»Danke.« , sagte Doreen und nahm eine Servierplatte entgegen, die Karsten ihr reichte, als er Nicolas nach Haus gebracht hatte. Dieses Mal waren es zwei Stücke Kuchen.
»Ich soll sagen, eines wäre für ... Vincent.«
»Ah.« Mehr brachte Doreen nicht über die Lippen. Sie wollte ungern im jetzigen Moment über ihn reden. Und erst Recht nicht mit Karsten. Genau dann würde nämlich bei ihm diese Schadenfreude einsetzen, welche sie verspürt hatte, als sie vom Aus mit Mareike erfahren hatte.
Aber vielleicht war das gemeinhin genannt dieses Karma?
Sie hatte sich kurz gefreut, dass ihm so etwas geschehen war, und zack ... ging es auch bei ihr bergab. Womöglich hatte sie es verdient. Herzschmerz sollte man nämlich niemanden wünschen. Das war ihr Preis, weil sie hämisch gewesen war, nachdem was Karsten mit ihr abgezogen hatte.
Nicolas verabschiedete sich kurz mit einer Umarmung bei seinem Vater und ging nach oben.
»Was ist los?« , fragte Karsten aus heiterem Himmel, statt zu gehen.
»Was soll sein?«
»Ich kenn' den Blick. Du bist abgefuckt. Was hab' ich jetzt schon wieder getan? Bin ich zu spät dran, oder was missfällt dir nun schon wieder?«
»Es wird dich wundern Karsten, aber mein Leben dreht sich nicht nur um dich.«
»Gut, weil ich hab' nicht den Nerv dafür, mir jetzt deine Nörgelei reinzuzieh'n.«
»Keine Sorge. Meine Probleme gehen dich nichts an.«
»Bei dir läuft doch alles so perfekt. Was für Probleme könntest du schon haben?!« , gab er leicht verächtlich von sich.
Doreen wusste, wieso er sich so äußerte. Er hatte keinen Plan, was bei ihr abging und sah im Vergleich nur seinen Schmerz Mareike betreffend. »Damit möchte ich dich in deinem Zustand nicht belangen.«
»Welchen Zustand?« , fragte er sofort.
»Nichts.« , log sie.
»Ah.« Er runzelte die Stirn. »Meine Mutter hat es dir gesagt? Das muss bei dir ja runtergehen wie Öl, wa'?«
»Ja Karsten. Ich habe mich ein wenig gefreut. Ist das verwerflich? Mir ging es lange scheiße, wegen alldem, was war, und ... trotzdem bekommst du jetzt von mir ein ehrlich gemeintes Es-tut-mir-leid-für-dich.«
»Ach erzähl' doch keine Scheiße.«
»Ich meine es genauso, wie ich es gerade gesagt habe. Es tut mir leid für dich.«
»Nein. Du denkst, ich hätt' es verdient.«
Sie atmete tief ein. »Vielleicht hast du das auch.« , sagte sie und setzte sich auf einen Stuhl, nachdem er ihr bis ins Esszimmer gefolgt war. »Möglicherweise haben wir beide es verdient.«
»Wir beide?«
»Geh' jetzt bitte. Du bist der Letzte, mit dem ich über meine Angelegenheiten sprechen möchte.«
»Er ... hat dich verlassen?«
Doreen blickte ihn an. »Nein. Ich ihn.«
»Du hast ...?« Fragend sah Karsten in ihre Augen. »Ich dachte, er wäre so perfekt, und ...«
»Wer ist schon perfekt?« Sie stand auf. »Geh' jetzt bitte.«
»Mama, wann kommt Vincent?« , fragte Nicolas urplötzlich. »Wir wollten heut'...«
»Er kommt heut' nicht.« , unterbrach sie ihren Sohn.
»Wieso?«
»Weil er viel zu tun hat.« , log sie.
»Aber er hat's mir versprochen.« Nicolas schmollte.
»Hey. Papa ist doch noch da.« , meinte Karsten gegen alle Wahrscheinlichkeit. »Ich kann gern' noch ein wenig bleiben.«
Doreen visierte ihn sofort. In ihren Augen benötigte er anscheinend ebenso eine Ablenkung. Und für Nicolas wäre dies natürlich etwas Positives, wenn sein Vater wieder mehr Zeit für ihn finden würde. »Fein, dann ... bleib'.« , sagte sie. Ihr Kopf dröhnte dennoch, von der Heulerei vorhin.
»Ja, kannst du dann mit mir im Garten spielen?«
»Klar. Natürlich.« Karsten lächelte und stand auf. Er ging zu Doreen und legte seinen Arm um ihre Schulter. »Leg' dich oben ein wenig hin. Ich kümmer' mich um ihn.«
Irritiert runzelte sie die Stirn. So etwas hatte er nie gemacht. »Was?«
»Du benötigst jetzt anscheinend Ruhe. Ich bin hier. Mach' dir kein'n Kopf.«
»Karsten, du ...«
»Ich hab' viele Fehler gemacht. Ich weiß. Aber ... du hast mir gerade die Augen geöffnet. Wir sitzen im selben Boot. Ich will dir helfen. Und ... du brauchst wohl jetzt gerade deine Ruhe.«
Immer noch mehr als irritiert blinzelte sie ihn an. Nicolas zog derweil an seinem Vater. So oder so, sie hatte wahrlich in diesem Augenblick Ruhe nötig und ... weshalb sollte sie das Angebot nicht annehmen? »Okay.« , antwortete sie schließlich und holte aus ihrer Handtasche eine Kopfschmerztablette heraus. Sie überließ Nicolas ja nicht bei einem Fremden. »Dankeschön.« , meinte sie und sprach dann mit ihrem Sohn. »Benimm dich bitte.«
»Ja Mama.«
Karsten lächelte sie nochmal an und blickte ihr nach, als sie nach oben ging. Wenn er es gut deichseln könnte, würde er nicht lange benötigen und sie würde ihn mit offenen Armen empfangen. Warum auch nicht? Sie waren jahrelang zusammen gewesen. Was immer dieser Vincent angestellt haben musste, aber es kam Karsten mehr als gelegen.
Nachdem Mareike ihn direkt nach dem Urlaub hatte fallenlassen, war ihm augenblicklich klar gewesen, dass er nicht alleine sein wollte. Seine Frau wiederzubekommen schien ihm weit entfernt. Im Hinterkopf hatte er es dennoch behalten. Irgendwie hatte er nur auf einen Fehltritt von diesem Vincent gewartet. Die zwei Affären vor seiner blonden Gespielin hatte Doreen ja nicht mitbekommen. Im Grunde war sie in der Hinsicht die perfekte Frau. Essen stand pünktlich auf dem Tisch. Sie versorgte das Kind. Und sobald er mal Lust hatte, doch sie zu vögeln, weil keine andere gerade greifbar war, war sie bereit gewesen.
»Papa. Sollen wir Basketball spielen?«
»Jaja. Bau' schonmal alles auf.« , meinte er.
»Da muss ich nichts aufbauen.«
»Dann ... hol doch dein LEGO, und wir bauen draußen was zusammen.« Karsten wählte vorsätzlich so etwas. Mit Nicolas zu spielen war nie so sein Ding. Seiner Meinung nach sollten Kinder lernen, sich ohne fremde Hilfe zu beschäftigen.
Er hatte Doreen natürlich gerade eine andere Version seiner selbst gezeigt, aber nur mit der Absicht sie wieder für sich zu gewinnen. Ein Ziel musste schließlich auch einen guten Plan haben. Den hatte er zwar nicht durchdenken können, doch auf die Schnelle war ihm nichts Besseres eingefallen, als einen ... auf diesen Vincent zu machen.
Er hatte es gleichwohl auch so versucht ... durch Nicolas an die Frau zu kommen.
Zumindest hatte Karsten es so aufgeschnappt.
Ein bisschen hier und da vor Doreens Augen mit ihm spielen, sich um ihn kümmern und sie würde ihn wieder reinlassen. Egal wo. Er lächelte zufrieden. Es war immerhin besser als nichts.
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Du fühlst dich lonely, doch du bist nicht allein
FanfictionVincent ist im Grunde zufrieden mit seinem Job, seinem Haus und seiner Model-Freundin Jessica. Doch alles ändert sich schlagartig, als die alleinerziehende Doreen samt ihrem Sohnemann Nicolas ins Haus nebenan einzieht. Irgendetwas an ihr bringt Vin...