Gott, ich hab ihn Jonah genannt.
In einem unüberlegten Moment hab ich ihn tatsächlich Jonah genannt.
Kaum habe ich das Wohnzimmer verlassen und bin außer Sichtweite der Jungs, stütze ich mich mit der Hand an der Wand ab, um nicht auf die Knie zu brechen.
Die linke Hand presse ich mir dabei auf den Mund, damit mir kein verräterischer Schluchzer entrinnt.
Jonah.
Ich habe Flashbacks aus der Vergangenheit und ich kann nichts dagegen tun.
Rein gar nichts.
Jonahs Gesicht taucht vor mir auf, die Gesichter der anderen Jungs und Mädchen gesellen sich dazu.
Wir haben alle so viel erlebt.
Keine Ahnung wie es mir gelingt, die Treppen nach oben zu kommen, aber ich schaffe es irgendwie und atemlos erreiche ich mein Zimmer und lehne mich keuchend gegen das glattpolierte Holz.
Mein Blick fällt auf die vielen Zeichnungen.
Auf meine Vergangenheit.
Was bringt es, sie alle an der Wand zu haben, wenn sie mich zu jeder Sekunde meines Lebens begleiten? Diese Bilder sind völlig nutzlos und nur Ballast.
Zayn hat Recht: dieses Haus ist unpersönlich und ich kann es jederzeit verlassen, aber nicht diesen Raum.
Er ist zu persönlich und vor allem ist er Zeitverschwendung.
Ohne lange zu überlegen, reiße ich fast alle Zeichnungen und Fotos von den Wänden, zerknülle sie und stopfe sie in den Papierkorb.
Im Garten hinter dem Haus steht eine Tonne und ich bringe sämtliche Bilder nach unten.
Danach hole ich den Spiritus sowie Streichhölzer aus der Küche und gehe nach draußen.
Die Jungs sind im Wohnzimmer und lassen mich in Ruhe.
Ich verbrenne allein meine aufgemalte Vergangenheit.
Zumindest fast alles davon. Dabei kann ich die Blicke meiner Gäste im Nacken spüren - sie beobachten mich.
Mit verschränkten Armen vor der Brust stehe ich in der Abenddämmerung und sehe zu, wie die Funken in den Himmel steigen.
Wieso bloß fühlt sich mein Herz so schwer an?
Ich bekomme kaum noch Luft und sehe in den Abendhimmel.
Am liebsten wäre ich Einer dieser Funken.
Immer wieder atme ich tief durch, doch es bringt nichts.
Da steckt ein Kloß in meinem Hals und mir entweicht ein Schluchzer, weil ich erneut Jonahs Gesicht vor Augen habe.
Wenn es jemanden gibt, den ich nach all den Jahrhunderten vermisse, dann ist er es.
Sie sind es.
Meine besten Freunde.
Meine Seelenfreunde.
Mir ist egal, ob die Jungs mich sehen oder nicht, ich kann mich nicht länger auf den Beinen halten.
Schluchzend breche ich auf die Knie und vergrabe die Hände in der kalten Erde. Ich brauche Halt verdammt. Ich brauche die Realität bei all diesen Bildern.
„Lass mich nicht wanken, ich bitte dich!"
Langsam beginne ich zu merken, wie mir das atmen leichter fällt, weil ich genau weiß, was Jonah in dieser Situation sagen würde. Was sie alle sagen würden.
„Steh auf, Elea und reiß dich zusammen! Du bist eine Seele, verflucht noch mal. Du bist eine Seele!"
DU LIEST GERADE
Begegnungen
FanfictionSämtliche Epochen der Zeitgeschichte liegen hinter Elea und sie hat es satt. Doch gegen die Wiedergeburt ihrer Seele und das Wissen darum ist sie machtlos. Das Einzige, das sie tun kann ist weiterleben ... immer auf der Suche nach dem Gegenpart für...