Elea's POV

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Ich jage den Wagen durch die Straßen zur anderen Seite der Stadt und bete, dass ich nicht zu spät bin.

Als ich in der alten Apartmentanlage ankomme, haben sich die Nachbarn bereits auf den Fluren versammelt und ich kann sehen, dass die Tür zu Heathers Wohnung eingetreten ist.

Der Bastard ist bereits drinnen und keiner der Anwesenden eilt der jungen Mutter zu Hilfe.

Verdammte Feiglinge.

Ich springe förmlich aus dem Wagen, der Motor stirbt ab und rase die Treppen hoch. Mehrere Stufen auf einmal.

Natürlich ist die Polizei noch nicht hier.

„Wir haben die Bullen schon angerufen, Elea!"

„Er hat ne Waffe. Geh da nicht rein!", Heathers Nachbar Martin stellt sich mir mutig in den Weg, aber ich schubse ihn grob zur Seite.

„Aus dem Weg, Martin!"

„Er ist gefährlich!"

Der Anblick, der sich mir in der Wohnung bietet, erschreckt mich nicht mal mehr. Ich hab schon zu viele Streitereien gesehen und zu viele Wutanfälle miterlebt. Das ganze Mobiliar ist zertrümmert und zerkleinert.

Aus dem Badezimmer dringt Garrys Geschrei und Laurens Weinen.

Als ich um die Ecke biege, handle ich automatisch.

Der 43-jährige hat Heather schon erreicht. Er hat sie grün und blau geschlagen, weil sie sich nicht gewehrt hat. Stattdessen hat sie Lauren beschützt.

Ihre Mutterinstinkte haben die Überhand gewonnen und ich kann es ihr nicht verübeln.

Wortlos packe ich Garry an den Haaren und er schreit überrascht und schmerzverzerrt auf, während ich ihn von Heather runter ziehe.

Meine Kollegin wimmert und liegt zusammengekrümmt und blutend auf den Fliesen.

„Verfluchte Hure.", Garry tritt nach Heather, ehe er auf seinen Allerwertesten fällt. Diese Frechheit besitzt er in meiner Gegenwart, doch er hat mich ja auch noch nicht gesehen. Vielleicht denkt er, ich wäre einer der Nachbarn.

Zornig zücke ich das Messer und halte es ihm von hinten an die Kehle.

„Hallo Garry."

Meine Stimme klingt nicht mehr nach mir selbst, denn jetzt kommt mein eigener Dämon zum Vorschein. Den Heather's Ex-Freund wohlgemerkt sehr gut kennt.

Garry hält sofort still und ich muss mich zusammenreißen, um ihn nicht auf der Stelle die Kehle aufzuschlitzen.

Er weiß, dass ich es bin.

Jetzt hat er Angst.

Den Ausdruck, genau dieses Gefühl will ich sehen.

Aus den Augenwinkeln heraus bemerke ich eine Gestalt, die die Wohnung betritt und ich erkenne sie.

Wie hat Harry mich gefunden?

Was macht er hier?

Blöderweise kriegt er jetzt alles hautnah mit, doch ich habe keine Zeit, mir darüber Gedanken zu machen. Erst muss ich mich mit dem Bastard beschäftigen, der es gewagt hat, seine Ex-Freundin und Mutter seiner Tochter zu verprügeln.

Nicht zum ersten Mal wohlgemerkt.

Harry stolpert schockiert über die zertrümmerten Möbel an mir vorbei ins Bad, um zu Heather zu kommen.

Vorsichtig hilft er ihr auf und lehnt sie an den Badewannenrand, wobei in der Ferne die Polizei - und Krankenwagensirenen zu hören sind. Es bleibt nicht mehr viel Zeit.

„Es tut mir leid! Es tut mir leid!", Garry fängt an zu flehen, doch ich streiche ihm sacht über die Wange, was ihn sofort zum Schweigen bringt.

Harry wirft mir einen besorgten Blick zu, während ich nur Augen für Heather habe und Garry dabei ihn Schach halte.

Laurens Mutter muss dringend ins Krankenhaus. Sie hat bereits das Bewusstsein verloren und blutet aus zahlreichen Wunden.

„Der Alkohol hat deine Sinne vernebelt, Garry, sonst würdest du dich doch wohl erinnern.", es kommt drohend und kalt über meine Lippen. Mein Dämon lechzt nach Blut und lächelt in sich hinein.

„Es tut mir leid. Ich erinnere mich! Ich erinnere mich. Heather, es tut mir leid! Ich wollte dir keine Angst machen. Ich halte mich von dir und Lauren fern. Ich verspreche es. Ich schwöre es!", einen erwachsenen Mann vor Todesangst wimmern und flehen und betteln zu sehen, entsetzt Harry - das ist deutlich in seinem Gesicht zu erkennen. Zumal er weiß, dass Garry meinetwegen solche Angst hat.

Der Ausdruck in dem Blick des Zwanzigjährigen ist es, der mich innehalten lässt.

Mir wird klar, dass ich meinen Dämon nicht zulassen kann und deswegen halte ich mich zurück. Obwohl es mir unendlich schwer fällt, weil es förmlich in meinen Fingern kribbelt. Vielleicht klingen meine Worte deswegen auch so angewidert.

„Mach' das Geständnis, leg die Beichte ab und bring deine Seele ins Reine. Das ist mehr, als alle vor dir gekriegt haben."

„Nein, bitte nicht. Bitte nicht. Es tut mir ..."

„Nimmst du an!?", ich presse die Frage heraus, weil sie mir nur schwer über die Lippen kommt.

Am liebsten hätte ich ihn gequält, doch ich tue es nicht.

Harry ist hier und er hat Recht: ich darf es nicht.

„Bitte! Bitte, bitte, bitte!"

„Nimmst du an, Garry Hayes!", ich zische es dem schluchzenden Garry zu und spüre, wie er panisch nickt.

Dann lasse ich ihn los, versetze ihm einen harten Hieb auf den Hinterkopf und schmeiße das Messer direkt hinter mich in das chaotische Wohnzimmer.

Es rutscht unter die Möbel zu den Küchensachen.

Im nächsten Moment stürmen vier Polizisten mit gezückten Waffen in die Wohnung. 

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