Kapitel 37

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In der Ferne kam endlich ihr Zielhafen in Sicht, was Zunae erleichtert aufatmen ließ.

Die Fahrt über das Meer hatte ihr doch mehr zugesetzt, als sie erwartet hatte, auch wenn Yelir ihr ein Gefühl von Sicherheit gab. Vor allem in der Nacht, wenn er sie fest im Arm hielt, als hätte er Angst, sie könnte einfach so verschwinden. Wie sie jetzt wusste, eine reale Gefahr.

Es würde nicht besser werden, wenn sie an Land waren, doch Zunae sehnte sich dennoch nach festen Boden.

Außerdem freute sie sich auf die baldige Hochzeit, auch wenn sie diese noch einmal hatten verschieben müssen. Der Hohepriester hatte angeboten, sie zu trauen, was Zunae unglaublich glücklich machte. Allerdings mussten für seine Anwesenheit auf der Insel der Seher noch Vorkehrungen getroffen werden, weshalb er sie nicht gleich begleiten konnte.

»Freust du dich?«, fragte Yelir leise, fast angespannt, als er hinter sie trat, um ebenfalls Richtung Hafen zu sehen, der am Horizont nur zu erahnen war.

»Sehr«, erwiderte sie und lehnte sich etwas an seine Brust. »Ich hoffe, die Bauarbeiten am Harem sind gut vorangegangen und deine Mutter hat sich ausgeruht«, bemerkte sie, während sie seine Wärme und den gleichmäßigen Herzschlag, den sie an ihrem Rücken spürte, genoss.

Yelir legte leicht dir Arme um sie und seinen Kopf an ihre Schulter. »Ich frage mich schon die ganze Zeit, ob du deine Heimat nicht vermisst«, bemerkte er murmelnd an ihre Haut. Seitdem er wusste, was ihre Gabe war und wie potentiell gefährlich sie sein könnte, war er irgendwie sehr anhänglich und überraschend sanft. Oder lag das nur daran, dass sie hier recht viel Privatsphäre genossen und oft allein waren?

Zunae spürte Ilans Blicke auf sich, der sie eigentlich ebenfalls nie aus den Augen ließ. Dabei half er auf dem Schiff immer fleißig mit. Was aber wohl daran lag, dass er nur schwer stillstehen konnte.

»Natürlich tue ich das. Ich denke viel an meine Mutter und meine Schwestern. Es ist noch immer so vieles neu, aber auch aufregend, dass ich keinen Grund habe, zu viel an meine alte Heimat zu denken. Dazu passiert einfach zu viel, das meine Aufmerksamkeit fordert«, erklärte sie, da sie Yelir nicht das Gefühl geben wollte, sie wollte zurück. Immerhin konnte sie nicht abschätzen, was er mit dieser Frage bezweckte.

Vielleicht war sie am Anfang aus purem Pflichtgefühl zu dieser Hochzeit bereit gewesen, doch sie hatte sich in das Land und ihre rauen Bewohner verliebt. Es war so ganz anders und aufregend als zuhause. Keine steifen Förmlichkeiten, die ihr auferlegt wurden und immer wieder etwas Neues, das entdeckt werden wollte. Ob es nun die Landschaft war, die noch viel preisgab, oder die Brüder, die ihr immer wieder neue Seiten an sich zeigten. Solange sie konnte, wollte sie alles mitnehmen.

»Machen wir uns für die Ankunft bereit«, schlug Yelir vor und reichte ihr eine Hand, als das Schiff plötzlich seltsam heftig schwankte. Es kam so unerwartet, dass Zunae da Gleichgewicht verlor und in Yelir Arme stolperte.

Als sie zu ihm auf und in seine grünen Augen blickte, blieb ihr für einen Moment der Atem weg. Dann begann sich das Bild vor ihr zu verändern.

Yelirs Augen wurden plötzlich orange und sein Gesicht kantiger, bis sie nicht mehr Yelir sah, sondern seinen Bruder Arcas. Er lächelte sie einladend, doch irgendwie auch auffordernd an.

Zunae hatte ein ganz seltsames, drückendes Gefühl, während sie beobachtete, wie Arcas die Hand nach ihr ausstreckte. »Werde meine Königin und ich lege dir die Welt zu Füßen«, flüsterte er verheißungsvoll, was Zunaes Herz schneller schlagen ließ. Aufregung machte sich in ihr breit, während sich ein Wissen ausbreitete, dass ihr sowohl Hoffnung gab, als auch sie schockierte.

Sie hatte zwei verschiedene Arten von Visionen. Kurze, warnende, wie es bei dem Feuer im Harem der Fall gewesen war. Diese waren oft kaum richtig zu deuten.

Die zweite Varianten waren klare, sehr aussagekräftige Visionen, die in ihr Gefühle hervorriefen, wie die Tatsache, dass sie irgendwo gebraucht wurde.

Diese Vision war jedoch noch einmal anders. Wo sie in der Zukunft immer Kälte und Schwärze empfangen hatte, doch das Wissen, dass es ihren Geliebten gut ging, war das hier seltsam. Als hätte sich ein Weg für sie geöffnet, der ihr eine mögliche, helle Zukunft brachte. Doch etwas fehlte. Obwohl die Zukunft, die Arcas ihr versprach, rosig klang, vermisste sie etwas bei seinen Worten.

Als sie zu Boden blickte, erkannte sie Blut. Roter, schimmernder Lebenssaft, der um ihre nackten Füße lief.

Als sie den Ursprung suchte, entdeckte sie Yelirs leere Augen.

Ein tiefes Wissen in ihr breitete sich aus und ihr war klar, dass sie gezwungen sein würde, eine Entscheidung zu treffen.

»Zunae«, erklang Yelirs Stimme, der sie aus ihrer Vision riss.

Keuchend schnappte sie nach Luft und wurde wieder in die Realität gezogen. Sie ging in Yelirs Armen, der sie festhielt, als hätte er Angst, dass sie fiel.

Überrascht sah sich Zunae um, während sie selbst erst einmal geistig wieder begreifen musste, was geschehen war.

»Bin ich wieder ... verschwunden?«, fragte Zunae, die ein ungutes Gefühl von Übelkeit spürte.

Yelir schüttelte den Kopf, blickte sie aber fest an. »Was hast du gesehen?«, fragte er leise, aber eindringlich. Zunae hatte sogar das Gefühl, er würde sich Sorgen machen.

»Deinen Bruder«, flüsterte sie ebenso leise, bevor ihr Herz zu schmerzen begann und sie sich an Yelir krallte. Zunae verbarg ihr Gesicht an seinen Nacken, während sie unruhig zitterte. Irgendwas stimmte mit dieser Vision nicht. Es waren so viele Gefühle im Spiel, dass sie nicht abwägen konnte, was richtig oder falsch war. »Es ist eine Falle«, hauchte sie dennoch, denn damit war sie sich sicher. »Geh nicht darauf ein.«

Yelir schlang seine Arme um sie, doch Zunae war sich nicht sicher, ob er ihr folgen konnte. Sie konnte es immerhin selbst nicht.

Yelir hielt sie fest an sich gedrückt und Zunae spürte, wie er einatmete. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, erklang der Schrei eines Mannes, der über das ganze Schiff fegte: »Wir werden angegriffen!«

Das Blut der Drachen (Band 1+2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt