Aussprache

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Diegos Sicht

'Ich will da nicht rein..sie wirft mich doch sowieso gleich wieder raus'
Wir sind seit drei Tagen hier und meine Mum wurde mitlerweile wieder auf ein normales Zimmer verlegt. Die Not-OP ist gut gelaufen, dann war sie zwei Tage auf der Intensivstation und jetzt ist sie auf der Normal-Station. Mein Vater war schon bei ihr und meine beiden Brüder auch. Ich wollte allein zu ihr. Eigentlich war das nur eine Ausreden, denn ich will da nicht rein. Sie würde mir nur wieder Vorwürfe machen, es sei ja meine Schuld und wegen mir würde sie hier liegen. Es war nicht meine Schuld, sie hatte einen Herzinfarkt meinte mein Dad und sie ist dem Tod nur knapp von der Schippe gesprungen. Es lag bestimmt am Stress. Den ich wieder verursacht habe.
'Schatz, bitte hör auf dich wie ein Kind zu benehmen, sie ist deine Mutter. Sie liebt dich und wird sich freuen dich zu sehen hörst du?' macht meine bezaubernde Freundin mir die Ansage und hält mein Gesicht dabei in ihren Händen.
'Wenn ich dann ein emotionales Wrack bin, dann musst du dir den Schuh anziehen'
'Ich binde ihn mir sogar zu'
'Ha-Ha, wie lustig du wieder drauf bist'
'Und jetzt rein da, sonst schubs ich dich'
Ich gebe ihr noch einen kurzen Kuss und dann betrete ich die Höhle der Löwin.
'Hey' sage ich leise, so dass man es eigentlich gar nicht hören konnte.
'Schön das du da bist' höre ich die sanfte Stimme meiner Mum. Kein Spur von Wut oder Aggressivität.
'Darf ich mich setzen?' frage ich und zeige auf den Stuhl neben ihrem Bett.
'Natürlich, setz dich' antwortet sie sofort. Ich lasse mich auf den Stuhl nieder und greife langsam nach ihrer Hand. Sie ist blass und kalt. Fühlt sich so der Tod an oder das "kurz vor dem Tod"? Was wäre wenn ich sie verloren hätte? Das hätte ich mir nie verziehen. Hätte, hätte, Fahrradkette. Es ist nicht passiert und das ist das Einzige was zählt. Ich muss jetzt alles los werden, also nehm ich meinen Mut zusammen und beginne zu reden.
'Es tut mir leid, ich wollte nicht das du hier liegst und-'
'Schon gut Diego, ich lebe ja noch und-'
Diesmal unterbreche ich sie.
'Ich muss mir jetzt alles von der Seele reden, also bitte hör einfach nur zu, sag nichts'
Sie nickt und ich fange nochmal an.
'Dich hier zu sehen tut mir so unfassbar weh und leid, das musst du mir glauben. In den letzten Monaten..was rede ich da Jahren, ist alles verdammt schiefgelaufen, zwischen uns. Ich hätte nie geahnt das wir uns in einem Krankenhaus aussprechen werden, wenn man das hier eine Aussprache nennen kann. Ich hatte gewettet mit den Jungs das wir uns vor Gericht treffen, wegen irgendeiner dummen Scheiße. Ja so eine Wortwahl hast du mir nie beigebracht, aber ich hab sie mir eben angeignet. Ich bin kein Muster- Sohn und vermutlich sind dir Ruggero und Jorge viel liebe, aber..'
Ich breche ab und sammel meine Emotionen nochmal.
'Ich liebe Mercedes genau wie du, Dad, Rugge und Jorge....wenn nicht sogar ein bisschen mehr. Ich weiß sie war dein Sonnenschein und alles ist aus dem Ruder gelaufen wegen meinen "falschen Kreisen"...aber das ich diesen Unfall mit Absicht baue? Ich konnte nichts dafür, ich schwöre es...es gab Streit wegen Nichtigkeiten, aber ich fahre deshalb doch nicht mit Absicht von der Straße und gefährde das Leben von uns..ich habe mir sogar selbst die Schuld gegeben, lag monatelang heulend im Bett und habe mir gewünscht die Zeit zurückdrehen zu können..es geht nicht und ich weiß das du mich verfluchst und verachtest, aber ich bin auch nur ein Kind was die Liebe seiner Mutter braucht. Ich bitte fast nie um etwas, aber egal wie sehr du mich hasst, bitte lasse mich dich einmal umarmen...wie früher..'
Und da war es wieder. Schon wieder weine ich. Die Tränen fließen und fließen und nichts kann ich dagegen tun. Meine Mutter macht eine einladende Geste und sofort stürze ich mich vorsichtig in ihre Arme.
'Schon gut Diego, alles wird gut' spricht sie beruhigend auf mich ein. Ewigkeiten liegen wir uns in den Armen. Dieses Gefühl von Mutterliebe spüre ich das erste Mal seit Jahren wieder.
'Verzeihst du mir?'
'Was soll ich dir verzeihen? Ich war diejenige, die nicht fair zu dir war'
'Ich liebe dich Mama' flüstere ich und umarme sie nochmal ganz fest...

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