4.Tag, 17.11
"Sag mal", meint Slash zu mir und hüstelt etwas, "Stört es dich, wenn wir rauchen?" Ich blicke von meinem Frühstück auf.
"Nein", antworte ich und schüttele den Kopf. Ehe ich mich verstehe, haben alle eine Zigarette im Mund und um den Tisch wabert nun grauer Rauch.
"Aber ein Fenster aufmachen wäre vielleicht nicht schlecht", sage ich leise und wedele den Rauch vor mir weg.
"Klar, natürlich." Izzy öffnet das Fenster hinter ihm, sodass der Rauch etwas abziehen kann.
Langsam gewöhne ich mich an die Gesellschaft der Band, auch wenn ich noch oft lieber auf meinen Schoß blicke, als ihnen in die Augen zu sehen. Mich wundert es, dass sie das Rauchen vermieden haben, seit ich da bin und es fühlt sich etwas unangenehm an, dass sie das scheinbar wegen mir gemacht haben.
"Du rauchst nicht oder?", erkundigt sich Duff bei mir und wieder schüttele ich den Kopf. "Gelegentlich mal", erkläre ich, "Aber selten. Bin es aber von Freunden gewöhnt, daher macht es mir recht wenig." "Ach so, okay", nickt der Bassist.
"Wenn es dir zu viel wird, sag es einfach oder mach ein Fenster auf, kein Problem", fügt Izzy hinzu und ich lächele ein wenig."Hättest du Lust, mal die Gegend um die Hütte ein wenig zu sehen?", fragt mich Axl unvermittelt nach dem Mittagessen.
"Ähm."
"Hier hat es ein paar coole Stellen in der Nähe. Also nur, wenn du willst." Der Sänger lächelt und alle blicken mich an, um meine Antwort abzuwarten.
Ein Spaziergang im Wald könnte mich tatsächlich auf andere Gedanken bringen, überlege ich. Außerdem wäre ein bisschen frische Luft schnappen und sich die Füße vertreten auch gar nicht so schlecht.
"In Ordnung, gerne", stimme ich daher zu und Axl grinst.
"Super. Also könnt ja abspülen, wir sind dann mal weg", meint der Sänger zu Slash, Izzy, Steven und Duff und zieht sich Schuhe und eine Jacke an.
Ich ziehe mir ebenfalls meine Schuhe an und leihe mir eine Lederjacke von Steven, ehe Axl und ich aus der Hütte gehen.
"Und denkt an den Abwasch!", ruft er noch einmal zurück und schließt die Tür hinter sich. Er grinst mich an. "Komm." Ich nicke und folge ihm.
Die Luft ist bissig kalt, doch der Himmel ist blau. Es weht ein kalter Wind, der die restlichen Blätter nun von den Bäumen weht.
Axl führt mich eine Art Trampelpfad entlang, was mich vermuten lässt, dass sie tatsächlich öfters im Wald unterwegs sind. Es ist schlammig und die braunen nassen Blätter auf dem Boden machen den Weg zusätzlich rutschig. Nicht selten verfange ich mich in einer Dornenranke, Axl ebenfalls.
Auch wenn ich nicht weiß, wo genau Axl mich hinbringt, hoffe ich, dass er nachher auch wieder zurückfindet. Wir reden beide nicht, was ich angenehm finde. Ich hätte eh nicht gewusst, was ich sagen soll. Es tut nur gut, durch den Wald zu laufen und zu wissen, dass man nicht alleine ist.
Plötzlich bleibt Axl stehen und ich ebenfalls.
"Alles gut?", frage ich und er nickt.
"Mach deine Augen zu", fordert er mich auf und ich blicke ihn verunsichert an.
"Keine Angst, das, was ich dir zeige, soll eine Überraschung werden", erklärt er ruhig. Nach kurzem Zögern schließe ich also meine Augen und ich spüre, wie Axl seine Hände auf meine Schultern legt, um mich zu führen.
Es dauert nicht lange, als ich auf einmal ein Rauschen höre, das schnell immer lauter wird. Als das Rauschen ganz nah ist, sagt Axl zu mir, dass ich meine Augen öffnen kann.Was ich sehe ist unglaublich: Ein riesiger Wasserfall rauscht von einem breiten Felsen vor mir in einen See. Durch das Licht der tiefstehenden Sonne, dass durch die Bäume fällt, wirkt alles geheimnisvoll. Auf dem dunkelgrünen Wasser des Sees schwimmen bunte Blätter und das Wasser schäumt.
"Und?"
Mehr als ein "Wow" bringe ich nicht heraus.
"Es gefällt dir?" Ich nicke und trete vorsichtig näher ans das Wasser heran.
Axl lächelt und stellt sich neben mich. "Den Wasserfall haben wir vor zwei Jahren gefunden, als wir zum ersten Mal in der Hütte nach unserer Tour waren. Wir haben die Gegend erkundet, bis Izzy und Slash auf einmal wie bekloppt gerufen haben, wir sollen zu ihnen kommen. So haben wir den See entdeckt. Von da an sind wir jeden Tag, wenn gutes Wetter war, hergekommen und sind geschwommen oder so." Ich muss kichern. Das glaube ich ihm sofort. Ich stelle mir vor, wie die Fünf sich gegenseitig in den See schubsen oder vom Wasserfall springen.
"Steven war der beste im Arschbombenwettbewerb. Er und Duff hatten auch mal die grandiose Idee, eine von Izzys Gitarren zu verstecken, während Izzy geschlafen hat", fährt er fort und ich kann sein Grinsen hören, "Er hat sie überall um den See herum gesucht und nicht mehr gefunden. Ich glaube, er hat drei Tage mit niemandem geredet."
"Ernsthaft?" Überrascht blicke ich ihn an und er lacht. "Ja, Izzy macht solche Sachen. Duff und Steven haben natürlich nicht verraten, wo sie die Gitarre versteckt haben und haben es, vermute ich, mittlerweile auch wieder vergessen." Der Sänger zuckt mit den Schultern.
"Einmal sind wir mitten im Winter hergekommen und Izzy war mutig und ist auf den zugefrorenen See gelaufen. Und zack - war er weg. Ich und Steven haben ihn aus dem See gefischt. Er konnte fast drei Wochen nicht spielen, so schlimm war seine Erkältung."
"Oh nein, der Arme", sage ich mitleidig und will gar nicht daran denken, wie kalt das Wasser war.
"Wir fanden es recht witzig", erinnert sich Axl, "Aber seitdem meidet Izzy den See eher." "Kann ich verstehen", meine ich nur.
Dann stehen wir einfach nur nebeineinander, bis ich zu frösteln beginne. "Ist dir kalt?" Ich nicke. "Danke, dass du mir das hier gezeigt hast", sage ich leise und blicke zu Axl auf. Dieser lächelt breit, was auch mich unwillkürlich etwas lächeln lässt. "Gerne", antwortet er ruhig.
Wir beschließen, wieder zurück zur Hütte zu gehen und machen uns auf den Weg.
Als wir hereinkommen, riecht es nach Essen. Duff, Steven und Izzy decken gerade den Tisch und sind von oben bis unten mit Tomatensoße beckleckert.
"Was ist denn mit euch passiert?", fragt Axl, nachdem er sich seine Jacke ausgezogen hat und mustert die drei. Auch ich muss etwas grinsen.
"Wir haben Essen gemacht", erklärt Duff. Axl mustert ihn skeptisch. "Ich bin mir nicht sicher, ob ich das probieren will."
"Dann gibt es eben nichts für dich", beschließt der Bassist und er marschiert zurück in die Küche. Nun blickt Axl ihm etwas verwirrt hinterher.
"Was habt ihr denn gemacht?", erkundige ich mich und setze mich an den Tisch. "Tomatensuppe", antwortet Slash, der jetzt mit einem großen Topf aus der Küche kommt. "Klingt gut", lächle ich.
Die Suppe ist nicht schlecht - nur ein wenig versalzen.
Nach dem Abendessen darf ich ihnen wieder beim Proben zuhören. Als mich Steven auffordert, ich solle mich ans Schlagzeug setzen, lehne ich erst ab, doch auch der Rest drängt mich dazu, bis ich nachgebe. Es fühlt sich seltsam an, darauf herumzutrommeln, da ich quasi gar nichts kann und so lasse ich es schnell wieder bleiben.
"Du kannst auch gerne irgendeine Gitarre ausprobieren", meint Slash zu mir, "Ich kann dir gerne ein bisschen was beibringen." Ich nicke lächelnd.So vergehen die nächsten Tage. Ich koche mit ihnen, lerne ein wenig die verschiedenen Instrumente zu spielen und abends spielen wir Karten oder sie erzählen mir von Auftritten. Ich lebe mich ein und bekomme das Gefühl, dass sie sich freuen, dass ich hier bin. Es tut gut, so abgeschieden von der Welt zu sein und alles andere zu ignorieren.
Zwar drängen sich immer wieder Gedanken auf, die ich lieber vergessen möchte, doch mit der Zeit wird es immer seltener. Immer wieder zeigt mir Axl einen anderen Teil des Waldes, in dem die Hütte steht und erzählt mir die verschiedensten Geschichten dazu, die mich immer zum Lachen bringen. Auch ich erzähle ihnen ab und zu etwas von mir, von meinen Freunden und wo ich eigentlich wohne. Doch die Frage, wie genau ich in die Hütte gekommen bin und warum, schweigen wir alle tot, bis es irgendwann nicht mehr wirklich relevant zu sein scheint.
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Die Hütte im Wald [In Überarbeitung]
FanfictionAls Sarah ihre Freundin Jenni in Köln besucht, hätte sie nicht gedacht, wie alles endet. Nach der Halloweenparty geht alles ganz schnell und nach der Flucht vor IHM, landet sie in einer Hütte mitten im Wald. Doch dass von da an ihr normales Leben ei...