Wild

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Am nächsten Morgen ging es mir leider schon wieder ganz anders. Mir war einfach nur schlecht vor Angst und Nervosität. Ich konnte nichts essen und wollte weder mit meiner Mutter, noch mit Rebecca reden. Die beiden hatten mich gestern allein gelassen, warum sollte ich jetzt zu ihnen rennen?

Ständig wurde ich ausgeschlossen.

"Helena, iss doch wenigstens eine Kleinigkeit", bat meine Mutter.

"Ich packe mir was ein", sagte ich.

Rebecca schien eindeutig entspannter. Warum? Ich wünschte, ich wäre auch so locker.

"Hattest du gestern noch Besuch? Ich habe gestern zwei Teller abgeräumt", fragte meine Mom dann.

"Liz war zum reden da. Noel ist auch kurz vorbei gekommen", log ich. Schrecklich, wie leicht mir das über die Lippen ging.

"Aber, Helena, nächstes Mal räumst aber bitte du auf. Ich hatte gestern wirklich schon genug Stress", sagte sie.

"Ich habe es gemerkt", nuschelte ich und ging ins Bad.

"Wie bitte?", fragte meine Mutter.

"Muss ich nachher in die Schule?", wechselte ich das Thema.

"Sehen wir dann. Ruf mich einfach an, wenn du das Ergebnis hast. Dann können wir darüber reden, ob du eine Entschuldigung brauchst", bot sie an.

"Okay", murmelte ich. Das war also alles? Rebecca bekam Krisengespräche und Mutter-Tochter Zeit so viel sie wollte, ich bekam nicht einmal eine Befreiung vom Unterricht.

Meine Stimmung sank immer weiter. Vor mich hin seufzend packte ich meine Schultasche und lud sie dann in den Kofferraum von Rebeccas Auto. Sie bestand darauf, selbst zu fahren, weil unsere Mutter arbeiten musste.

Das konnte ja nur schief gehen.

Beim Arzt durften wir dann natürlich erst einmal im randvollen Wartezimmer Platz nehmen. Hatten die alle um 10 Uhr morgens nichts besseres zu tun? Zoe saß schon da, zusammen mit Ethan. Natürlich war Ethan auch da. Das war also das Ergebnis der Intervention. Rebecca tauschte direkt mal mit Zoe Platz und knutschte ihn ab. Ew. Wartezimmer waren definitiv der falsche Ort für den öffentlichen Austausch von Körperflüssigkeiten jeglicher Art. Urgh.

"Guten Morgen", meinte Zoe gut gelaunt.

"Hey, na alles gut?", fragte ich zurück.

"Bisher noch, ja", lachte sie. Mir war nicht nach Lachen zu Mute. Ich war furchtbar nervös und ungeduldig. Außerdem fühlte ich mich durch die ganzen Pärchen und Schwangeren noch mehr eingeschüchtert. Stattdessen blätterte ich lieber durch die Matheunterlagen, die Liz mir geschickt und ich ausgedruckt hatte. Doch natürlich konnte ich mich auch darauf nicht konzentrieren. Daher widmete ich mich nun tollen Frauenzeitschriften über Schwangerschaften.

"Was liest du da?", fragte Zoe da.

"Siehst du doch. Außerdem lese ich nicht wirklich", erwiderte ich.

"Entspann dich mal, Helena", sagte die genervt.

"Entspann du dich doch", flüsterte ich genervt zurück, doch Zoe reagierte nicht einmal. Sie war zu sehr damit beschäftigt Alex zu schreiben.

Ich war leider wirklich auf Streit aus und musste mich daher sehr zusammenreißen nicht noch einen doofen Kommentar abzugeben. Und las daher weiter Erziehungstips und Berichte von Müttern über Ernährungsweisen, Produkte und Ärzte.

"Zoe Klein? Sie dürfen bitte mit mir kommen", sagte da eine Ärztin.

"Ja, sofort", antwortete Zoe und folgte der Frau. Damit waren es nur noch Rebecca und ich. Natürlich wurde aber auch meine große Schwester vor mir aufgerufen. Ethan setzte sich zu mir.

Zehntausend Gründe Dich Zu HassenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt