Kapitel 39 🎈

109 8 0
                                    

Layla steht mir behutsam zur Seite. Aber ich kann nicht in Bens Augen blicken. Noch nicht einmal in Leons. Ich setze nochmals an: „Ich habe..."

Ein Auto fährt an den Strassenrand und drückt auf die Hupe. Hinter dem Steuer sitzt mein Dad: „Da seit ihr ja. Wir haben uns schon Sorgen gemacht. Kommt springt rein, ich bringe euch nach Hause!"

So endet also unsere Diskussion. Aber ich möchte nicht schlafen gehen, wenn ich mit Ben verkracht bin. Der einzige Ausweg wäre ihm die Wahrheit zu sagen, was ich nicht kann. Auch wenn viele immer sagen, ich sei stark und tapfer. Das stimmt nicht. Ich bin ein Weichei. Ein Schwächling. Ein Looser. Ich kann ja noch nicht einmal meinem Freund sagen, dass ich krank bin!

Die ganze Fahrt über redet niemand ein Wort. Dad lädt einem nach dem andern aus und Ben verabschiedet sich noch nicht einmal von mir. Habe ich diese kalte Schulter wirklich verdient?

Auch das ganze Wochenende warte ich nur darauf, dass er mich anruft oder eine SMS sendet. Doch nichts. Auch am Montag morgen als er mich abholen kommen sollte. Nichts. Er ist noch nicht einmal aufgetaucht. Er hat mich einfach stehen lassen. Mein Dad musste mich fahren weshalb ich fast zuspät kam.

Und in der Freistunde lief er an mir vorbei ohne mich anzusehen. Als würde er mich nicht kennen.

Ich hätte ihn niemals belügen dürfen.

„Siehst du jetzt, was ich gemeint habe?"

Erschrocken zucke ich zusammen, als ich eine Stimme hinter mir höre. Ich habe mich so auf Ben konzentriert, der ein paar Meter weiter steht, dass ich nichts anderes mitbekam. Schnell drehe ich mich zu Parker um: „Was willst du?"

„Die Frage ist doch eher, was du jetzt machen willst? Du hast die Wahrheit verschwiegen und jetzt hassen dich alle. Wenn du jetzt zu ihnen gehen würdest und behaupten würdest, dass du todeskrank bist und nicht zerstritten sterben willst, werden sie dich auslachen. Weil das wäre ein echt erbärmlicher Versuch wieder Frieden zu stiften.", er verschränkt seine muskulösen Arme vor seiner Brust. Denkt er, er sei Jesus oder was tut er so besserwisserisch?

Ist er nicht! Und soweit war ich auch schon mit meinen Gedanken. Aber er sagt mir nicht, was ich nun machen soll. Das weiss er dann wieder nicht. Ist ja wieder typisch.

„Weisst du was?", er macht erneut seine blöde Klappe auf: „Vergiss ihn einfach. Das Leben ist zu kurz um irgendwelchen Menschen hinterher zu trauern. Sieh mich an. Ich interessiere mich für kein Schwein und mir geht es gut. Ich brauche mir keine Gedanken zu machen, dass ich morgen eine heulende Truppe hinterlasse. Vermutlich würde noch nicht einmal jemad zu meiner Beerdigung kommen und mir ist das egal. Ich kann sowieso nichts mehr spüren wenn ich tot bin."

„Wie kannst du so was sagen? Hast du kein Herz?", schockiert reagiere ich auf seine Aussage. Ich möchte nicht alleine sterben. Tut mir echt leid wenn ich ein Herz habe und Menschen brauche die ich liebe.

Er stützt eine Hand auf meiner Schulter ab: „Wir machen es so. Heute nach der Schule steigst du in mein Auto ein und nicht in das von Ben oder sonst wem und ich zeige dir ein Leben welches nicht in einem fettigen Donutshop oder einem Pflegeheim stattfindet."

„Wieso sollte ich das tun?", misstrauisch versuche ich seinem Blick zu wiederstehen.

„Hast du was besseres vor?"

Ben will mich wahrscheinlich sowieso nicht sehen und wenn er mit der Clique abhängt, habe ich keine andere Option. Anstatt mich alleine in mein Zimmer zu verkriechen und zu weinen habe ich nichts los. Und das sagt auch mein Blick. Denn darauf meint Parker noch: „Also, wir sehen uns um 3!"

„Geht nicht, ich habe bis 4 Unterricht.", entgegne ich ihm, worauf sich ein riesen Grinsen in seinem Gesicht ausbreitet: „Habe ich gesagt, dass du den ganzen Unterricht besuchen musst?"

Er verschwindet wieder und grinst um die Wette: „Wir sehen uns, Mayday!"

Aber auf gar keinen Fall werde ich den Unterricht schwenzen. Ich möchte meinen Rekord behalten mit den wenigsten Fehlstunden. Und nachdem ich einen Tag krank war habe ich es schon riskiert.

Aber ich werde nicht Schwenzen!

Also gehe ich gemütlich in die letzte Stunde und nehme meinen Platz ein. Die Stunde beginnt. Um mich abzulenken versuche ich alles mitzuschreiben und mich voll und ganz auf den Unterricht zu konzentrieren. Doch schon nach einer Viertelstunde klopft es an der Tür, bei welcher Parker dahinter steht: „Tut mir schrecklich leid, aber ich muss dringend Taylor für den Rest des Unterrichtes entschuldigen. Es ist wichtig.", er starrt unseren Lehrer mit einem du-weisst-schon-weswegen-Blick an und er lässt mich gehen.

Wieso tut er sowas?

Will der mich verarschen?

Wieso lässt er mich gehen? Lehrer machen das doch normalerweise nicht.

Lass mich raten. Der Krebs-Joker?

Ich packe meine Sachen zusammen und stopfe alles in meine Tasche. Ich fasse es immer noch nicht.

„Hast du etwa unser Date vergessen?", meint er auch schon als wir das Schulgelände verlassen. Worüber ich nicht lachen kann: „Erstens, wir haben kein Date und werden vermutlich auch nie eines haben und zweitens was fällt dir ein mich aus dem Unterricht zu entführen?"

„Na-na-aah, nicht entführen, entschuldigen. Du wirst keine Absenz deswegen kriegen, versprochen."

„Und wenn schon. Also, was machen wir?"

Er grinst mich wieder an. Hat der Tumor etwas in seinem Hirn beschädigt oder wieso ist er so komisch? Er fordert mich auf einzusteigen und ich gehorche. Habe ja nichts zu verlieren. Aber etwas mulmig ist mir schon bei dieser ganzen Sache.

CancerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt