Nicht nur ein Hocker

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Axl lässt sich neben ihn fallen und schaut in seine Karten.
Dafür, dass er ihm gerade noch den Kopf abreißen wollte, scheint er sich durch Sarah schnell beruhigt zu haben.
„Ich spiel' bei der nächsten Runde mit, ja?" Er lehnt sich zurück und fischt aus seiner Hose eine zerknüllte Packung Zigaretten und steckt sich eine in den Mund.
„Gib mal eine", meint Slash, der konzentriert in seine Karten starrt und überlegt, was er als nächstes legen soll. Axl beugt sich vor, steckt Slash eine Zigarette in den Mund und zündet ihm seine und seine eigene an.
Slash legt eine Karte und er sofort die nächste. Er weiß, dass Slash wieder verlieren wird. Und auch, wenn er die ganze Zeit in seine Karten starrt, als würde er sich konzentrieren, denkt er über etwas anderes nach. So absurd es klingt, er ist immer noch verwundert darüber, dass sein Gürtel im Bad lag. Er ist sich sicher, dass er gestern noch in seiner Truhe war. Selbst, wenn ein anderer ihn genommen hätte, was durchaus öfters vorkommt, wäre das jedoch sinnlos gewesen. Sein Blick huscht kurz zu dem Gürtel, der noch auf seinem Bett liegt und dann zu dem immer noch schlafenden Steven. Dass er sogar bei Axls und Sebastians Kampf nicht aufgewacht ist, wundert ihn etwas.
Da verspürt er ein unwohles Gefühl in der Magengegend, als würde sich ein Verdacht in ihm breit machen, eine gewisse Vorahnung... Schnell versucht er, diesen Gedanken zu verdrängen und legt eine Karte, womit er Slash fast zum Verzweifeln bringt.
Doch das Gefühl hält an und breitet sich in seinem Magen aus. Er hofft, dass er falsch liegt, vor allem für Julia...


Ich richte mich auf und kneife die Augen zusammen, da die einzelne Glühbirne nur schwaches Licht spendet. Genauso wie Julia und Sebastian schaue ich mich zuerst um.
Die rechte Wand wird von einem riesigen alten Kleiderschrank eingenommen, wobei ich mich frage, wofür die Jungs den je gebraucht haben. Links stehen lauter Kisten und Gegenstände, die sich unter dünnen Plastikfolien befinden. Ganz am Ende ist ein kleines Fenster, doch der Weg ist durch die unzähligen Kartons versperrt.
„Ich glaube, wir haben viel zu tun...", murmelt Julia.
„Das auf jeden Fall!" Ich reibe mir die Hände. „Sag Bescheid, falls du die Bilder gefunden hast, Sebastian", sage ich zu ihm und öffne die erste Kiste. „Also willst du sie auch sehen?", fragt er. „Was denkst du denn, na klar will ich das!"
Julia lacht: „Axl kann echt froh sein, dich zu haben!" „Er muss es ja nicht wissen", entgegne ich, „Solange Baz die Klappe hält." „Kann ich nicht versprechen", meint dieser grinsend und wühlt weiter in einer Kiste. „Oh doch, das wirst du, sonst bist du einen Kopf kürzer, mein Lieber!", drohe ich und schaue in die nächste Kiste.
„He, hier reißt niemand irgendjemandem den Kopf ab, ja?", mischt sich Julia ein.
„Du warst doch diejenige, die noch vor ein paar Tagen Vince und Axl die Köpfe einschlagen wollte, weißt du noch?", erinnert sie Sebastian. „D-das war was anderes!", verteidigt sich Julia prompt. „Nö, ist es nicht."
Ich grinse sie an, worauf hin sie mir die Zunge herausstreckt. „Ja ja", meint sie sarkastisch und weil ihr nichts Besseres einfällt. „Gleichfalls!", lache ich und schaue in die nächste Kiste.
Julia hat begonnen, die alten Gitarren, die um den Schrank herum liegen, aufzuräumen, also einfach ordentlich an die Wand zu stellen. Sebastian und ich stapeln die ganzen Kisten, nachdem wir sie gründlich durchgeschaut haben, um zu dem kleinen Fenster zu gelangen.
„Was haben die hier eigentlich für Schrott?", fragt sich Sebastian, der sich eine Clownsmaske aufgezogen hat und in der Hand eine bunte Fliege hat. „Steht dir", lache ich, „hat's da noch mehr?" „Äh, warte..." Sebastian wühlt in einer der Kisten. „Hier!"
Er wirft mir eine Maske zu, welche ich auffange und sie betrachte. „Ernsthaft?", frage ich, „Darth Vader?" „Und hier dein Lichtschwert!" Ich fange das Plastikspielzeug und setze mir die Maske auf. Sebastian nickt zu Julia, welche völlig vertieft versucht, den riesigen Holzschrank vom Staub zu befreien. Grinsend nicke ich und gehe leise auf sie zu. Da nehme ich sie von hinten in den Schwitzkasten, drücke ihr mein Möchtegern-Lichtschwert an die Kehle und zische: „Ich bin dein Vater!"
Mit einem erschrockenen Schrei reißt sie sich los und schlägt mir ohne Vorwarnung ihren staubigen Putzlappen um die Ohren. Ich hebe abwehrend meine Hände und laufe rückwärts, um Julias Schlägen auszuweichen. Da stolpere ich über etwas und lande auf dem Holzfußboden. „Ah, fuck!", beschwere ich mich und nehme die Maske ab. Ich reibe mir den Rücken. „Also der echte Darth Vader hatte im Film einen etwas cooleren Abgang", kritisiert mich Sebastian, als Antwort schneide ich eine dumme Grimasse.
„Pass auf, dass ich dir nicht gleich die Hand abhacke", knurre ich und lasse mir von Julia aufhelfen.
„Alles klar?", erkundigt sie sich und ich nicke.
Mein Blick fällt auf dem Boden, auf das Ding, über das ich gestolpert bin. Es ist aus Holz und sieht merkwürdig aus. Es hat zwei gerade quadratische Flächen, die mit breiten, verdrehten Platten verbunden sind.
„Was ist denn das?", will Sebastian wissen, der Julia über die Schulter blickt. „Sieht aus, wie eine Art Hocker", vermute ich und stelle es auf eine quadratische Fläche.
„Kann gut sein", stimmt mir Julia zu, nimmt den Hocker selbst betrachtet ihn gründlich von allen Seiten. Da fängt sie auf einmal an zu lachen. Verwirrt mustern Sebastian und ich sie. „Was ist?", frage ich, doch sie lacht nur lauter.
„Das ist nicht nur ein Hocker!", verkündet sie, „Das ist ein asiatischer Hocker!" „Was?!" Ich reiße ihr den Hocker aus den Händen. „Woher weißt du das?", frage ich und inspiziere das Holz. „Da", lacht Julia und deutet auf einen kaum sichtbaren Stempel. 'Made in Japan' steht da drauf. „Heilige Scheiße!", lache ich jetzt auch, „Der kommt mit runter!" „Und was soll der bringen?" fragt Sebastian, der definitiv nicht versteht, was hier los ist. „So ein Mist, dass Jenni und Steel Panther schon weg sind!", regt sich Julia auf und lacht. „Was ist mit Jenni?", fragt Sebastian sofort und blickt zwischen mir und Julia hin und her. „Das verstehst du nicht, sorry", lache ich.
„Will ich das verstehen?", entgegnet der Sänger und grinst. Julia und ich schütteln den Kopf.
Ich stelle den Hocker beiseite, damit wir ihn nachher nicht vergessen.
„Rate mal, von welchem Lied ich jetzt einen Ohrwurm habe?" grinst Julia und ich beginne zu singen: „ Asian Hooker, hot little motherfucker! Asian Hooker, dirty little cocksucker!" Wieder lachen wir. Ja, Verwechslungen können sehr witzig sein. „Und was ist daran so komisch?" Sebastian scheint leicht verzweifelt, „Ich will's auch verstehen!"
Doch Julia und ich singen nur das Lied weiter, während Sebastian uns mit skeptischem Blick anschaut, als hätten wir irgendwelche Drogen genommen.
„Okay gut", unterbreche ich uns irgendwann selbst, „wir sollten mal weitermachen." „Das ist doch mal ein sinnvoller Vorschlag", stimmt mir Sebastian zu und Julia nickt.
„Ich frag' mich ja, was die da unten denken", überlegt sie. „Bestimmt nichts Anständiges, so viel ist sicher", vermutet Sebastian. „Ich wette, dass du gar nicht so unrecht hast", grinst Julia und beginnt wieder, den Schrank zu putzen.




Die Hütte im Wald [In Überarbeitung]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt