Clouds

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Noel ignorierte mich komplett, aber Gerüchten zufolge fing er dafür etwas mit einer Tussi aus einem Jahr über uns an. Auch gut. Ich wollte einfach nur meine Ruhe. Ich hatte keine Lust ihm auf Partys oder sonstigem zu begegnen, womöglich noch mit seiner neuen Freundin. Also schloss ich mich an den Wochenenden häufiger Liam und Leon an und nahm ab und zu Zoe mit. Oder ich ging gegen Abend laufen und war danach so erschöpft, dass ich nichts mehr unternehmen konnte und wollte.

Rebecca zog sich von mir komplett zurück. Entweder war sie aufgrund ihres Studiums unterwegs, mit Kommilitonen oder sperrte sich mit Mom in ihrem Zimmer ein. Keine Ahnung was bei ihr los war.

Die Vorbereitungen für die Hochzeit gingen außerdem rasend voran. Die Hofmanns und Kleins wohnten inzwischen zusammen. Grubers und Wagners hatten sich doch gegen das Zusammenziehen entschieden. Tamara war inzwischen schon sichtlich angespannt, aber bestand darauf Kleider für  Rebecca, Zoe, und mich auszusuchen. Wir sollten außerdem Brautjunger werden. Melina musste ein paar befreundete Kinder als Blumenkinder betreuen.

Meine Mom würde Tamaras Trauzeugin werden und ließ sich ein Kleid maßschneidern.

Ganz so krass sollte es für uns vier nicht werden, aber Tamara suchte trotzdem die perfekten Kleider für uns.

Es sollten sanfte icy candy colors sein.

Melina bekam eines in altrosa, was hochgeschlossen war und doch ihre Kurven sanft betonte.

Zoe, Rebecca und ich bekamen das gleiche Kleid, das aber angepasst wurde. Obwohl Rebecca und ich beide braune Haare hatten und Zoe rote, suchte sie ein Kleid aus, dass am besten zu blonden Haaren gepasst hätte: Flieder. Doch ich versuchte mich damit zu arrangieren. Es war lang und trägerlos und hatte hübsche Applikationen.

Dazu verbrachten wir Stunden beim Frisör, um die perfekten Frisuren hinzubekommen.

Mich brachte das ganze nach und nach zum Wahnsinn. Ich wollte nicht Stunden für Oberflächlichkeiten verschwenden, wenn doch sowieso alle Augen auf Tamara und David gerichtet sein sollten! Von mir aus konnte ich gern ein Kleid anziehen, mich schminken und meine Haare zusammenbinden. Aber das musste doch nicht zu übertrieben geregelt werden!? Als hätte Tamara nicht schon genug zu tun, ging sie jeden Tag zum Sport, um auch ja schlank genug zu sein.

Das war ja okay für sie, aber dann strich Mom Rebecca und mir alles Süße und fettreiche.

Wir aßen ja sowieso nicht viel davon, aber ab und zu mal ein Eis und Schokolade waren doch wohl okay? Dazu wollte sie mit mir joggen gehen. Doch ich machte ihr nach den ersten zehn Minuten schnell klar, dass wir auf unterschiedlichen Niveaus waren. Auch Zoe schloss sich mir auf einmal beim Yoga an, obwohl sie ewig gemeint hatte, dass das Zeitverschwendung war. Ich war von dem übertriebenen Wahn um mich herum genervt. Besonders weil Zoe fast alles andere an mir kritisierte. Meine Zähne waren nicht weiß genug für Fotos, meine Fingernägel schrecklich, meine Lippen passten nicht zu meinem Gesicht und meine Haut war ja so weiß, ich sollte unbedingt Selbstbräuner benutzen. Dazu wurde auch noch der Termin für die Hochzeit vorgezogen und alle waren noch gestresster. Außerdem hatten wir Prüfungen, aber die schienen fast alle zu vergessen.

Meine Stimmung war auf dem Nullpunkt, als Rebecca mir verkündete, dass sie für uns eine Bräunungsdusche gebucht hatte. "Wer ist denn bitte Anfang Dezember so gebräunt?", fragte ich sie.

"Wir werden ja nicht dunkelbraun, sondern kriegen nur eine gesündere Hautfarbe", antwortete sie und ich rollte die Augen. Sie brauchte nicht mir reden, als ob ich ein kleines Kind war.

"Für wen willst du eigentlich so hübsch aussehen?", fragte ich dann.

"Geht dich überhaupt nichts an, Süße. Aber warum wehrst du dich eigentlich so gegen alles?"

"Ich verstehe es einfach nicht. Reicht es nicht, wenn Tamara gut aussieht?"

Da mischte sich auf einmal Zoe ein: "Helena, bitte! Es wird so viele Fotos geben, auch von uns! Das ist DAS Ereignis des Jahres! Oder freust du dich nicht für die beiden? Außerdem kommt die ganze Familie"

Ich lächelte. Die Familie war es also, was allen so Angst machte. Ich konnte es gut verstehen. Unsere Eltern waren damals wohl ziemlich auf sich alleine gestellt, sonst wären sie nicht zu den Treffen gegangen. Die Beziehungen zu den Verwandten war bei uns allen schwierig, daher konnte ich das ganz gut nachvollziehen. Immer wenn es mal zu meinen Großeltern ging, mussten Rebecca und ich uns besonders hübsch machen, auf unsere Sprache achten und immer brav Bitte und Danke sagen. Und natürlich lächeln und von guten Noten erzählen. Es war wirklich anstrengend.

"Ach und natürlich wäre es schön, wenn du dich an diesem Tag einmal nicht mit Noel streiten würdest! Ich weiß wir dürfen nichts mehr sagen, aber wenn ihr euch an der Hochzeit danebenbenehmt, wäre das extrem scheiße!  Du bist meine beste Freundin und die Tochter der Treuzeugin und er ist der Sohn des Bräutigams! Ihr dürft uns da nicht alle mithineinziehen! Ihr macht noch unsere Familie kaputt! Bitte reißt euch zusammen!"

Wow. Wer hätte mit so einem Gefühlsausbruch gerechnet? Also nahm ich Zoe in den Arm und versprach ihr alles, worum sie mich bat. Ich hatte zwar noch keine Ahnung wie ich das alles umsetzen wollte, aber das war noch egal. Hauptsache ich konnte sie jetzt beruhigen.

"Zo, es sind doch noch fast zwei Wochen bis zur Hochzeit! Warum machst du dir so einen Kopf um alles?", fragte ich.

"Erstens: Das ist total wenig. Zweitens: Mir geht es gut, danke. Alles ist in Ordnung"

"Wirklich? Du wirkst total durch den Wind", meinte ich besorgt.

"Lass es gut sein, Helena", fuhr sie mich dann an.

Ich zuckte die Schultern.

Selbst Rebecca sah mich mitfühlend an.

"Sie beruhigt sich schon wieder", sagte sie dann zu mir.

"Hoffentlich"

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