Kapitel 74 🎈

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„Und wieso verfolgen wir den da?", fragt Ben, als er an den Rand parkt und das Licht löscht. Bisher hat Jo uns auch noch nicht bemerkt, oder nicht gecheckt, dass wir ihn verfogen. Aber Ben sollte ich trotzdem mal aufklären. Wenn auch nur ein bisschen: „Das da vorn ist Jo. Ich möchte nur sicherstellen, dass er keine Dummheiten macht."

„Du meinst, eine Dummheit wie jemanden stalken?", hinterfragt er mich und so fühle ich mich auch gleich wieder angesprochen: „Wir stalken niemanden! Es ist eher wie ein... spiel! Ich tu was für ihn, er dann wieder für mich, dann ich wieder für ihn und so weiter. Jetzt ist er dran mir einen Gefallen zu tun."

„Und das wäre?"

Verlegen zucke ich mit den Schultern: „Mir zu erlauben, ihn zu verfolgen..."

„Wir verfolgen ihn also doch!", skeptisch guckt er mich an. Er versteht das nicht. Er kann es gar nicht verstehen: „Nur so in einer Art davon. Pass jetzt aber auf! Er biegt wieder ab. Da vorn sind doch die Docks? Weit kann er also nicht mehr gehen. Fahr doch noch bis da und packier hinter dem Container, danach gehe ich zu Fuss weiter!"

Und das tut er auch, nur etwas habe ich in meinem Plan nicht mitein gerechnet: „Was tust du da?"

„Ich begleite dich. Denkst du etwa ich lasse dich alleine um diese Uhrzeit an die Docks?", fürsorglich sieht er mich an und steigt dann ebenfalls aus seinem Auto. Ich sage nichts mehr, so fühle ich mich auch irgendwie wohler. Es ist tatsächlich unheimlich hier.

Jo entdecken wir weiter unten auf einem Steg, wir verstecken uns hinter einem kleineren Container und beobachten, wie er mit jemandem redet. Schade können wir nichts hören. Es scheint interessant zu klingen. Aber erst richtig interessant wird es erst, als Jo die kleine Schatulle hervor zieht.

Der andere Typ reisst sie schnell an sich und öffnet sie. Der Unbekannte lässt seine weissen Zähne zeigen, als er den Inhalt anlächelt.

„Was tun die da?", fragt Ben ganz leise und ich wünschte, ich könnte ihm antworten, doch ich weiss selber nicht was da abgeht: „Verstehst du jetzt, wieso wir ihn verfolgen mussten?"

„Und woher wusstest du das?"

„Ich habe es geahnt."

„Und was ist in dieser Schachtel?", fragt Ben weiter wie ein kleines neugieriges Kind. Ich bin ja auch neugierig, aber das ist noch lange kein Grund dafür jemand mit genauso wenig Ahnung mit Fragen zu löchern. Ich hätte meine Chance nutzen sollen, als ich sie noch hatte da hineinzusehen.

Und wieso muss es eigentlich schon dunkel sein? Da kann man ja gar nichts sehen!

„Du kannst sie auch nicht hören, oder?"

„Ben! Halt jetzt endlich mal deine Klappe!", ich kann sein gebrabbel jetzt gerade wirklich nicht mehr hören. Ich wollte wirklich nicht aggressiv werden, aber er sollte eigentlich gar nicht hier sein. Es ist meine Sache. Also eigentlich sind es Jo's Angelegenheiten in die ich mich einmische, aber er ist nun mal mein Bruder, auch wenn noch nicht sehr lange.

Aber jetzt haben wir ein Problem. Auch wenn wir sie nicht hören konnten, konnten sie uns hören: „Hallo? Ist da jemand?"

Boden? Bitte öffne dich! Was tun wir den jetzt? Wir machen uns so klein wie ich mich auch gerade fühle und halte meinen Atem an.

Bitte bitte. Sie dürfen uns nicht finden.

Zu spät. Ein Mann mit einem buschigen Bart tritt von hinten hervor und packt mich am Oberarm: „Was habt ihr denn hier zu suchen, He?"

„Aua! Sie tun mir weh!", schreie ich aus Reflex und Ben stellt sich ebenfalls auf und brüllt den grossen Mann an: „Lassen Sie sie sofort los!"

Doch dann zückt er eine Waffe und richtet sie auf Ben: „Und wer bist du, dass du meinst so mit mir reden zu dürfen?"

Er drückt mir aller Kraft meinen Arm zusammen und stellt dabei fast mein Blut ab. Das ist ja noch schlimmer als beim ersten mal Blutdruck messen. Da dachte ich auch fast, dass ich meinen Arm verlieren würde. Nur stehen jetzt und hier die Chancen um einiges höher.

„Bitte, wir haben nichts getan.", flehe ich den Typen an. Er soll mich verdammt noch mal los lassen. Ben getraut sich auch nichts mehr zu sagen. Auch besser, ein falsches Wort und er ist tot. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn ihm was zustössen würde.

Da ruft der andere Mann, der mit dem Jo gesprochen hat: „Bring sie hier her!" und das tut er auch. Mich schleipft er an meinen dünnen Arm hinter sich her und Ben bedroht er mit seiner Waffe.

Durch eine kleine Träne in meinem Auge kann ich Jo's besorgten Blick erkennen. Ich verstehe jetzt, dass ich ihm nicht hätte folgen dürfen und wieso ihm die Schatulle so viel bedeutet hat.

Diese Männer sind gefährlich!

„Was habt ihr gesehen?", fragt der angebliche Anführer. Und mit gehobenen Händen und einer Waffe im Rücken antwortet Ben: „Nichts! Wirklich, wir haben nichts gesehen. Wir dachten, wir wären alleine hier."

Der Anführer tritt näher an ihn ran: „Wie viel Wert hat dir dein Leben?"

Ben gibt ihm keine Antwort, er hält seinem Blick stand. Doch als der böse Man zu mir rüber sieht und die Frage etwas abgeändert wiederholt, muss auch Ben schlucken: „Und wie viel Wert ist dir ihr Leben?"

Wie in solchen typischen Horrorfilmen beginnt auch er zu lachen in diesem bösartigen Ton. Wie ich sollches Lachen verabscheue.

Ohne Worte zu benutzen kann ich verstehen, was Jo mir sagen will: „Was zum Teufel tust du hier? Du hast hier nichts zu suchen! Ich habe dir doch gesagt, halte dich aus meinem Leben raus."

Und jetzt begreife ich so einiges. Obwohl mir das eigentlich schon lange klar war.

Er ist und bleibt Kriminell.

Wenn auch mit einem weichen Kern und einem Herz welches tief unter seiner harten Brust schlägt.

„Weisst du was, töte sie alle drei!", lacht der eine Typ und lässt uns allein mit dem Typ mit der Waffe und hartem Handgriff auf dem Steg stehen. Aber ich möchte nicht sterben und noch weniger möchte ich, dass einer der beiden Jungs hier stirbt. Ich meine, ich werde sowieso früher sterben als eigentlich geplant, aber wie traurig wäre es denn ermordet zu werden bevor man publik machen kann das man Leukämie hat?

Das geht mir alles zu schnell!

Und schon werde ich auf den Boden geworfen und als Schutzschild anvisiert: „Du, Schätzchen, wirst die erste sein!"

CancerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt