Kapitel 12

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Am nächsten Morgen weckte mich wieder mein Wecker, ich schwang mich aus dem Bett und schlurfte in die Küche. Dort trank ich wieder mein Wasser mit der Tablette, bevor ich wieder laufen ging.

Ich joggte anderthalb Stunden, bevor ich wieder in der Wohnung ankam und unter die Dusche sprang. Anschließend frühstückte ich mein Joghurt. Als Simon in die Küche kam, wünschte er mir einen guten Morgen, was ich aber lediglich mit einem Nicken beantwortete. Er seufzte und setzte sich neben mich.

Glücklicherweise versuchte er nicht, ein Gespräch aufzubauen, sodass einfach Stille herrschte. Als ich fertig war, packte ich schon einmal ein paar meiner Sachen zusammen, die ich heute Abend mitnehmen musste, dann schnappte ich mir mein Tanzzeug, winkte meinem Vater noch einmal zu und verschwand dann aus der Tür.

In der Academy war ich eine Viertelstunde zu früh, also machte ich einfach irgendwelche Musik an und begann, mich dazu zu bewegen. Als ich am Ende des Stückes angekommen war, hörte ich hinter mir ein Klatschen.

In der Tür standen Michelle, Alice und, zu meiner Überraschung, auch Eleanor. Sie lächelten mich freundlich an, aber ich schaute weg. Ich wollte kein Lächeln sehen, wenn ich selber so schlecht gelaunt war, wie schon lange nicht mehr.

„Was ist los?", fragte Michelle besorgt. Da war schon wieder diese Sorge. Wieso sorgten sich auf einmal alle um mich?

„Nichts, hab nur einen schlechten Tag.", sagte ich knapp. Das war das erste, was ich heute gesagt hatte. Sie fragten nicht weiter nach, sondern wir fingen an uns aufzuwärmen, während Eleanor uns dabei etwas neidisch zusah.

Wir tanzten den ganzen Tag lang, was meine Laune wenigstens etwas hob. Trotzdem schlich sich den ganzen Tag nicht einmal ein klitzekleines Lächeln auf mein Gesicht, ich guckte immer noch alle so kalt an, die sich mir näherten. Außerdem gab ich Michelle die CD mit den Liedern, wofür sie sich überschwänglich bedankte.

Als wir die Academy nachmittags verließen, erwarteten uns schon fünf Jungs im Eingangsbereich. Eleanor lief auf einen von ihnen zu und küsste ihn. Michelle und Alice begrüßten die fünf vergnügt, nur ich sah sie kalt an.

Sie hatten mehr von mir gesehen, als ich irgendjemandem zeigen wollte. Liam kam auf mich zu und fragte mich, ob alles in Ordnung sei.

„Sehe ich so aus?", fragte ich giftig, sodass er zurückschreckte. Ich ging in Richtung Tür, rief noch ein kurzes „Bis Samstag!" über meine Schulter und verließ das Gebäude. Ich wusste, das sie alle  mir komisch hinterher guckten, vor allem Liams enttäuschten Blick konnte ich mir gut vorstellen.

Ich ging so schnell es ging nach Hause. Ich packte meine restlichen Sachen, als Simon kam. Wir verabschiedeten uns voneinander und ich verließ die Wohnung wieder.

„Pass auf dich auf!", rief er mir noch hinterher, aber ich ignorierte es. Ich konnte auf mich selbst aufpassen, das hatte ich jahrelang getan. Ich brauchte niemanden.

Ich fuhr mit einem Taxi zum Flughafen, wo ich ausstieg und zu meinem Flugzeug lief. Ich musste nicht mehr lange warten, bis ich einsteigen konnte und das Flugzeug endlich abhob. Endlich war ich weg von hier.

Aber... so schlecht war es hier in London doch gar nicht. Ich hatte Menschen, die sich um mich sorgten. Aber war diese Sorge überhaupt echt gewesen?

Ja.

Wieso sonst hätte sie solche Gefühle in mir wecken können?

Die Stewardess gab mir das Wasser, was ich bestellt hatte. Ich sah der Tablette dabei zu, wie sie sich auflöste.

Es war meine Schuld. Es war meine Schuld, dass sich alle Sorgen machten. Wenn ich in London bin, machen sich Mama und Liv Sorgen, wenn ich in Hamburg bin mein Vater und die anderen. Es war eine Zwickmühle, ich wollte nicht, dass sich irgendjemand Sorgen um mich machte, ich war es nicht wert.

Andererseits wünschte ich mir sehnlichst Menschen, die für mich da waren und denen ich alles anvertrauen könnte. Was sollte ich nur machen?

Wieder wurden meine Gedanken durch die Lautsprecher gestört, die verkündeten, dass wir bald landen würden. Ich freute mich darauf, meine Familie zu sehen. Ich wollte, dass diese Vorfreude die Überhand in meinem Gefühlschaos nahm, nicht die Verzweiflung. Ich seufzte.

Mit einem Ruckeln setzte das Flugzeug auf dem Boden auf. Ich war wieder in Deutschland. Wie in Trance verließ ich das Flugzeug, ich hatte nicht einmal ein aufgesetztes Lächeln für die Stewardessen übrig.

Ich lief zu dem Kofferband, nahm meinen Koffer, als er vorbeifuhr, und verließ den Flughafen. Ich bestellte mir einTaxi, das mich zu dem Mietshaus fuhr, in dem die Wohnung meiner Mutter war. Ich sah, dass das Licht in der Küche noch an war, wahrscheinlich saßen die beiden dort und warteten auf mich.

Ich zögerte kurz, schloss dann aber die Haustür auf und betrat das nach Alkohol und Rauch stinkende Treppenhaus. Ich stieg die Treppen hoch. Ich nahm mit zitternden Händen den Schlüssel, steckte ihn ins Schlüsselloch und drehte ihn herum. Die Tür öffnete sich und eine Sekunde später hatte ich ein Kind am Hals hängen.

Ich war zuhause.

Gotta be you [One Direction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt