Elea's POV

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Der 21-jährige sitzt nachdenklich neben mir, er versucht das Erzählte zu verarbeiten und er wirkt jetzt verloren.

Verloren in den Wirren der Geschichte.

„Es tut mir leid, Liam."

Das Schweigen dehnt sich aus und ich weiß nicht, was ich tun soll, um ihm zu helfen.

Ich hab es bisher noch nie jemanden erzählt und es hat mich einiges an Überwindung gekostet, es überhaupt über die Lippen zu bringen. Sowohl bei Niall als auch bei Liam.

Dass ich es jetzt gleich zwei Leuten gesagt habe, überrascht mich selber wohl am meisten.

Wer hätte je gedacht, dass ich die Wahrheit aussprechen würde?

Aber vielleicht war es einfach an der Zeit.

So fühlt es sich jedenfalls an.

Liam seufzt auf, er rauft sich durch das braune Haar und seufzt erneut.

„Wie viel von dem ist wahr, was du sagst?"

Seine Worte überraschen mich und mit braunen Augen schaut er mich ausdruckslos an.

„Alles."

Aufgebracht springt er auf und geht ans Fenster. Er sieht wütend aus, was ich ihm nicht verübeln kann. Liams Seele ist und war schon immer Realist. Er ist derjenige, der stets alles im Blick behält, der nie den Kopf verliert und sich um alle sorgt und kümmert. Der geborene Anführer.

Seine Stimme erhebt sich, er wird lauter und er wird verzweifelt.

„Wie? Elea, wie? Das kann nicht wahr sein! Es kann einfach nicht wahr sein!"

„Aber das ist es.", ich bleibe leise und er schlägt mit der flachen Hand auf's Fensterbrett, was mich zusammen zucken lässt.

„Liam ...",

„Nein! Das ist nicht wahr!", er will den Raum verlassen, doch ich springe auf und versperre ihm den Weg nach draußen. „Lass mich raus!"

„Du stehst mit beiden Beinen auf dem Boden, Liam!"

Dieser eine Satz lässt ihn zurückweichen und ich weiß, dass es das ist, was ihn wanken lässt. Er hat Angst den Boden unter den Füßen zu verlieren. Deswegen ist er so wütend und aufgebracht und es macht es nicht unbedingt besser, dass ich den Satz weiß, den er sich immer vorzusagen pflegt. „Ich bin nicht verrückt und ich lüge dich nicht an. Ihr alle habt das Glück eure Erinnerungen zu verlieren, wenn ihr wieder geboren werdet. Es ist mein Fluch, mich zu erinnern und es tut mir leid, aber ich sage die Wahrheit. Und du weißt es! Dein Verstand, deine Vergangenheit und diese Gesellschaft lassen den Glauben daran nur nicht zu. Liam, bitte, es ...", meine Stimme bricht.

Liams Augen schimmern, gleich darauf bahnen sich Tränen ihren Weg über seine Wange und im nächsten Moment trete ich auf ihn zu und umarme ihn. Seine Arme legen sich ganz fest um mich, während ich die Umarmung erwidere. Ich spüre seinen Atem in meinem Haar und fühle förmlich seine Verzweiflung.

Sie erschüttert ihn, aber trotzdem bleibt er stark.

Das weiß ich.

Er wird nicht an der Wahrheit zerbrechen.

„Gib' mir Zeit, okay? Ich brauche Zeit."

Ich nicke, lasse ihn los und er verlässt den Raum. 

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