ᴋᴀᴘɪᴛᴇʟ 59. Offenbarung

92 14 0
                                    

Luke steht seit einer guten halben Stunde vor dem Herd und zaubert uns ein kleines Abendessen, während ich ihm dabei zusehe, was ich wirklich Stunden tun könnte. Jede seiner Bewegungen sehen so elegant aus und dabei ist ihm das nicht mal bewusst.

Nachdem er fertig ist stellt er alles in die Mitte des Tisches und lächelt mich etwas schwach an. Mittlerweile bin ich mir ziemlich sicher dass irgendetwas mit ihm nicht stimmt. Von Stunde zu Stunde die ich bei ihm bin verhält er sich komischer und ist überhaupt nicht der Luke den ich kenne.

Eine Weile essen wir in Stille und ich werfe immer wieder einen Blick auf die Uhr die an der Wand gegenüber von mir hängt. Ich habe noch immer die Hoffnung endlich mal auf seine Eltern zu treffen. Zu gerne möchte ich die Menschen kennen lernen, die jemand wie Luke in die Welt setzen konnten. Allerdings zeigt die Uhr schon viertel vor sieben, woraufhin meine Hoffnung dass sie vielleicht noch in der Arbeit sind immer weniger wird.

"Sind wir mal wieder alleine?" Frage ich nachdem ich einen Happen hinunter geschluckt habe. Er sieht kurz von seinem Teller auf und nickt etwas, bevor er den Kopf wieder sinken lässt und weiter isst. Ich will ihn darauf ansprechen was mit ihm los ist, allerdings habe ich keine Ahnung wie. Also rede ich einfach weiter und hoffe dass ich in einem Gespräch irgendwie darauf kommen kann.

"Wo sind deine Eltern eigentlich?" Frage ich obwohl ich weiß dass er es nicht mag wenn ich über sie rede. Nur habe ich noch immer das Gefühl so wenig über ihn zu wissen, sodass ich endlich einmal ein paar Antworten will. Angefangen mit der Antwort auf die Frage die mich am meisten interessiert.

"Bitte rede nicht von ihnen." Sagt er leise sodass ich ihn schon fast nicht verstehen kann. Ganz im Gegenteil zu seiner üblichen Reaktion auf diese Frage sieht er nicht wütend, sondern traurig aus. Sein Blick ist noch immer auf seinen Teller gerichtet den er schon seit gut zwei Minuten nicht mehr angerührt hat.

"Alles okay mit dir?" Frage ich endlich und lege mein Besteck weg.

"Ja, ja alles bestens." Sagt er mit wenig Überzeugung. Ich seufze etwas ratlos da ich nicht weiß was ich mit ihm anfangen soll. Also stelle ich ihn eine letzte Frage die mir Klarheit darüber verschaffen soll wann ich seine Eltern endlich antreffen werde.

"Werde ich sie jemals kennen lernen?" Frage ich und sehe zu wie er den Kopf schüttelt.

"Nein." Sagt er noch immer leise und schüttelt weiterhin den Kopf. "Nein wirst du nicht." Er schiebt den Stuhl nach hinten und steht auf um aus der Küche zu gehen. Verwirrt stehe ich ebenfalls auf und folge ihn wie er mit gesenkten Kopf den Flur überquert.

"Was meinst du damit ich werde sie nie treffen?"

"Ich meine es so wie ich es sage." Sagt er nur.

"Du willst mich ihnen nicht vorstellen richtig? Oder willst du einfach nicht dass ich sie treffe? Sag mir doch endlich wie es ist denn ich weiß langsam echt nicht mehr was ich mir einreden soll." Mittlerweile werde ich etwas genervt davon dass er mir nie klare Antworten geben kann.

"Nein." Sage er nur wieder und bleibt weiterhin mit dem Rücken zu mir gedreht. Erneut seufze ich und schüttle nur den Kopf. Dieses ewige heimlichtun macht mich noch wahnsinnig.

"Ich kapier es wirklich nicht. Wieso kann ich sie nicht einfach mal treffen und das wars?"

"Weil sie tot sind okay!" Schreit er und dreht sich mit glänzenden Augen um. Erschrocken trete ich einen Schritt zurück und schaue ihn mit großen Augen an.

"Sie sind tot und nein du wirst sie nie treffen." Sagt er so als wie müsste er es für sich selbst klar stellen. Mein Herz scheint für ein paar Sekunden still zu stehen, wohingegen meine Gedanken nur so rasen. Seine Worte klingen immer wieder in meinem Kopf nach und ich will nicht kapieren was er da gerade gesagt hat.

"L-Luke ich-ich..." Mehr bekomme ich nicht heraus als ich merke wie Tränen beginnen sich in meinen Augen zu sammeln. Er dreht sich um und geht weiter zur Couch auf die er sich sinken lässt bevor sein Schluchzen den Raum erfüllt. Meine Tränen quellen über und laufen auch mir über die Wange, aber ich versuche mich so gut es geht zurück zu halten. Ich gehe auf ihn zu und knie mich vorsichtig vor die Couch sodass wir auf selber Augenhöhe sind. Geschockt starre ich in sein tränennasses Gesicht, dass er versucht vor mir zu verstecken indem er sich weg dreht. Ich nehme seine Handgelenke in meine Hand und drehe ihn wieder etwas zu mir bevor ich meine Arme um seinen Körper schlinge. Sein Schluchzen durchzuckt noch immer seinen ganzen Körper und ich habe nicht die geringste Ahnung wie ich ihn beruhigen soll.

"Sie s-sind tot u-und es ist mein S-Schuld." Schluchzt er und erneut setzt mein Herz einen Schlag aus.

"Was?" Frage ich automatisch als mir klar wird was er da gerade gesagt hat.

"Es ist m-meine Schuld." Sagt er an meinem Hals und bricht erneut in eine neue Welle des Schluchzen.

"Ist es nicht." Sage ich obwohl ich nicht einmal weiß, ob ich damit die Wahrheit sage.

"D-Doch." Meint er kaum hörbar und reißt sich dann von mir los.

"Willst du darüber reden?" Biete ich ihm an, obwohl ich die Antwort auf diese Frage bestimmt schon weiß.

"Nein." Sagt er und schüttelt den Kopf während er die Tränen von seinen Wangen wischt. "Ich will nur kurz alleine sein okay." Verständnisvoll nicke ich und sehe ihm zu wie er aus dem Raum verschwindet und mich im Wohnzimmer zurück lässt. Noch immer höre ich seine Stimme in meinem Kopf die mir sagt dass seine Eltern nicht mehr leben. Nie hätte ich damit gerechnet und umso härter hat es mich auch getroffen. Ein Haufen Fragezeichen schwirren in meinem Kopf umher und ich hoffe bald mit ihm darüber reden zu können um ein paar dieser Fragezeichen zu beseitigen. Als ich vom Boden aufstehe und mich auf die Couch setze ziehe ich die Knie an die Brust und lege den Kopf darauf. Jetzt wo er nicht hier ist, ist es für mich an der Zeit meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen und die Tränen nicht mehr zurück zu halten. Auch wenn ich seine Eltern nie kannte tut es mir von Herzen leid was mit ihnen passiert ist. Luke tut mir leid, und ich habe das Gefühl ein bisschen mehr Einblick in seinen Kopf bekommen zu haben, um zu verstehen warum er die Person ist, die er heute nun mal ist. 

POSSESSED - Completed -Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt