Harry's POV

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„Wir brauchen Hilfe. Heather braucht Hilfe!", ich höre Elea rufen und schaue sie dabei an.

Der Blick ihrer blau-grünen Augen ist so kalt und klar wie ich ihn noch nie gesehen habe.

Dieser Typ, der da bewusstlos zu ihren Füßen liegt, hat Angst vor der 21-jährigen.

Er hat Todesangst vor ihr.

Ich hab in meinem gesamten Leben noch keinen Menschen erlebt, der so gewimmert und gefleht hat wie dieser Mann.

Er hat sich sogar eingenässt.

Aber egal, womit Elea ihn zuvor bedroht hat, der Kerl hat es verdient.

Heather ist so übel von ihm zugerichtet worden, dass sie von Glück sagen kann, wenn sie überlebt.

Ich verabscheue Männer, die ihre Frauen schlagen und bin froh, dass es vorbei ist. Sie hat nichts mehr vor ihm zu befürchten. Dabei ist es eigentlich nur Zufall, dass ich mich in dieser Wohnung befinde. Ich hab' Elea in dem Gran Torino gesehen als sie an mir vorbei gerast ist und hab beschlossen ihr zu folgen. Schon von weitem hab ich die Schreie und Rufe gehört und als ich den Wagen auf dem Parkplatz und die ganzen Gaffer gesehen habe, wusste ich, dass Elea in der Wohnung ist.

Ich hab' automatisch gehandelt, dabei hätte sie meine Hilfe wahrscheinlich gar nicht gebraucht.

Jedenfalls sah es nicht danach aus, als ich in das zertrümmerte Apartment gekommen bin.

Die Polizisten verhaften Garry, sie schleifen ihn grob ins Auto und wieder sind sowohl der Bulle, der Interesse an Elea hat, als auch der Sheriff vor Ort. Es ist ein kleines Kaff, in dem wir uns befinden.

Die Sanitäter versorgen Heather noch im Badezimmer und bringen sie und Lauren anschließend aus der Wohnung und ins Krankenhaus.

„Elea, alles in Ordnung? Was ist passiert?", Peter klingt mehr besorgt als misstrauisch. Er hat wirklich ein Faible für sie.

„Heather hat mich angerufen. Sie ist meine Freundin und ich hab ihr geholfen."

„Wir haben ihr geholfen.", werfe ich ein und ergreife Eleas Hand, was sie zulässt. Ich spüre das Zittern ihrer Finger durch die Handschuhe.

Wieso hat sie Handschuhe an?

„Du hast dich Garry in den Weg gestellt? Bist du wahnsinnig geworden?", Peter hebt überrascht die Augenbraue und Elea senkt den Blick. Ihre Stimme klingt gepresst, als sie spricht und ich trete näher an sie heran.

„Er war abgelenkt und ich hab die Chance genutzt."

„Du hast ihn außer Gefecht gesetzt?!", der Sheriff lässt die Frage anerkennend klingen und Elea nickt betreten.

„Das hätte jeder gekonnt."

„Es ist mehr als nobel von dir, dass du versuchst, deiner Freundin zu helfen, aber dafür sind wir da. Das hätte auch böse ausgehen können!"

„Ich weiß. Es tut mir leid, aber ich konnte nicht einfach daneben stehen und nichts tun! Es ist nicht das erste Mal! Er hat sie fast zu Tode geprügelt! Er hat Lauren bedroht. Er ..."

„Okay, okay, schon gut. Es ist ja gut ausgegangen.", Sheriff Brooks hebt die Hände und seufzt, während ich Elea schweigend an mich ziehe und sie in den Arm nehme.

Sie vergräbt den Kopf an meiner Schulter und krallt die Finger förmlich in meine Jacke, doch es ist nicht vor Bestürzung oder Trauer.

Die Bullen nehmen das bestimmt nur an, aber ich weiß, dass sie das vor Zorn und Hass macht. Sie muss sich beherrschen, um nicht laut zu werden oder einen dummen Fehler zu machen, indem sie die Männer verbal oder körperlich angeht.

Deswegen gebe ich ihr Halt und sie lässt es zu.

Sheriff Brooks dreht sich um und verlässt die zertrümmerte Wohnung.

Peter mustert mich eindringlich, während ich meiner ‚Freundin' über den Rücken streiche und sie beruhige.

„Harry, stimmt's?"

Ich nicke schweigend.

„Pass auf sie auf!", es klingt wie eine persönliche Drohung und ich halte Peters Blick finster stand.

„Keine Sorge!"

„Elea.", sie dreht sich zu dem Polizisten um. „Sie und Lauren kommen ins Memorial. Wir haben ihre Mutter verständigt. Garry wird ihnen nichts mehr tun."

Die 21-jährige nickt nur, ehe Peter nach draußen geht und beginnt die Zeugenaussagen aufnimmt. Elea hebt den Kopf und schaut mich an, während ich sie weiterhin in den Armen halte.

„Danke."

„Wofür?"

„Dass du mich aufgehalten hast."

Ich runzle die Stirn über ihre Worte und schweigend löst sie sich aus meiner Umarmung, dreht sich um und tritt hinaus in den Flur. Mir ist nicht mal bewusst, womit ich sie aufgehalten habe, aber ich habe das Gefühl, es ist besser so.

Wer weiß, was passiert wäre, wenn ich nicht da gewesen wäre. 

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