Wie peinlich war das bitte?
Doreen stellte das Paket auf ihre Küchenanrichte und holte ein Messer hervor. Ausgerechnet der Nachbar musste ihre Bestellung zu ihr bringen.
Peinlicher ging es nicht mehr.
Als ob er wahrhaftig null Ahnung gehabt hatte, wer der tatsächliche Versender gewesen war. Es war ja schließlich kein Geheimnis das EIS.de mit Absicht Fake-Absender für etwas scheue Kunden benutzte, wenn man das so haben wollte.
Was dachte er jetzt wohl von ihr?
Das sie so einsam war oder nicht mal in der Lage war einen Mann für ... gewisse Stunden ihr Eigen zu nennen?! Sie hätte ihm vielleicht mal deutlich machen sollen, dass ihr so etwas gar nicht gefiel. Also Sex schon ... und wie sehr sie es vermisste berührt zu werden. Aber darum ging es jetzt nicht. Sie war keine von denen, die auf kurze Abenteuer stand. Das war auch der Grund ihrer Bestellung.
Diana hatte sie darauf aufmerksam gemacht sich zwischenzeitlich etwas anderes zu gönnen.
Aber was bedeutete schon zwischenzeitlich?
Sie war nicht Karsten. An etwas Neues zu denken lag ihrer Ansicht nach in weiter Ferne. Selbst in diesem Augenblick kam es ihr noch wie Betrug vor.
Und das der Nachbar sie jetzt für ...
Sie überlegte. Für was könnte er sie halten anhand ihrer Bestellung?
Er wusste ja nicht mal, was drin war.
Ja. Es könnte sich ja auch um ... sexy Reizwäsche handeln. Sie blickte auf ihr Schlabber-Outfit.
»Das zählt nicht.« , gab sie bei einem Selbstgespräch von sich.
So etwas trug sie ja wahrlich nur, wenn sie zu Hause rumgammelte. Sie war ja nicht ... seine Freundin, die in der Tat immer topgestylt bisher seine Wohnung verlassen hatte.
Aber vielleicht war das mit Fuchs gemeint. Ein Fuchs war doch im Grunde scheu. Anscheinend hielt er sie für ein gehemmtes Waldtier. Während er im Kontrast dazu ein ... blondes Raubtier sein Eigen nannte, das ihn wahrscheinlich mit Haut und Haaren auffraß.
Als sie das Paket aufritzte, hielt sie inne.
Was hatte sie bitte für Gedanken?
Was interessierte sie der Nachbar?
Doreen öffnete den Karton nun gänzlich und holte ihre bestellte Ware heraus. Ein aufladbarer Silikon-Massager, war die Benennung. Diesen packte sie aus, ehe sie sich das Teil von allen Seiten genau ansah.
Prüde war sie keineswegs, aber Kenntnis mit Toys hatte sie nie gemacht. Sie war mit Karsten zusammengekommen, als sie gerade neunzehn war. Solche Dinge hatten sie nie benutzt. Obwohl sie von ihrer Schwester erfahren hatte, dass dieses Teil, welches sie unbedingt kaufen sollte, auch gut als Pärchen nutzbar war.
Sie betrachtete es weiter und runzelte die Stirn. Inwiefern sollte das ...?
»Singst du jetzt?«
Erschrocken ließ Doreen alles fallen, als Nicolas unerwartet neben ihr stand und geredet hatte.
»Oh mein Gott. Schleich' dich doch bitte nicht so an.« Sie hob es auf und versteckte es anschließend eilig hinter ihrem Rücken.
»Ist das für mich?« , fragte er.
»Nein. Oh Gott. Nein.«
»Ist das für dich?«
»Ja. Also ... nein. Ich mein' ...«
»Du kannst doch nicht singen.«
»Ja. Ich ... ich weiß.« Momentan war sie mehr als überfordert mit der jetzigen Situation. Zum Glück hatte sie kein Spielzeug besorgt, das tatsächlich wie das Geschlechtsteil eines Mannes aussah.
»Frag doch mal Vincent.«
»Was?« Das irritierte sie nun umso mehr.
»Er kann dir helfen.«
»Mir ... helfen? Was?« Sie blinzelte ihn wie vor den Kopf geschlagen an.
Nicholas nickte und spähte in den Karton, den er zu sich gezogen hatte, nachdem er sich auf einen der Stühle befand. »Er ist Brongscher.«
»Was?« Hatte sie je so oft dieses Wort während einer Konversation mit ihrem Sohn verwendet?
»Er brongscht.«
»Er (?) ... Schatz, ich verstehe nicht, was du da ... von dir gibst.«
Er holte tief Luft. »Vincent hat ein Klavier.«
»O-kay.«
»Ja. Du kannst ihn fragen, ob er dir helfen kann.«
»Ehm ...«
»Mit dein'm Mikro.« Er deutete hinter ihren Rücken.
»Oh.« Der Groschen war gefallen. »Ach so. Ja. Ich ... ich schau' ma'.«
»Hat Papa angerufen?«
»Nein Schatz. Tut mir leid.«
»Kannst du ihn anrufen?«
»Ich ...« Nicholas tat ihr immens leid. »Warte ich hab' eine Idee.« Auch wenn sie wusste, dass Karsten nicht gerne gestört werden wollte, war dies ja im Grunde keine Störung aus ihrer Sicht gesehen. Ihr gemeinsamer Sohn wollte sich nicht ausgegrenzt fühlen. Das musste Vorrang haben. Sie legte ihr Toy zurück in den Karton und legte diesen hoch auf den Schrank, ehe sie ihr Handy in die Hand nahm und Karstens Nummer wählte. Sie drückte den Lautsprecher-Modus. »Hier. Du kannst Papa anrufen, und ihm alles sagen.« Doreen fand, es war an der Zeit, dass Karsten es mal selber von Nicolas hören musste.
Es klingelte einmal. Zweimal. Dreimal. Viermal.
»Was willst du Doreen?« , moserte es am anderen Ende.
»Hallo Papa.« Nicolas strahlte, als er die Stimme seines Vaters vernahm.
»Nicky?! Hey Großer. Ehm ... wie geht's dir Sportsfreund?«
»Gut.« , antwortete er. »Papa, ich wollt' fragen, wann du kommst.«
»Weißt du, ich hab' sehr viel zu tun.« Man hörte eine Frau im Hintergrund reden. Doreens Magen verkrampfte, weil sie Mareikes Stimme deutlich vernahm. Es war keine Eifersucht. Es war das Gefühl, das Karsten lieber bei dieser weiblichen Person war, als Zeit mit Nicolas zu verbringen.
»Kannst du morgen?«
»Nein Nicky. Aber ich versuche es ... in der nächsten Zeit. Ich ... ich melde mich bei Mama, wenn ... ich die Zeit dafür finde.«
»'kay.« Doreen bemerkte die zitternde Unterlippe von ihrem Sohn. Das hatte sie nicht gewollt. Irgendwie war die Hoffnung vorhanden gewesen, dass ihr Ex anders reagieren würde.
»Apropos. Ist Mama in der Nähe? Gib sie mir ma'.«
Nicolas nickte, obwohl Karsten dies ja nicht sehen konnte. Er stand auf und verließ den Raum, ohne seinem Vater Auf Wiedersehen zu sagen.
Doreen blickte ihn schuldbewusst hinterher, ehe sie ihr Handy in die Hand nahm und den Lautsprechermodus ausschaltete. »Ja?«
»Das war deine dämliche Idee nicht wahr?«
»Er vermisst dich.« , antwortete sie ihm.
»Red' keinen Scheiß Doreen. Du vermisst mich und schiebst es dann auf Nicky. Ich bin glücklich. Kapier' es endlich.«
»Er vermisst dich.« , wiederholte sie.
»Nein. Ich musste jetzt den Bösen spielen, nur weil du denkst, du könntest mir mein Leben kaputtmachen.«
»Ich mache dir gar nichts kaputt. Leb' dein Leben, aber vergiss den Umstand nicht, das du einen Sohn hast.«
Sie hörte Karsten auflachen. »Oh ja. War klar, dass du jetzt diese Schiene fährst. Mareike und ich, wir sind glücklich. Komm klar damit.«
Zack. Er legte auf.
Doreen rieb ihre Stirn, ehe sie den Raum ebenfalls verließ, um aufs Neue ihren Sohn zu trösten.
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Du fühlst dich lonely, doch du bist nicht allein
FanfictionVincent ist im Grunde zufrieden mit seinem Job, seinem Haus und seiner Model-Freundin Jessica. Doch alles ändert sich schlagartig, als die alleinerziehende Doreen samt ihrem Sohnemann Nicolas ins Haus nebenan einzieht. Irgendetwas an ihr bringt Vin...