Elea's POV

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Ich hab Graham erschossen.

Ich hab das Richtige getan.

Ich weiß, dass Kyles und Grahams Seele bereits auf dem Weg in neue Körper sind.

Ungeborene Körper.

Mit einem Seufzer lasse ich mich neben den Toten auf die Knie sinken und berühre sie an der kalten Brust. Dabei kann ich hören, wie die fünf Jungs die Tür hinter sich schließen.

Wieso zur Hölle helfe ich ihnen überhaupt?

Warum verpfeife ich sie nicht einfach?

Vielleicht, weil sie mich an eine vergangene Zeit erinnern und ich niemanden den Tod wünsche. Außer vielleicht dem Abschaum der Menschen und das scheinen sie nicht wirklich zu sein.

Sheriff Brooks und Deputy Smith betreten mit gezückten Waffen den Tatort und als sie mich neben Kyle und Graham sehen, atmen sie scharf ein.

„Elea?", ich blicke weinend auf und Sheriff Brooks schaut mich fragend an.

Ich schniefe und schluchze und berichte nahezu panisch, was passiert ist. Dabei lüge ich so wunderbar, dass mir die Beiden die Geschichte auch ohne weiteres abnehmen.

„Es waren drei Männer ... Sie sind durch die Hintertür abgehauen. Sie trugen Masken, ich konnte ihre Gesichter nicht erkennen ... Kyle wollte uns beschützen. Es ...", ich schlage die Hand vor den Mund, schüttle den Kopf und weine wieder los. Deputy Smith nimmt mich tröstend in den Arm, ehe die Sanitäter eintreffen.

Es vergeht eine ganze Stunde und ich werde ins Krankenhaus gebracht, wo ich alles weinend über mich ergehen lasse und eine Zeugenaussage sowie Panthomzeichnung mache.

Gott, ich hätte den Oscar für meine Leistung verdient.

Niemand durchsucht den Laden und niemand findet die fünf Jungs im Keller.

Drei Stunden später bringt mich ein Streifenwagen nach Hause und fährt auf dem Weg nach Hause sowohl an dem Supermarkt als auch an dem Haus der Johnsons vorbei.

Verdammt.

Zu allem Übel warten auch noch Dan und Stacey vor der Tür und die Beiden sehen mehr als fertig aus. Sie bemerken den Wagen und wollen natürlich sofort auf mich losstürmen.

Offensichtlich sind die Beiden zum ersten Mal in ihrem Leben nüchtern.

Warum ausgerechnet jetzt?

Ich habe keine Lust mich mit Kyles Eltern auseinander zu setzen und zum Glück hat Sheriff Brooks zwei Streifenpolizisten vor der Tür der Johnsons abgestellt. Dan und Stacey sind dafür bekannt, Ärger zu machen und sie werden mit Sicherheit jetzt auch Ärger machen wollen.

Als ich aussteige höre ich ihre Schreie die ganze Straße runter, während die Polizisten die Beiden in Schach halten.

Die meisten Nachbarn kommen aus dem Haus und hören sich das Gezeter an, aber ich habe fast abgeschaltet.

Dan und Stacey schreien Beleidigungen und Beschimpfungen zu mir rüber und meine Hand liegt schon auf dem Gatter zu meinem Haus, als Staceys schrille Stimme mich doch kurz innehalten lässt.

„Du hast sie umgebracht, du Miststück. Du hast meine Jungs auf dem Gewissen. Ich bring' dich um!"

Sie hat Recht. Ich hab' Graham getötet, weil es für ihn die bessere Lösung gewesen war.

Diese Entscheidung bereue ich keine Sekunde und ich würde es jeder Zeit wieder tun. Dan und Stacy sind mit Schuld daran, dass ihre beiden Söhne tot sind. Weder Graham noch Kyle hätten ihre Freizeit in einem Supermarkt verbringen sollen, um ihren gewalttätigen Eltern aus dem Weg gehen zu müssen. Es ist ihre Schuld.

Mich zusammenreißend, um nicht wütend zu werden, öffne ich das Gatter und gehe ins Haus.

Als ich die Tür schließe, lehne ich mich gegen das Holz und atmete tief aus, ehe ich mich auf den Boden sinken lasse.

Die Bilder der vergangenen Stunden überfluten mich und ich balle die Fäuste und kralle meine Fingernägel in die Handflächen. Kein Schrei entrinnt meiner Kehle, obwohl er immer noch dort sitzt.

An der Decke in meinem Flur ist ein Spiegel angebracht und als ich hineinsehe, bemerke ich, wie fertig ich aussehe.

Kein allzu schöner Anblick, um ehrlich zu sein.

Aber ich sah auch schon mal schlimmer aus.

Und dann registriere ich zu meiner Überraschung eine Gestalt aus den Augenwinkeln heraus.

Mit einer fließenden Bewegung springe ich auf, greife nach der versteckten Waffe unter der Flurkommode und gehe vorsichtig um die Ecke in die Küche.

„Was zur Hölle tut ihr hier!", ich kann die Wut in meiner Stimme nicht verbergen, doch im Grunde genommen bin ich mehr als überrascht.

Die fünf Jungs stehen in meiner Küche und kochen.

Sie kochen! 

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