Ich lausche kurz und höre, dass sie sich an die Arbeit machen. Ich bin froh, dass es immer leise ist im Proberaum. Ich gehe zum Schrank. Nach der Flöte muss ich gar nicht erst suchen, der Koffer liegt genau auf Augenhöhe. Vorsichtig nehme ich ihn heraus und setze mich im Schneidersitz auf den Boden. Die Flöte ist immer noch atemberaubend schön und sie scheint keinen einzigen Fingerabdruck zu haben. Fast, wie unberührt, aber auch fast zu schade, um nicht gespielt zu werden. Ich kann die Flöte mühelos zusammenbauen und sie liegt gut in der Hand. Ich setze sie an, ich habe schon lange nicht mehr gespielt. Hoffentlich bekomme ich einen Ton heraus... Überraschend leicht springt die Flöte an. Ihr Ton ist voll und weich. Zuerst spiele ich leise ein paar Tonleitern und schaue, bis zu welchem Ton ich komme. Als ich schließlich beim a''' angekommen bin, lasse ich es lieber, da es sonst so klingt, als würde eine Katze überfahren werden.
Ich laufe durch den Proberaum und überlege, was ich noch von früher auswendig spielen könnte und mir fällt leider nur ein Lied ein: Gangnam Style. Sehr abwechslungsreich ist das Lied nicht, weshalb ich es schnell wieder bleiben lasse und zu den Tonleitern zurückkehre. Immer noch laufe ich gelangweilt herum. Hm, ob sie vielleicht Noten haben..? Ich lege die Flöte vorsichtig ab und beginne, den Schrank zu durchsuchen. Ganz unten ist ein alter Stapel mit Noten, die ziemlich verstaubt sind. Es sind meistens Klaviernoten, aber auch Blätter mit Gitarrengriffen und selbstgeschriebene Texte mit Ergänzungen darüber. Doch als letztes, wie sollte es anders sein, finde ich „Die Zauberflöte" von Wolfgang Amadeus Mozart. Ich muss etwas schmunzeln und nehme die Noten. Ich habe sie vor Jahren schon mal gespielt und einige Stücke kenne ich noch, das meiste aber fand und finde ich immer noch unnötig. Die Blätter sind schon etwas vergilbt und haben ein paar Knicke, aber ansonsten sind sie in einem guten Zustand. Ich setze mich ans Klavier und streiche die Noten glatt. Ich beginne den ersten Satz, „Der Vogelfänger bin ich ja", zu spielen. Überraschenderweise kann ich die Stücke noch relativ gut, dafür, dass es mindestens fünf Jahre her ist. Während ich spiele, erinnere ich mich an früher. Es war eine schöne Zeit, zumindest meistens. Als ich beim fünften Satz angekommen bin, geht die Tür auf.
„Ist alles okay?", frage ich Axl, der die Tür hinter sich schließt. „Ja, keine Sorge." Er lächelt mich an und setzt sich neben mich. Sofort mache ich einen geraden Rücken und starre auf die Noten, als würde ich im Kopf eine schwierige Stelle durchgehen. Warum bin ich auf einmal so verklemmt?
„Du spielst schön", meint Axl sanft und versucht mir, in die Augen zu schauen. Was ist los mit mir? „Danke", bringe ich etwas steif hervor und starre immer noch auf die Noten. Das Schweigen wird von Axl unterbrochen: „Ist alles okay, Sarah? Du weißt, du kannst mir alles sagen." Bei diesem Satz verspüre ich einen Stich im Herzen und lege die Flöte mit zitternden Händen aufs Klavier. Bitte nicht, nicht jetzt...
Ich blicke auf meine Füße, damit Axl meine Tränen nicht sieht, die mir übers Gesicht rinnen. Ich versuche einen Schluchzer zu unterdrücken, doch ich gebe einen erstickten Laut von mir, sodass Axl mich in seine Arme nimmt. Er zieht mich auf seinen Schoß, schlingt die Arme um mich und drückt mich fest an sich. Ich vergrabe mein Gesicht an seiner Schulter, während er mich hält. Ich würde es ihm gerne sagen, so gerne. Nur ein Satz, ein paar Worte und er würde verstehen...und wahrscheinlich nie wieder etwas mit mir zu tun haben wollen. Deswegen kann ich es ihm nicht sagen, ich will ihn nicht verlieren.
„A-Axl...", schluchze ich, „i-ich kann es nicht..! Es tut mir so leid! Bitte! Noch nicht jetzt. Bitte!" Ein neuer Schwall von Trauer überkommt mich, ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Axl drückt mein zitterndes und schluchzendes Ich an sich. „Schhh", macht er, „Alles gut, beruhig dich." „Es tut mir Leid...", flüstere ich. „Schon okay", haucht er, die Traurigkeit in seiner Stimme versucht er zu unterdrücken. „Du sagst es mir, wenn du dazu bereit bist, ja?" Er hebt mit einer Hand mein Gesicht. Sein Blick ist sanft, keine Spur von Enttäuschung. Ich schniefe und ehe ich etwas erwidern kann, drückt er seine Lippen auf meine. Instinktiv lege ich die Arme um seinen Hals. Er hat seine um mich geschlungen und hält mich. Diesmal streicht meine Zunge über seine Lippen und bittet um Einlass, den er mir sofort gewährt. Während ich durch seine Haare wühle, fahren seine Hände unter mein Top. Sie wandern an der Seite hoch zu meinen Brüsten, während unsere Zungen sich gegenseitig streicheln. Sanft fährt er mit seinen Händen über meine Brüste, woraufhin ich mich noch näher zu ihm ziehe. Ein Gefühl der Zufriedenheit überkommt mich und ich würde am liebsten für immer in Axls Armen bleiben.Schwer atmend lösen wir uns von einander und Axls Hände tauchen unter meinem Top auf, schlingen sich aber sofort wieder um mich. Meine Stirn liegt auf seiner Schulter. Er küsst meinen Hals und wandert hinauf zu meinem Ohr. „Ich liebe dich", haucht er. „Ich dich auch", flüstere ich zurück und blicke ihn an. Er lehnt seine Stirn an meine, sodass ich genau in seine wundervollen grünen Augen schaue. Ich rieche seinen Atem, eine Mischung aus Zigaretten und etwas Alkohol, genau wie ich es liebe. Der typische Rockstargeruch. Er drückt mir einen schnellen Kuss auf den Mund, ehe wir uns ganz voneinander lösen und ich wieder neben ihm sitze. „Willst du noch etwas spielen? Bitte?", fügt er noch hinzu. „Ja, gerne", sage ich mit einem Lächeln und nehme wieder die Flöte. Ich bin entspannt. Axl spielt die zweite Stimme auf dem Klavier.
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Die Hütte im Wald [In Überarbeitung]
Fiksi PenggemarAls Sarah ihre Freundin Jenni in Köln besucht, hätte sie nicht gedacht, wie alles endet. Nach der Halloweenparty geht alles ganz schnell und nach der Flucht vor IHM, landet sie in einer Hütte mitten im Wald. Doch dass von da an ihr normales Leben ei...