Kapitel 4 🎈

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Mam und Julia begleiten mich ins Krankenhaus. Sie hat das genauso beunruhigt wie mich.

Ein Pfleger bringt uns bis vor die Tür eines Büros, folgt uns aber nicht hinein. Die Tür ist beschriftet mit Dr. Carter. Der Arzt der mich angerufen hat. Jetzt werde ich bald erfahren, was mit mir los ist. Warum schwitze ich denn so? So schlimm kann es gar nicht sein. Ich lebe gesund.

Wir setzen uns Dr. Carter gegenüber. Er versucht mir alles ganz genau zu erklären, doch je mehr er redet, desto weniger verstehe ich die Welt. Das hört sich alles nicht real an: "Wir haben ihr Blut ganz genau untersucht und es tut mir wirklich schrecklich leid Ihnen mitteilen zu müssen, dass sie Leukämie haben. Wir müssen noch ein paar Tests machen um herauszufinden, ob wir ihn bekämpfen können. Aber ich bin zuversichtlich, wir haben ihn zum Glück früh entdeckt."

Leukämie? Ich? Das kann nicht sein. Nein. Ich kann keine Bluterkrankung haben. Erst recht kein Blutkrebs. Ich bin Taylor Claywell. Ich bin nie Krank, verabscheue Raucher, ernähre mich gesund und vor allem bin ich erst 18! Mit 18 kriegt man keinen Krebs!

Nein!

Nein! Nein! Nein! Nein!

Ich habe keinen Krebs!

Und ich werde jetzt auch nicht anfangen zu heulen. Schliesslich habe ich keinen Krebs. Ich bin kern gesund. Das muss eine Fehldiagnose sein.

ICH.HABE.KEINEN.KREBS! PUNKT. FERTIG. AUS!

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"Bei dir alles in Ordnung? Bist du dir sicher, dass du wieder gesund bist?", fragt mich Ben am nächsten Morgen als er mich abholt. Ich bin immer noch geschockt von gestern, aber davon muss er ja nichts wissen. Er würde sich nur unnötig Sorgen machen.

Ich kann es mir genau vorstellen. In wenigen Minuten wüsste es jeder und dann würde mich jeder wie ein Baby behandeln, dass vielleicht nicht einmal mehr selber ein Stift halten kann. Mir geht es gut.

Und obwohl Dr. Carter mir Medikamente mitgegeben hat, ist es noch nicht klar, das die Diagnose richtig ist. Und bis sich die Diagnose bestätigt hat werde ich keines von denen schlucken. Gesunde Menschen nehmen keine Medikamente. Wieso auch? Gesünder kann man gar nicht werden.

"Der Tag gestern war furchtbar. Ich musste die ganze Zeit an dich denken.", meint er. Irgendwie ist das süss, andererseits war mein Tag nicht viel besser. Aber davon muss er ja eben nichts wissen.

Das ist das erste mal, dass ich ihn anlüge. Ich fühle mich schrecklich, aber ich bin mir sicher, dass ich das richtige tue. Es ist das richtige. Da bin ich mir sicher. Oder?

Nein. Es ist das richtige.

Und jetzt lächeln. Wenn alles in Ordnung ist, lächle ich sonst auch immer. Ich muss mich zusammenreissen.

"Geht es dir wirklich wieder besser?", fragt mich Ben jetzt schon zum vierten mal. Schnell ein falsches Lachen ins Gesicht: "Ja. Natürlich. Alles wie sonst." Hoffentlich fragt er jetzt nicht mehr nach. Ich habe keinen Bock mehr auf das.

Doch es wird noch schlimmer. Kaum sind wir ausgestiegen, beginnt das ganze Theater wieder von vorne. Layla, Leon, Conner, Kira und Annabelle behandeln mich jetzt schon wie eine Totkranke. Warum können die mich nicht in Ruhe lassen mit diesem Thema?

"Ist euer Leben so furchtbar ohne mich? Ich war doch nur einen Tag weg und jetzt verhaltet ihr euch alle so, als ob ich sterben werde."

"Tut mir leid. Aber wenn dir wirklich mal was zustossen würde, wüsste ich nicht mehr weiter.", liebevoll sieht mir Layla mit ihren Teddybären Knopfaugen in die Augen. Und genau deshalb erzähle ich ihnen nicht, was der Arzt gesagt habe. Und genau deshalb ist es das richtige!

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