Helium

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Aber trotzdem. Das ungute Gefühl blieb.

Und zwar so sehr, dass ich das mit Treffen mit Noel lieber auf den nächsten Tag verschob und stattdessen mit Xenia skypte. Ich erzählte ihr noch nichts von meiner Mutter und meinem Vater, sondern hörte ihr lieber zu. Wie sie von unseren Freunden, Parties, ihrem Studium, ihrem neuen Freund und was weiß ich alles berichtete. Es war die perfekte Ablenkung. Genau das, was ich brauchte.

Am nächsten Morgen wurde ich von der Klingel an unserer Haustür geweckt.

Da ich nichts davon hörte, dass meine Mutter sich in Bewegung setzte, stand ich eben auf. Okay, es war auch nicht mehr so früh. Aber es war Sonntag.

"Ja, hallo?", nuschelte ich in die Sprechanlage.

"Hey, Hel. Ich bin's, kann ich reinkommen?", entgegnete mir Liam.

"Klar."

Kurz darauf stand er auch schon vor mir. Mit einer Tüte vom Bäcker in der Hand. "Ich habe etwas kleines mitgebracht."

"Perfekt. Willst du Kaffee?", fragte ich und gähnte selbst.

"Ja, gerne."

Liam zog seine Schuhe und seine Jacke aus und folgte mir in die Küche.

"Ich weiß, die Frage nervt sich sicherlich, aber wie geht's dir Liam?"

"Wie wird es mir wohl gehen. Eher beschissen", seufzte Liam. "Und dir?"

"Mir ging es auch schon mal besser, aber was soll's? Oh mann, Weihnachten wird dieses Jahr wirklich so gar nicht besinnlich oder?"

"Eher nein. Aber ich hoffe, wir beide können auch so befreundet bleiben."

"Natürlich! Also zumindest von meiner Seite aus! Ich dachte, du wärest sauer auf mich."

"Höchstens ein bisschen", erwiderte Liam mit einem Zwinkern.

Ich lächelte. "Willst du Milch in deinen Kaffee?"

"Sehr gern."

Wir schmierten uns die Brötchen, die Liam mitgebracht hatten und gingen dann mit unseren Tassen und Tellern ins Wohnzimmer. Vor den meisten Besuchern wäre es mir unangenehm gewesen, wie ich aussah. Ungeschminkt, im Schlafanzug, ohne BH. Aber Liam kannte mich in noch viel schlimmeren Stadien.

"Also, ich muss dir noch etwas sagen, Helena."

Seine Stimme war etwas höher als sonst und er sprach viel schneller als sonst.

"Ich habe mir schon gedacht, dass du nicht ganz ohne Grund hier bist", sagte ich bemüht locker.

Er nickte.

"Ich ziehe nach Madrid. Die Firma, für die ich im letzten Jahr gearbeitet habe, hat schon länger jemanden für die Stelle gesucht. Ich habe mich direkt am Montag beworben und hatte am Donnerstag die Zusage. Am Mittwoch geht's los."

"Für wie lange?", fragte ich mit auf einmal staubtrockenem Hals.

"Mindestens sechs Monate. Offiziell beginnt mein Vertrag erst ab 01. Januar, aber ich soll mich schon einmal langsam einarbeiten und einleben. Mein Vater kommt dann an den Feiertagen zu mir."

"Oh, Liam, ich freue mich so für dich! Aber bin natürlich auch gleichzeitig extrem traurig. Was soll ich hier nur machen ohne dich?", fragte ich und umarmte ihn.

"Du kommst schon zurecht, oder? Und danke."

"Ja, aber es wird schon echt blöd ohne dich. Aber jetzt erzähle mal, wie hat das so spontan geklappt?"

Zehntausend Gründe Dich Zu HassenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt