Kapitel 80 🎈

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„Ich machs! Mein Talent sollte gehört werden, obwohl sich jetzt sicher niemand mehr getraut gegen mich anzutreten.", sagt Laurel sofort und wirft dabei ihre Haare zurück. Geht es noch überzeugender? Und nach dieser Ansprache meldet sich natürlich niemand. Wer möchte schon mit oder gegen Laurel singen? Ganz sicher keiner. Hören ist was anderes. Da wären wahrscheinlich Nadia und Miss Monroe begeistert. Alle anderen würden sich noch nicht einmal für das interessieren.

Aber dann erinnere ich mich an Laylas Worte von vorher: „Ich muss mehr Risiken eingehen."

Nicht, dass das ein grosses Risiko wäre, denn zu verlieren habe ich sowieso nichts, aber es würde mein Leben aufregender gestalten. Okay, Aufregung habe ich auch schon genug, aber Normalität fehlt mir. Also hebe ich meine Hand: „Ich würde es machen!"

Alle Augenpaare in diesem Raum richten sich auf mich. Einige fragen sich, ob ich verrückt bin oder sind einfach nur froh, müssen sie nicht singen. Aber jeder hat sein Gedanke über mich und meine Handlung in diesem Augenblick. Doch die Ignoriere ich und gehe zu Miss Monroe und Laurel nach vorne.

„Sehr gut. Ausgezeichnet. Jetzt brauchen wir nur noch einen Song den ihr singen könnt. Annie, nenn uns irgendeinen Song den die beiden singen können!", fordert Miss Monroe die süsse unscheinbare Annie auf, die leise und schüchtern sagt: „Keine Ahnung, vielleicht Stitches von Shawn Mendes?"

„Tolle Wahl. Stitches soll es also sein. Simon, setz dich bitte an den Flügel. Dann mal los! Ich möchte die Stiche fühlen können. Die Anderen bitte ich um Ruhe!", sie klatscht in die Hände und Simon setzt sich an das Piano. Dann mal los.

Laurel und ich bekommen beide noch ein Mikrofon in die Hände gedrückt. Alle sind ruhig, dann erklingen die ersten Töne des Klaviers.

So lieb wie ich bin, lasse ich Laurel den Vortritt und lasse sie zuerst singen. Eines muss ich aber zugeben, sie singt textsicher und gut. Aber dieses Lied kenne ich auch sehr gut, ich habe das eine Zeit lang rauf und runter gehört. Den Text sollte ich noch können.

Und den kann ich auch. Sobald Laurel mir das Wort überlässt, singe ich fast so gut wie sie weiter. Leider kann ich mich selber schlecht einschätzen, wie gut es klingt wenn ich singe. Aber noch hält niemand die Ohren zu, also singe ich weiter.

Bis der Song zuende ist und alle klatschen. Nicht so übertrieben, als wenn gerade Shawn Mendes persönlich gesungen hätten, aber auch nicht so desinteressiert wie nach einem Vortrag in der Schule. Also bin ich zufrieden.

Ich lege das Mikrofon wieder weg und gehe zurück zu meinen Freunden, doch Laurel tut es mir nicht gleich, sondern macht ihr Mund auf: „Hab ich jetzt gewonnen? Ich war doch um einiges besser!"

„Laurel, das war kein Wettbewerb. Ihr habt das aber beide sehr gut gemacht! Bin stolz auf euch.", meint Miss Monroe und fordert Laurel daraufhin auch wieder auf sich zu uns zu stellen. Doch sie bleibt sie: „Aber ich war besser?"

„Laurel, ihr wart beide sehr gut. Es hat niemand besser und auch keine schlechter gesungen als die andere."

„Das sagen sie doch nur, um Taylors Gefühle nicht zu verletzen!", meint Laurel um ihren Stolz zu bewahren, doch in Wahrheit macht sie sich nur lächerlich. Soll sie doch sagen, dass sie besser war, sie hat ja schliesslich auch besser gesungen: „Weisst du was Laurel, wenn es dir so wichtig ist, dann herzlichen Glückwunsch, der Sieg gehört dir.", beende ich diese Überflüssige Diskussion und links und rechts hört endlich auch das Augenrollen auf. Wenn das die einzige Möglichkeit ist, dass sie endlich Ruhe gibt, von mir aus.

„Das sagst du jetzt auch nur um wieder als Gute da zu stehen. Die perfekte kleine Taylor ist ja so toll.", ich habe keine Ahnung was mit dieser Frau nicht stimmt, aber ich bin kurz davor ihr meine Meinung zu geigen: „Perfekt? Definiere doch mal perfekt! Denn, wenn du denkst, mein Leben sei perfekt, dann täuschst du dich. Ich wette mit dir, du würdest es keinen Tag in meinem Leben aushalten." Okay, ich gebe zu, meine Freunde sind die besten die man nur haben kann und das scheint schon an Perfekt. Meine Familie ebenfalls. Aber nur schon die Tatsache das ich Leukämie habe und erst gerade noch meinen Bruder verloren habe reicht schon aus um loszuheulen.

Layla legt von hinten eine Hand auf meine Schulter: „Taylor, beruhig dich. Sie ist es nicht wert um dich recht zu fertigen."

Da muss ich Layla auch wieder Recht geben. Sie ist der einzige Mensch der mich besser kennt als jeder andere und genau weiss was in mir vorgeht. Deswegen weiss sie auch, was mir am besten tut und so ist sie auch die beste Beraterin die ich nur haben kann. Weshalb ich auch auf sie höre.

Ich beende die Probe und gehe hoch in mein Zimmer, packe ein paar Sachen zusammen und verschwinde wieder nach draussen. Dieses Motel ist wirklich nicht mein Fall, ich bin Froh so wenig Zeit wie nur möglich dadrinnen verbringen zu müssen.

„Taylor, warte!", ruft eine bekannte Stimme hinter mir, doch ich bleibe nicht stehen.

„Wo willst du hin?", ruft eine andere.

Ich weiss genau wer hinter mir steht, genauso gut ich weiss, dass sie zu dritt hinter mir stehen  und das ohne mich umzudrehen. Wenn Layla und Ben mir schon hinterher rufen, wird Leon nicht allzuweit sein: „Ich brauche frische Luft. Ihr könnt mich ja begleiten.", schlage ich den drei vor. Sie legen einen kleinen Sprint hin und treten neben mich: „Vergiss Laurel einfach so schnell du kannst. Sie ist eine Idiotin."

„Danke, Ben, für diesen Ratschlag, aber das habe ich schon. Sowieso, sie ist es nicht wert mein Leben noch mehr zu vermiesen, wenn es doch so viele tolle Dinge gibt, die mich glücklich machen."

„Das nenne ich eine Weisheit. Aus welchem Glückskeks stammt den das?", fragt mich Leon lachend. Hab doch gesagt, er ist nicht weit. „Kein Glückskeks, alles von mir.", strahle ich. Und seit langem fühle ich mich wieder einmal nicht ganz so mies. Was Layla auch hinterfragt, es ist noch nicht einmal 15 Minuten her habe ich Laurel erklären müssen, wie scheisse mein Leben ist: „Geht es dir auch wirklich gut? Du machst mir irgendwie Angst mit deiner guten Laune..."

Doch ich lache: „Keine Sorge, mir geht es wirklich gut. Das Leben ist zu kurz um traurig zu sein. Ich habe schon viel zu viele Tränen vergossen, jetzt ist es wieder mal Zeit zu strahlen. Also, was stellen wir an?"

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