Die Hütte im Wald

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Tag 1, 14.11.

Renn. Flieh. Fliehen vor IHM. Ich ziehe den Reißverschluss meiner Jeans hoch, mache den Knopf zu und ziehe den Gürtel fest. Ich knöpfe mir meine Bluse zu. Ich renne die Straße entlang, weg von den Gebäuden und halte auf den Walndrand zu. Zu panisch und konzentiert auf meine Schritte, beachte ich die mir unbekannte Umgebung nicht. Ich hetze durch den Wald. Zweige peitschen mir ins Gesicht. Egal, weiterrennen. Über Wurzeln stolpern, hinfallen. Aufstehen, weiterrennen. Ich unterdrücke meine Tränen und höre nichts außer meinem keuchenden Atem und ab und zu das Knacken eines Astes unter meinen Füßen. Ich kann nicht sagen, ob ER noch hinter mir ist, doch ich weigere mich, hinter mich zu blicken. Als mir schließlich doch meine Kraft ausgeht, bleibe ich schwer atmend stehen. Es ist vollkommen dunkel, ich schwitze vor Anstrengung, doch die Kälte lässt mich frösteln.
Als ich weiter entfernt ein Geräusch höre, laufe ich so leise wie möglich weiter.  Auf einmal sehe ich eine große Holzhütte und bleibe verwirrt stehen. Aus den Fenstern dringt Licht. Ich blicke mich um, sehe jedoch nichts weiter. Wieder ist ein Geräusch hinter mir und mein Herz klopft so stark und ich muss die in mir aufsteigende Übelkeit hinunterschlucken. Ich halte auf die Hütte zu und bete, dass sie offen ist. Ich habe die Hütte erreicht und werfe mich gegen die Tür. Sie geht auf. Ich werfe die Tür zu und drücke sie hinter mir zu, als könnte er sie jeden Moment öffnen. Doch sie öffnet sich nicht. Mit geschlossenen Augen drücke ich immer noch die Tür zu. Ich atme tief ein und rieche Zigarettenrauch. Dann wird alles schwarz...

Ich will meine Augen öffnen, doch es geht nicht. Meine Lider sind so schwer wie Blei. Also lausche ich und atme bewusst ein und aus. Immer noch rieche ich den Zigarettenrauch. Ich höre Stimmen und ein leises Zupfen, dem ich noch immer etwas benommen zuhöre.
Ich versuche, meine Gedanken zu ordnen und als ich realisiere, was fast passiert wäre, spüre ich Tränen in meinen Augenwinkeln brennen. Sofort verdränge ich die Gedanken an letzte Nacht und konzentiere mich wieder auf das angenehme Zupfen. Erst jetzt realisiere ich, dass ich nicht allein bin. Ich höre mehrere Stimmen miteinander reden, doch sie sind zu leise, als dass ich irgendwelche Gesprächsfetzen verstehen würde. Doch zu meiner Erleichterung kann ich erkennen, dass SEINE Stimme nicht dabei ist. Also kann er mich nicht eingeholt haben.
Als ich mich stark genug fühle, versuche ich mich aufzusetzen, was ich sofort bereue. Mein Schädel brummt, doch ich kann mich an einer Lehne abstützen. Plötzlich ist alles leise. Ich liege auf einem Sofa in der Holzhütte, erkenne ich.
Die gezupfte Melodie hat aufgehört und ich spüre die Anspannung in der Luft. Sofort beschleunigt sich mein Puls und ich blicke zu der Tür, um notfalls wieder zu rennen.
Mit mir sind vier männliche Personen im Raum: einer sitzt mit einer Gitarre auf einem von insgesamt fünf Betten, die alle im selben Abstand an der Wand zu meiner Linken stehen. Er hat eine Kippe im Mund und schwarze Locken verbergen sein Gesicht.
Auf einer Eckbank sitzen drei weitere. Einer mit längeren blonden Haaren, der eine Jeansjacke trägt. Der neben ihm hat ein blaues Bandana in seinen roten Haaren, die ihm glatt über die Schultern fallen. Er trägt ein T-Shirt, so dass man deine tätowierten Arme sehen kann. Der Letzte liegt ausgestreckt, den Kopf an die Lehne gelehnt, auf der Bank. Er hat schwarzes schulterlanges Haar und in seinem Mund hängt ebenfalls eine Zigarette.
Plötzlich kommt noch einer durch die Tür am anderen Ende des Raums. Er hat ebenfalls blonde Haare und er hält eine Bierdose in der Hand. Wie erstarrt bleibt er stehen und das Lächeln auf seinem Gesicht weicht einem geschockten Gesichtsausdruck. Alle fünf starren mich an und ich sie. Derjenige, der auf dem Bett sitzt, legt seine Gitarre beiseite und steht auf. Auch die anderen stehen auf und stellen sich vor der Couch, auf der ich liege.
Ich schlucke und reiße panisch die Augen auf. Ich richte mich auf, bereit, jeden Moment wegzurennen. Niemand sagt ein Wort, einige Sekunden verstreichen. Die Stille fühlt sich wie eine Ewigkeit an.
"Hi", sagt der Rothaarige schließlich. Ich erkenne die Stimme und mir wird schlagartig bewusst, wer hier vor mir steht.



Die Hütte im Wald [In Überarbeitung]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt