Kapitel 10. ✔️

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Naylas Sicht:

Das sonst so kalte und unnahbare Zimmer, in dem ich meine bisherige Zeit mit Ausnahmen verbracht hatte, erstrahlte zum ersten Mal in einer wärmeren Atmosphäre. Man konnte es nicht genau beschreiben, aber es war ein anderes Gefühl. Ich verspürte keinerlei Angst, obwohl sich in unmittelbarer Nähe ein Mann befand, den ich nicht einschätzen konnte. Ein Moment der mir zuvor nicht bekannt war.
Ich saß ruhig auf dem alten Bett mit der harten Matratze und blickte scheu hinunter zu Andreas, der mich aufmerksam anschaute. Keiner sagte ein Wort und trotzdem war die Stille angenehm. Solche Situationen waren besonders, denn sie kamen so gut wie nie vor.

"Auch wenn du Chris noch nicht lange kennst, kann ich dir versprechen, dass er dich immer in jeder Lebenslage mit Respekt behandeln wird, den du verdienst!" Es war nur ein Hauchen, welches von Andreas ausging, jedoch verstand ich jedes einzelne Wort.
"Er wird dich nicht schlagen. Niemals wird er dir weh tun. Ich kenne meinen Bruder seit ich denken kann, weshalb ich dir das ehrlich sagen kann. Versuch ihm zu vertrauen, Kleine.", fügte er leise hinzu und stand vorsichtig vom hölzernen Boden auf.

Leider wusste ich nicht was ich dazu sagen sollte und schaute ausweichend zur Seite. Zu sagen, dass ich ihm glauben könnte, war zu viel verlangt. Ich kannte die Beiden nicht, wusste theoretisch fast nur ihre Namen. Ich musst erst einmal alles verarbeiten und der Sache Zeit geben.

"So, wollen wir dann mal anfangen deine Sachen zu packen?" Mit dieser Frage riss mich Andreas vollends aus meinen Gedanken.

"Ja, aber ich habe noch nicht Zähne geputzt!", meinte ich daraufhin schüchtern. Ich fühlte mich eklig wenn ich meine Zähne nicht gründlich putzte. Außerdem hatte ich höllische Angst vor dem Zahnarzt, naja eigentlich vor allen Ärzten.

"Ist doch kein Problem, du gehst dir deine Zähnchen putzen und ich packe schon mal alles zusammen.", erwiderte er daraufhin freundlich und lächelte mich an.
Kurzerhand nickte ich ihm zu und verschwand geradewegs in den Waschraum.

Andreas' Sicht:

Nachdem Nayla das Zimmer verlassen hatte, schaute ich mich nach Dingen um, die wir mitnehmen könnten. Sofort fand ich einen alten, silbernen Rollkoffer und stellte ihn in die Mitte des Zimmers, sodass ich dort alles hineinpacken konnte. Daraufhin schaute ich in einen kleinen, sehr spärlich bestückten Kleiderschrank. Dort fand ich jedoch lediglich ein T-Shirt und eine zerfetzte Jeans. Außerdem Socken und ein Unterhemd mit Unterhose. Ich krauste die Stirn. Das war wirklich alles was sie besaß? Ich schaute in jede kleinste Ecke des Zimmers, doch Fehlanzeige. Genau an diesem Zeitpunkt wurde einem nochmals bewusst, wie gut es mir ging. Fast schon zu gut. Ich schüttelte meinen Kopf um die Gedanken zu verdrängen.

Nachdem ich die paar Kleidungsstücke im Koffer verstaut hatte, fiel mir plötzlich doch etwas ins Auge, was ich zuvor nicht wahrgenommen zu haben schien. Eine kleine goldene Schatulle. Sie war nicht größer als meine Handfläche, wie ich bemerkte, als ich sie mit größter Vorsicht aus dem Schrank nahm.
Langsam und mit Bedacht drehte ich sie zwischen meinen Fingern und betrachtete sie neugierig. Was dort wohl drin sein würde? Es war sicherlich nicht richtig sie zu öffnen, jedoch tat ich es kurzerhand trotzdem.
Eine zierliche Goldkette kam zum Vorschein, an der ein Herzchenanhänger angebracht war. Ganz klein konnte man eine Inschrift erahnen. Behutsam nahm ich die Kette aus dem Kästchen und beäugte auch diese. Nun konnte man genau erkennen, was dort geschrieben stand: Nayla! Bitte vergiss mich nicht.~In Liebe, deine Mami

Es trieb mir fast die Tränen in die Augen, da ich sofort an unseren verstorbenen Vater erinnert wurde. Ich musste hart schlucken. Mein Bruder und ich besaßen seitdem auch jeweils eine Kette, die uns unseren Papa in irgendeiner Weise zurückbrachten. Wenn wir sie trugen, hatten wir das Gefühl, dass uns nie etwas zustoßen könnte. Wir wurden beschützt, egal was passierte.

Nachdem ich die Kette gerade wieder zurück legen wollte, stach mir auf einmal ein klein gefalteter Zettel ins Auge, der zusätzlich in der Schatulle gelegen hatte. Auch dieser war feinsäuberlich in einer geschwungenen Handschrift beschrieben.
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Und das war schon Kapitel 10!
Über Feedback würde ich mich wie immer sehr freuen, genauso wie über ein Sternchen😊💛

Vertrauen oder Angst ?     Ehrlich Brothers FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt