Weihnachtsabend

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Wir müssen drei Mal laufen, bis alles auf dem Tisch steht. „Und was esst ihr?", fragt Izzy, nachdem alle sitzen und sich zu Essen genommen haben. „Ähm..." Julia und ich schauen uns an. Wir hatten ganz vergessen zu schauen, was wir essen. „Ich hab eh keinen großen Hunger", mein Sebastian, „Hier!" Er teilt sein Würstchen und legt je eine Hälfte auf unsere Teller, auf denen nur Salat liegt. „Ich bin auch nicht sehr hungrig." Steven legt sein Würstchen auf Julias Teller. Ehe wir uns versehen, haben Julia und ich volle Teller. Wir schauen uns an. Auch ohne Worte verstehen wir uns. „Danke!", grinse ich und beginne zu essen. „Euer Pech, wenn ihr jetzt verhungert", fügt Julia hinzu, da die Teller der anderen nun so gut wie leer sind. Natürlich schaffen wir nicht alles. Am Ende sind trotzdem alle Teller leer und die Mägen mehr als voll. Nachdem wir alles achtlos in die Küche gebracht haben, sitzen wir alle vierzehn zusammen im Wohnzimmer und singen alte Weihnachtslieder, von denen eigentlich niemand den ganzen Text kennt. Slash hat für sich und Mick zwei Akustikgitarren geholt und Steven und Tommy trommeln mit Besteck auf dem Tisch herum. Irgendwoher, ich weiß wirklich nicht von wo, holt Duff noch Jack Daniel's, Jägermeister und zu meiner größten Überraschung Nightrain. Das Bier war eh schon fast alle. „Wo zum Teufel hat Duff das Zeug her??", flüstert mir Julia zu. „Ich hab keine Ahnung", antworte ich wahrheitsgemäß.

Wir lachen viel und schnell leeren sich die nächsten Flaschen. Und als Guns N' Roses ihre Version von „White Christmas" zum besten geben, grölen alle und singen mit. Durch den schnell steigenden Alkoholpegel, werden alle zunehmend lauter und auch die Zungen werden lockerer. Hätte einer auch nur ein falsches Wort gesagt, hätte es zu Streit kommen können. Aber alle verstehen sich gut und liegen einander in den Armen. Nach einer Weile rappele ich mich unelegant auf. „Jetzt gibt's Geschenke!", verkünde ich laut. „Jaaaa!!", rufen Tommy, Vince und Steven freudig und überrennen mich fast, weil sie sich auf den Weihnachtsbaum und die Geschenke stürzen. „Immer langsam!", rufe ich, „Einer nach dem Anderen!" Alle versammeln sich unter dem Weihnachtsbaum und betrachten die Geschenke, die Sebastian sorgfältig darunter gelegt hat. „Fangen wir an..." Ich nehme mir ein kleines Geschenk. „Mick! Das ist für dich!" Ich gebe Mick sein Päckchen. Ich verteile alles, bis nichts mehr unter dem Weihnachtsbaum steht. Sogar Julia, Jenni, Tc und Sebastian bekommen etwas. Vince kuschelt freudig mit einem pinken flauschigen Einhornkissen, als Nikki sagt: „Und was ist mit dir?" Verwirrt schaue ich ihn an. Was soll mit mir sein?  Als ich mich kurz umblicke, bemerke ich, dass ich selber gar kein Geschenk hatte. „Das hätte ich fast vergessen!" Axl springt auf und verschwindet durch die Küchentür. Ich bin immer noch verwirrt und Nikki ist es nun offensichtlich auch etwas. Man hört Geklimper und Geraschel, das wohl aus dem Proberaum kommt, zusammen mit Axls Selbstgespräch. „Ich habs!", hören wir ihn rufen und er kommt mit einem verstaubten kleinen Koffer wieder. "Hier!", grinst er mich an und pustet den Staub etwas weg. Hustend nehme ich den Koffer. Vorsichtig und etwas misstrauisch öffne ich ihn und staune nicht schlecht: eine Querflöte ist in dem Koffer. Sie ist golden und glänzt im Licht. Ich betrachte das Instrument und fahre vorsichtig über die Klappen. Sie ist wunderschön und sieht aus, als hätte man sie neu gekauft.

Seufzend schließe ich den Deckel wieder und reiche Axl den Koffer. "Danke, aber das kann ich nicht annehmen." Ich schätze, dass mich Jenni und Julia in diesem Moment für verrückt halten, da sie genau wissen, wie sehr ich das Querflötenspielen liebe.  Warum ich die Flöte nicht annehmen kann, weiß ich selbst nicht genau, irgendwas in mir sagt, dass ich dieses Geschenk nicht verdient hätte.

Aber mit Axls Reaktion hätte ich am wenigsten gerechnet. „Gut", meint er nur und zuckt mit den Schultern, „Dann eben nicht." Er bringt das Instrument zurück in den Proberaum.

„Was  schaust du denn so?", fragt mich Axl, als er wieder da ist und mein offensichtlich immer noch verwirrtes Gesicht sieht. Er setzt ein Grinsen auf. „A-ach, nur so...", murmele ich und nehme einen Schluck aus irgendeiner Bierflasche. „Komm mal mit", meint er und nimmt mein Handgelenk. Er geht mit mir raus aus der Hütte. Sofort bekomme ich eine Gänsehaut, wegen der Kälte. Axl scheint das weniger zu stören. „Und was sollen wir hier?", frage ich ihn pampig und genervt, weil mir echt kalt ist. Zähneklappernd reibe ich mir die Arme. Ohne ein Wort geht Axl auf mich zu, bis ich mit dem Rücken die Wand der Hütte berühre. Er drückt seine Hände neben mein Gesicht an die Hütte. Seine Haare fallen ihm ins Gesicht und immer noch grinst er. Ich starre ihn an, ohne Idee, was er von mir will. Er beugt sich vor, sodass ich seinen warmen Atem in meinem Gesicht spüre. Er riecht nach Alkohol. Seine grünen Augen glitzern herausfordernd in der Dunkelheit. Da er nur ein T-Shirt an hat, sehe ich auch den Augenwinkel seine tätowierten Arme. „Du bist süß, wenn du rot wirst", flüstert er. Seine Lippen streichen über meine, was mich noch mehr erröten lässt.  Er streicht mir die Haare hinters Ohr und beugt sich noch weiter vor. Zärtlich knabbert er an meinem Ohr. „Lass das! Das kitzelt!", nuschele ich und ziehe eine Schulter etwas hoch. Wieder packt mich eine Gänsehaut, dieses Mal weniger wegen der Kälte. Ich schlinge die Arme um seinen schlanken Körper, während er mein Gesicht mit zarten Küssen bedeckt. Er wandert an meiner Nase hinunter und hält kurz vor meinem Mund inne. „Ich liebe dich!", haucht er und küsst mich. Zuerst zärtlich, dann verlangend. Ich lege ihm die Arme um den Nacken und er schlingt seine um meine Hüfte und zieht mich zu sich heran. Gleichzeitig presst er mich gegen die Hütte. Plötzlich ist mir nicht mehr kalt. Meine Wangen glühen. Er schiebt seine Hände unter meine Jeans. „Wenigstens kann uns Nikki nicht stören", murmelt er.  Er fährt mit seiner Zunge über meine Lippen und entlockt mir somit ein Grinsen. Erneut drückt er seine Lippen fest auf meine. „Ich glaub, wir sollten langsam reingehen", flüstere ich zwischen seinen Küssen. Axl scheint es nicht gehört zu haben, oder er ignoriert es einfach. Immer noch presst er seinen Körper an meinen. Ich spüre die Hitze, die von ihm ausgeht. Wieder ist das Gefühl da, dass mich alles vergessen lässt. Langsam wandern seine Hände an meiner Seite wieder hoch und er umschließt mein Gesicht. Noch für einen Augenblick lasse ich dieses Gefühl tief in mich einsickern, um es nicht zu vergessen, dann lösen wir uns voneinander.

Etwas außer Atem schauen wir uns an. „Und ich besteh darauf, dass du die Flöte bekommst", grinst er wieder und wir gehen in die Hütte.

Mittlerweile sind alle dabei, sich Bettfertig zu machen. Die unzähligen Flaschen stehen alle auf dem Tisch. Immer hin etwas, denke ich mir, aber das Geschenkpapier liegt zusammengeknüllt unter dem Baum.  Schnell schlüpfe ich in eine bequeme Hose von...hm, von wem eigentlich?  Jenni und Tc schlafen wieder zusammen auf der Eckbank und Sebastian hat sich noch mit ins Gruppenbett gequetscht. Ich lege mich dicht neben Axl, aber eher wegen des Platzmangels. Wir wünschen jedem eine gute Nacht und schnell hört man Steven schnarchen. Auch die anderen scheinen schnell einzuschlafen. An Axl gekuschelt, lausche ich seinen regelmäßigen Atemzügen und denke noch etwas über den Tag nach. Es war ein fantastisches Weihnachten, so viel stand fest. Ich finde es immer wieder interessant, wie viel an einem Tag passieren kann. Ich muss grinsen, als ich kurz an Duff und Mick denke. Das hätte ja auch schief gehen können... Zufrieden schlafe ich ein.

Die Hütte im Wald [In Überarbeitung]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt