Kapitel 52

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Es vergingen viele Stunden, in denen Yelirs Gruppe unterwegs war. Da nur er ritt, machten sie einige Pausen, denn er wollte nicht, dass sein Heer zu erschöpft war.

Als sie schließlich an dem Punkt ankamen, wo sich die Gruppen aus seinem Gebiet sammelten, spürte Yelir bereits die Anspannung.

Überall waren Zelte aufgebaut und die Krieger bereiteten sich auf die Schlacht vor.

Ohne Arcas, der eigentlich eingeplant war, um einen Teil der Truppen zu führen, war es noch komplizierter.

Yelir hatte einen anderen auswählen müssen, um Arcass Truppen zu führen. Damit waren viele nicht einverstanden, was man ihn auch spüren ließ, als Yelir von seinem Pferd stieg und die erste kontrollierende Runde machte. Die anderen sollten sich erst einmal ausruhen, doch Degoni ließ seinen Bruder nicht allein.

Vermutlich fürchtete er, dass man Yelir aus Ärger angreifen würde. Auszuschließen war das leider nicht, denn Arcas war ein sehr angesehener Truppenführer gewesen.

»Lord Yelir«, erklang eine ihm bekannte Stimme und er musste nicht aufsehen, um zu wissen, wer es war.

»Cayren«, erwiderte er und setzte seinen Weg fort. Der Mann mit den langen, blonden Haare, die an den Seiten rasiert waren, folgte Yelir und lief neben ihm. »Berichte«, befahl Yelir, denn als Arcass rechte Hand hatte nun Cayren die Aufsicht über das Heer.

»Alle Truppen haben sich noch nicht versammelt. Die letzten werden frühestens zum Anbruch der Dunkelheit eintreffen«, erklärte Cayren.

Das hatte Yelir bereits erwartet, denn es war nicht leicht sämtliche Truppen des Landes zusammenzubringen. Erst recht nicht, wo doch alle mit Frieden gerechnet hatten.

»Sobald die versammelt sind, werde ich eine Ansprache halten«, erklärte Yelir, dem wichtig war, dass die Truppen verstanden, mit was sie es zu tun hatten.

Unter ihren neuen Gegnern waren Mächte, die sie noch nicht einschätzen konnten. Vielleicht sogar die Nachkommen einiger Göttertiere. Magienutzer wie er und seine Frau. Darauf mussten sie gefasst sein, denn Hexen, auch wenn sie ein wenig seltsam gewesen waren, waren ein Hinweis darauf.

»Arcass Truppen sind unruhig«, bemerkte Cayren leise und sah sich verstohlen um. »Sein Tod ... was steckt dahinter?«

Yelir verzog den Mund. Es waren viele Gerüchte im Umlauf, doch aktuell war einfach nicht die Zeit, Genaueres zu verraten. Eigentlich hatte er es so drehen wollen, dass man den Feind als Täter in den Fokus rückte, doch irgendwie waren Informarionen nach außen gedrungen. »Stimmt es wirklich, dass Eure Frau ...« Yelir zischte und schnitt ihm so das Wort ab.

»Es ist viel komplizierter als das«, brummte er schließlich und schielfe zu Cayren. Wie viel konnte er ihm erzählen?

Cayren stieß die Luft aus. »Dann sind die Gerüchte also nicht wahr?«, fragte er vorsichtig.

Yelir hätte gern mehr darüber erfahren, doch jetzt war vermutlich nicht der richtige Zeitpunkt. Sie mussten sich vorbereiten und er konnte eine Ablenkung jetzt nicht gebrauchen. Das Thema würde ihn ganz bestimmt wütend machen und damit seinen Fokus verschieben. Das durfte nicht passieren. Nicht, wenn er die Truppen in eine erfolgreiche Schlacht schicken wollte.

Yelir zwang wich dazu, zu schweigen und nicht nach den Gerüchten zu fragen, bis er ein neues Thema hatte. »Was sagen die Berichte aus dem Hafengebiet?«, fragte er, denn dort bündelten sich aktuell die Angriffe. Fast so, als hätten sie es auf die Handelswaren abgesehen.

»Viele Schiffe wurden zerstört. Nur einige wenige konnten in Sicherheit gebracht werden«, erklärte Cayren, der sofort auf den Themenwechsel einging, als wäre das andere nicht wichtig. Was es in dieser Situation auch nicht war.

»Denkst du, es könnte ein Versuch gewesen sein, unsere Seemacht zu schwächen?«, wollte Yelir wissen, was Cayren nachdenklich nach vorn blicken ließ. Noch immer folgte er Yelir, der sich während des Gesprächs aufmerksam umsah.

»Sie haben such Handelsschiffe angegriffen. Unbewaffnete. Kleine Fischerboote ...« Cayren schüttelte den Kopf. »Sie wollen uns vielleicht vom Handeln abhalten«, überlegte er, schien aber noch unsicher.

»Oder unsere Möglichkeit zur Flucht auf das Meer nehmen«, warf Yelir ein.

Es gab viele Möglichkeiten, warum die Feinde es ausgerechnet auf die am Hafen gelegenen Städte und Dörfer abgesehen haben könnten. Sicher war nur, dass sie diesem Feind auf keinem Fall unterschätzen durften.

Es dauerte einige Stunden, bis Yelir seinen Rundgang durch das Heerlager beendet hatte.

Erschöpft zog er sich mit Degoni in sein Zelt zurück und machte es sich auf dem weichen Fell so gemütlich, wie es ging. Zum Glück war es nicht so kalt. Im Winter zu kämpfen brachte immer noch einmal ganz andere Probleme mit sich.

»Mir geht das alles zu glatt«, bemerkte Degoni angespannt.

Yelir stieß den Atem aus. »Nach Arcass Tod habe ich auch mit mehr Widerstand gerechnet. Vielleicht verstehen sie aber, dass dieser Gegner anders ist als der Südliche Clan.«

Degoni nickte angespannt. »Das hoffe ich sehr, doch ich werde trotzdem in der Naht auf dich aufpassen«, brummte er, da er seinen eigenen Leuten nicht ganz zu vertrauen schien.

Yelir wollte zuerst widersprechen, doch da auch Dainte noch nicht mit dem Heer der Heiler anwesend war, konnte eine Vergiftung oder ähnliches zu schnell Chaos versorgen.

»Wann sollen sie ankommen?«, fragte Yelir, der genau wusste, dass sein Bruder ihn verstand.

»Wenn alles gut geht, kurz nach Mitternacht.«

Yelir stieß ein Seufzen aus. Danach würden sie sich noch ausruhen müssen, was hieß, sie konnten frühestens morgen früh aufbrechen.

Er wusste sehr gut, dass es wichtig war mit seiner vollen Stärke an Truppen, die gut ausgeruht waren, in die Schlacht zu ziehen. Der Feind war mächtig. Allerdings schien das hier nicht jeder so zu sehen, denn einige drängten darauf, dass sie endlich loslegen sollten.

Vor allem die, die schon länger hier waren und warteten.

Degoni setzte sich im Schneidersitz in die Nähe des Zelteinganges. »Du solltest jetzt ein bisschen schlafen«, befahl er schon fast, wobei er angespannt wirkte.

Yelir verstand auch, warum. Er erwartete wohl wirklich, dass sie angegriffen werden könnten.

»Bis die Heiler hier sind«, erwiderte Yelir, der wusste, dass es nichts brachte, mit Degoni zu diskutieren. Er war nur besorgt und ein guter Bruder.

Brummend stimmte Degoni zu, der Yelirs Worte hoffentlich richtig verstanden hatte. Jetzt würde er schlafen und später Degoni. Es ging nicht, dass er übermüdet war, wenn sie losziehen mussten.

Yelir war gerade eingeschlafen, als er spürte, dass Degoni ihn berührte und schüttelte. »Wach auf«, zischte dieser und mühsam öffnete Yelir seine Augen. Dann realisierte er, wo er war und setzte sich hellwach und mit ausgestreckten Sinnen auf.

Was war los? Warum weckte Degoni ihn?

Von draußen drangen leise, aber dafür seltsame Geräusche zu ihm durch, weshalb er Degoni einen fragenden Blick zu warf.

Dieser zuckte die Schultern, wirkte aber sehr angespannt. »Irgendwas ist da los«, bemerkte er das Offensichtliche.

Yelir verdrehte leicht die Augen. Das hatte er schon bemerkt, aber was? Hatten sich doch einige seiner Truppen zusammengetan, um ihn hinterrücks zu meucheln?

Degoni deutete Yelir an, leise zu sein und schlich sich zum Zelteingang. Als er diesen zur Seite schob, um hinaussehen zu können, erstarrte er. »Scheiße«, fluchte er dann und wandte sich Yelir zu. »Wir werden angegriffen.«

Yelir weitete seine Augen. Damit hatte er nicht gerechnet. Sie waren weit genug vom eigentlichen Schlachtfeld entfernt. Wie waren sie hierhergekommen? Wie hatten sie sein Lager gefunden?

Waren sie verraten worden?

Das Blut der Drachen (Band 1+2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt