Kapitel 4. ✔️

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Naylas Sicht:

Wieder oben in meinem Zimmer angelangt, setzte ich mich auf mein Bett und starrte wie immer auf die grauenvolle Tapete. Sie wirkte schon fast wie ein paar Blätter Papier, welche man nur an die Wand geklebt hatte und sich nun den Weg nach unten suchten, da der Kleber nicht mehr seinen Zweck erfüllte. Eine Renovierung würde dem Heim sicher mal gut tun.

So verharrte ich ungefähr eine halbe Stunde. Langsam wurde mir bewusst, dass ich sicherlich nicht adoptiert werden würde. Ich hatte die Zeit nun längst nicht mehr im Blick und wandte mich wie gewohnt meinen Gedanken zu. Alles würde so bleiben wie es war. So, wie mein gesamtes Leben bis jetzt verlaufen ist. Ein einsames Mädchen in einer kalten Welt, die nur die schlechten Dinge übrig hatte. Was dachte ich denn nun schon wieder? Ich wollte doch gar kein anderes Leben. Ich kannte kein anderes Leben. Das war die Realität. Mein Leben. Und nichts würde sich je ändern.

Bildete ich es mir nur ein oder hörte ich wirklich dumpfe Geräusche vom Flur aus, die mich an Schritte erinnerten. Sie drohten immer näher zu kommen. Die Geräusche wurden klarer. Wollten sie zu mir? Nein sicher nicht. Sie gingen bestimmt in das Nebenzimmer oder es war nur wieder Kate, die mir stolz berichtete, dass die Männer eine ihrer Lieblinge adoptieren wollten. Beruhigte ich mich gerade selber? Fakt war, wenn ich falsch lag, würden in wenigen Sekunden diese, für mich gruseligen Gestalten, vor mir stehen. Würden sie versuchen mit mir zu reden? Oder versuchen um den Finger zu wickeln, um mich später wieder auszunutzen? Ach ja ich hatte vergessen, dass ja angeblich nur einer der Beiden ein Kind adoptieren wollte. Warum kamen sie dann zu zweit?
Die Geräusche waren nun verstummt und ich konnte Gemurmel vor meiner Zimmertür hören. Aus Angst machte ich mich ganz klein und warf die Bettdecke über mich, sodass mein ganzer Körper bedeckt war. So würde mich keiner sehen können. Wenn ich sie nicht sehen kann, könnten die mich auch nicht sehen. Das war meine Theorie. Ob sie stimmte?Keine Ahnung.

Plötzlich ertönte ein sachtes Klopfen an der schon morschen Zimmertür. Ich rührte mich nicht und gab keinen Ton von mir. Wie gelähmt hockte ich unter der Decke und lugte durch ein kleines Loch meiner Decke. Ja, auch diese war schon so alt, dass der Stoff sich langsam verabschiedete.
Birgitt, die einzige Betreuerin mit einem Herzen, trat ein, gefolgt von diesen seltsamen Männern.

"Nayla, Süße komm raus.", meinte Birgitt liebevoll.

Ich antworte nicht, traute mich nicht einmal zu atmen. Ich wünschte mich an einen Ort, an dem es schön war. Ein Ort den ich nicht kannte und den ich nie kennenlernen würde.

"Ich weiß genau wie du dich fühlst Nayla! Aber die jungen Männer neben mir sind anders, als dein Vater. Sie werden dir nichts antun!", sagte Birgitt nun einfühlsam. "Ich würde nicht zulassen, dass du wieder an die falschen Menschen gerätst. Das verspreche ich dir.", ergänzte sie nun fast flehend.

Ich dachte nach, noch immer herrschte eine angsteinflößende Stille im Raum. Ich sagte nichts, die Männer sagten nichts und Birgitt wartete auf ein Wort von mir. Mein Wunsch zu einem anderen Ort zu fliehen, war geplatzt. Diese Fantasien existierten ohnehin nur in meinem Kopf. Es gab keinen Ausweg. Irgendwann musste ich mein Versteck verlassen. Ich zerriss mir den Kopf und entschied mich letztendlich doch dafür die Decke von mir herunter zu ziehen. Mein Blick galt sofort dem weißen Bettlaken. Niemandem würde ich ohne Aufforderungen einfach in das Gesicht schauen. So wurde es mir beigebracht.

Auf einmal kam einer der beiden Männer auf mich zugelaufen. Was sollte denn das nun? Verschreckt rutschte ich ans andere Ende des Bettes. Tränen der Verzweiflung und Angst bahnten sich den Weg über meine zarten Wangen. Was wollte er denn nun v0n mir und wieso hielt Birgitt ihn nicht aus? Abstand haltend blieb der Fremde nun doch vor dem Bett stehen und ich spürte seinen stechenden Blick auf mir. Er sollte einfach weggehen und mich in Ruhe lassen. Ein Schluchzer entwich mir, welchen ich vergeblich versucht hatte zurückzuhalten.

"Hey Mäuschen, ich bin Chris.", sprach nun plötzlich der Fremde in einem lieben Ton.

Ich bekam panische Angst und legte meinen Kopf in meine Hände. Ich wollte niemanden sehen und allein bleiben. Sie sollten mich doch bloß alle in Ruhe lassen!
"Bitte bitte tu mir nicht weh!", weinte ich aus Verzweiflung. Mein ganzer Körper bebte.

Chris kam nun weiter auf mich zu und legte seinen Zeigefinger unter mein Kinn, welches er leicht anhob. In diesem Moment hatte ich ungeheure Angst. Todesangst. Würde er mich nun schlagen? Ich war schon auf das Schlimmste gefasst und kniff deshalb meine Augen so sehr zu, wie es nur irgendwie möglich war, doch der Schmerz blieb aus.

"Ich würde dir niemals etwas antun Mäuschen.", meinte Chris versichernd.
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Sorry ,ich konnte nicht bis morgen warten und musste es schon jetzt posten😂
Es ist etwas länger geworden als die anderen.
Ich hoffe es hat euch gefallen 😊

Vertrauen oder Angst ?     Ehrlich Brothers FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt