Frauen, die hier leben«, erwiderte sie nüchtern. Sie kannte generell das Leben hier nicht. Nur vom Hören-Sagen.

Yelir nickte noch immer ein wenig abwesend. »Nimm dir kein Beispiel an ihnen«, murmelte er, doch so, dass Zunae es gerade noch hören konnte. Dann räusperte er sich. »Deine andere Art macht dich interessant«, bemerkte er, als wäre nichts dabei. Er ließ von ihrer Strähne ab und wandte sich wieder seinem Pferd zu. »Übertreib es aber nicht, sonst wird es anstrengend.«

Zunae verstand einfach nicht, was mit ihm los war. Er verhielt sich so seltsam. Sie konnte ihm einfach nicht folgen. Was genau wollte er denn jetzt von ihr?

Das Blut der Drachen (Band 1+2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt