Kapitel 34

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Als Zunae in der Ferne des Meeres den Nebel entdeckte, der unheilvoll am Horizont aufstieg, begann ihr Magen aufgeregt zu kribbeln. Wie lange war es her, dass sie hier gewesen war.

Zunaes Hände krallten sich in die Reling, doch sie war sich der angespannten Stimmung bewusst. Sie war die einzige, die sich freute. Aber das hatte andere Gründe.

»Der Kapitän sagt, wer will hier schon halten«, erklärte Yelir angespannt, der hinter Zunae an die Reling trat und ihr ein Schultertuch umlegte.

Zunae spürte sofort die Wärme, die davon ausging. Hatte er Magie genutzt, um es zu wärmen? Er war wirklich zuvorkommend. Besonders seit er wusste, dass sie Wärme brauchte und diese nicht selbst regeln konnte. Zumindest nicht ohne Magie.

»Das können wir«, murmelte Zunae, die einen Blick über ihre Schulter warf und Ilan musterte, der dabei half, das Segel einzuholen.

Sie konnte immer noch nicht glauben, dass Yelir ihn überredet hatte, hierzubleiben. Was bezweckte Yelir damit und warum hatte Ilan zugestimmt? Seine Gegenwart machte es ihr nicht gerade leicht, sich zu entspannen. Vor allem, da sie spürte, was Ilan ihr für Blicke zuwarf, wenn sie mit Yelir interagierte.

Yelir musterte sie eingängig von der Seite. Ihm mussten die Blicke von Ilan auch auffallen und Zunae fragte sich, was er sich dabei gedacht hatte. Seitdem Zunae im Feuer gefangen war, war sie keine Sekunde mehr allein. Entweder war Degoni bei ihr, Yelir oder Ilan. Vermutlich vertraute Yelir ihrem ehemaligen Leibwächter, eben weil er schon seit Kindertagen an ihrer Seite war.

»Sie machen das Boot bereit«, erklärte Yelir angespannt, der hinab auf das Wasser blickte.

Zunae legte ihm vorsichtig eine Hand auf dem Rücken. Sie verstand, dass er sich Sorgen machte, denn wenn ihm etwas geschah, stand ein Reich ohne König da. »Ich kann auch nur mit Ilan ...«, setzte Zunae an, doch Yelir unterbracht sie harsch.

»Nein. Ich werde dich nicht allein gehen lassen«, stellte er klar. In seinen Augen stand Ärger darüber, dass sie es immer wieder versuchte.

Zunae konnte das nur so hinnehmen. Ihr wäre es lieber gewesen, wenn sie hätte allein gehen können, doch sie verstand, dass Yelir das nicht zulassen würde. Vermutlich hatte er nicht nur Angst, dass sie im Nebel verschwand, sondern auch, dass sie vielleicht wegrannte und damit der Frieden gefährdet wurde.

Zunae verstand nicht, warum der Krieg bisher überhaupt stattgefunden hatte, wenn doch beide Seiten gern Frieden hätten. Warum waren vorherige Verhandlungen immer wieder gescheitert?

Lacrew wirkte auf sie nicht wie jemand, der ein Friedensangebot abgelehnt hätte. Dabei wusste sie sehr genau, dass ihre Mutter mehrere Male schon ein solches versendet hatte.

»Eure Hoheit, das Boot ist im Wasser«, erklang die Stimme eines Mannes, den Zunae schon oft während der Schifffahrt gesehen hatte. Sie wusste jedoch nicht genau, wer er war oder wie er hieß. Für sie war er nur die rechte Hand des Kapitäns.

Yelir nickte ihm nur kurz zu, bevor er Zunaes Hand ergriff und sie mit sich führte. »Brauchst du Hilfe?«, fragte er, als sie an der Stelle angekommen waren, wo die Strickleiter vom Schiff zum Boot führte.

Zunae schüttelte leicht den Kopf, bevor sie lächelte. Statt die Leiter zu nehmen, schwang sie sich in einer eleganten Bewegung über die Reling und landete sanft im Boot. Die Magie, die sie genutzt hatte, um den Fall abzufedern, knisterte noch in der Luft.

Yelir blickte ihr von oben hinterher, bevor er einen schnalzenden Laut von sich gab und die Strickleiter nahm, um hinabzuklettern.

Zunae beobachtete ihn dabei. Er wirkte sehr elegant und kräftig, da es ihm recht leichtfiel, zu ihr zu kommen.

Das Blut der Drachen (Band 1+2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt