Seit zwei Wochen hatte Vincent Doreen nicht gesehen. Seine Mails ignorierte sie und wenn er sie zuvor draußen zu Gesicht bekam, was eher selten vorkam, huschte sie eilig in ihr Haus.
Sie wollte kein Gespräch und irgendwie hatte er sich bis zu einem gewissen Grad damit abgefunden. Zwingen konnte er sie immerhin nicht.
Es war schließlich eine Antwort. Auf die ein oder andere Weise, wie man es betrachtete.
Der Kuss schien ihrerseits ein Ausrutscher gewesen zu sein. Mehr nicht.
Vincent empfand es vielmehr als nur schade. Er hätte gerne ein weiteres Treffen gehabt. Dag und Rebecca hatten versucht, ihn aufzumuntern. Und auch Max hatte mit Absicht das Thema vollkommen beiseitegelegt, wenn er im Studio oder privat bei ihm aufgetaucht war, nur damit er auf andere Gedanken kam.
So lief das Leben halt manchmal.
Was ihn jedoch ebenfalls störte ... ihr Sohn ließ sich in gleicher Weise nicht blicken. Nicht einmal zu den Klavierstunden. Gelegentlich sah er ihn, sobald er von der Schule kam. Sein Blick fiel folgend jedes Mal zu Vincents Haus, eh er dann doch direkt zu seinem Eigenen rannte.
Auch wenn es irgendwie seltsam war, es zuzugeben, vermisste er den Kleinen.
Vincent schlurfte in seine Küche und nahm sich ein Getränk aus dem Kühlschrank, als es nichtsahnend und sehr leise an seiner Türe klopfte. Er schaute verwirrt hin. Als er näher kam, hörte er plötzlich und unerwartet Nicolas kaum vernehmbar sprechen. »Können wir kurz Spielstopp machen?«
Spielstopp? Wovon sprach er?
Vorsichtig öffnete er seine Türe und der Kleine zuckte erschrocken zusammen. »Nicht fangen. Bitte.« Seine kleinen Hände hielt er nach oben, als würde er sich ergeben wollen.
Er runzelte die Stirn. »Ich ... ich werd' dich nicht fangen.«
»Versprochen?«
Er nickte. »Ja. Versprochen.« Vincent bemerkte, wie sehr sein Anblick ihn erfreute. Leicht ging er in die Hocke.
Nicolas lächelte ihn an. »Ich fahr' heut in den Urlaub.«
»Mit deiner ... Mutter?«
Sein Kopfschütteln kam schnell. »Nein. Mein Papa holt mich gleich ab.«
»Oh. Du ... du fährst doch mit ihm?«
»Ja.« Seine Augen leuchteten. »Wenn ich wiederkomme, ist das Spiel dann vorbei?«
»Welches Spiel?«
»Was du mit Mama erfunden hast.«
Seine Stirn runzelte sich monumental. »Kannst du mir das Spiel mal ... genau erklären?«
»Verstecken mit Fangen. Wir müssen uns doch verstecken vor dir. Wir dürfen nicht verlieren.«
»Ach ja. Ganz vergessen.« , antwortete er schon fast glaubwürdig.
Das war demgemäß der Grund, weshalb Nicolas nicht mehr rübergekommen war. Sie hatte ihm vorgegaukelt, sie würden ein Spiel mit ihm spielen.
Doreen hatte also wahrlich nicht vor, ihn wiederkehrend zu treffen. Beziehungsweise, mit ihm zu reden.
»Ist das nach dem Urlaub vorbei?« , fragte er zum wiederholten Male. »Weil ich wollt' auch nochmal Basketball mit dir spielen.«
»Wir ... wir schauen mal.« Was sollte er sonst antworten? Irgendwie wollte Vincent nun umso mehr ein Gespräch mit seiner Nachbarin.
Sie hatten sich geküsst. War das ein Grund jemanden danach so immens zu meiden? Eigentlich nicht ... oder?!
»Wie lange bleibst du denn weg?« , hakte er bei Nicolas nach.
»Die ganzen Ferien.«
Das waren zwei Wochen oder? Vincent hatte es nicht mehr genau auf dem Schirm. Seine Schulzeit war schon zu lange her. »Okay. Dann wünsche ich dir auf jeden Fall viel Spaß mit deinem Vater.«
»Mareike kommt auch mit.«
»Dann auch viel Spaß mit ... Mareike.«
»Sie hat noch nie mit mir gespielt.«
»Vielleicht ja ... im Urlaub.« Was sollte er sonst sagen? Die Verhältnisse waren ihm im Grunde nicht so bekannt. Dass Nicolas sich jedoch sehr auf diesen Trip freute, merkte er ihm regelrecht an.
»Kannst du warten, bis ich zu Hause bin? Ich kann jetzt nicht so schnell weglaufen.«
Vincent nickte. Er hatte schließlich generell nicht vor ihn zu fangen.
»Bist du jetzt deswegen hergekommen?« , fragte er ihn.
»Ja. Ich wollte dir tschüss sagen.«
Er stellte sich wiederkehrend gerade hin. »Das ist lieb von dir.«
»Aber verrate es nicht meiner Mama.«
»Nein. Keine Sorge.«
Nicolas lächelte und er winkte, ehe er losrannte.
Da hatte er sich heimlich mal wieder rausgeschlichen, nur um ihm Aufwiedersehen zu sagen, bevor er paar Tage nicht da sein würde. Trotz dieses Spiels, welches Doreen ihm vortäuschte.
Doch was war genau der Grund, weshalb sie es tat?
Wollte sie wahrlich den Kontakt komplett abbrechen? Durch Nicolas hatten sie ja eigentlich Interaktionen. Wollte sie dies für die Zukunft vermeiden?
Vincent war dennoch erpicht auf eine kleine Aussprache. Irgendwie musste es sein. Sogar wenn sie es ... allen Anschein nach bereute, hatte er nicht vor als derjenige zu gelten, der ... sie quasi überfallen hatte.
Und auf irgendeine Weise wollte er auch nicht den Kontakt zu Nicolas verlieren.
Er hatte gemerkt, wie sehr es ihn soeben aufgeheitert hatte, den Kleinen wiederzusehen.
Ein Gespräch musste sein.
Sie konnte nicht so Tun, als wäre es nicht geschehen. Es war irgendwie kindisch, wie sie sich verhielt.
Verstecken spielen ...
Wenn sie es so wollte, musste er sie ja lediglich fangen. War das nicht das Ziel des Spiels? Oder ... besser gesagt ... das Ende?!
So oder so ... ein Gespräch wäre dann fällig.
Er musste schlicht und ergreifend den passenden Moment abwarten. Doreen konnte ihm schließlich nicht auf ewig aus dem Wege gehen. Egal, wie sie sich das vorstellte, aber das war vollkommen unmöglich. Sie wohnten nebeneinander und wie man sah, wollte Nicolas nicht in alle Ewigkeit vor ihm versteckt sein.
Es ging hier nicht um ein Date, was er sich innerlich irgendwie trotzdem noch erhoffte. Sie mussten sprechen, damit dieses dämliche Spiel endete.
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Du fühlst dich lonely, doch du bist nicht allein
FanfictionVincent ist im Grunde zufrieden mit seinem Job, seinem Haus und seiner Model-Freundin Jessica. Doch alles ändert sich schlagartig, als die alleinerziehende Doreen samt ihrem Sohnemann Nicolas ins Haus nebenan einzieht. Irgendetwas an ihr bringt Vin...