Kapitel 41 🎈

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„Parker, lass mich sofort los!", schimpfe ich den Verrückten vor mir an der mich an meinem Arm weiter in das Dorf zieht: „Ich meine es ernst! Ich möchte nach Hause."

„Aber das hier musst du sehen.", zielstrebig hält er kurs und scheint sich nicht davon abzuhalten.

Warum um alles in der Welt musste ich in sein Auto steigen?

Er zieht mich direkt in einen kleinen Märt hinein bei dem etwas mehr Menschen sind als vorher und so verlangsamt er auch sein Tempo. Hält aber mein Arm immer noch fest: „Irgendwo in New York oder San Francisco oder sonst wo, keine Ahnung, Punkt ist, dort gab es mal einem Mann, der Karrottensaft verkaufte..."

„Und wieso erzählst du mir das? So aussergewöhnlich ist das nicht.", unterbreche ich ihn, doch er geht nicht darauf ein. Er redet einfach weiter: „... Er behauptete, dieser Karrottensaft würde Krebs heilen. Eine Krebskranke Journalistin hat auch darüber berichtet. Der Mann selbst hatte auch Krebs und er sagte, ob jetzt der Saft hilft oder nicht, er verbindet die Menschen. Er selber starb, aber die Journalistin lebt immer noch und trinkt täglich ein Glas Karrottensaft."

Jetzt bleibt er stehen und ich bemerke, dass wir vor einem Stand stehen der Karrottensaft verkauft. Aber er glaubt dieses Märchen doch nicht wirklich. Er bestellt zwei Bächer voll und überreicht mir einer davon: „Irgendwann sterben alle Menschen."

Er stosst mit meinem Becher an und trinkt einen Schluck. Misstrauisch tue ich es ihm gleich: „Päh, dass schmeckt ja ekelhaft!"

„Ja, einfach gresslich. Hoffen wir mal, es nützt.", er lacht mich an und für einen kurzen Moment musste ich auch lächeln. Hätte ich nicht erwartet. Und mit unseren Säften in den Händen zieht er mich weiter durch den Märt, der immer orientalischer wird. Die Verkäufer schreien durch die Gegend und erhoffen so, Kundschaft anzulocken. Aber bei dem was die verkaufen hilft alles nichts. Und ich habe Angst davor, wenn ich mit jemandem Blickkontakt aufnehme, dass die mich dann volllabern und nie mehr wieder gehen lassen.

Irgendwann kommen wir am Ende an, unsere Säfte immer noch fast gefüllt und in unserem Gespräch total vertieft.

„Nein, wirklich, dass kannst du dir nicht vorstellen. Sie haben so reagiert."

„Aber das ist doch herzlos?"

„Was denkst du dann, wie ich so geworden bin.", er erzählt lachend von seinen Eltern, die meiner Meinung nach richtig schlechte Eltern sind. Im Gegensatz zu meinen: „Es ist für mich nur unvorstellbar. Meine Eltern sind ganz anders. Mein Dad kam sogar extra vom Krieg zurück als ich ihm geschrieben habe, dass ich krank bin. Und meine Mam hat mich jeden einzelnen Tag meines Lebens begleitet. Sie war täglich für mich da. Kannst du dich überhaupt noch erinnern, wann du sie das letzte mal gesehen hast?"

„Warte, dass war... ähm...", er kratzt sich am Kopf: „Es war glaube ich an einem Mittwoch. Nein, falsch, es war Donnerstag. Irgendwann vor drei Monaten."

Wie kann er nur darüber lachen? „Vermisst du sie nicht?"

„Nee, ich bin mich daran gewöhnt. Wenn ich Geld brauche überweisen sie mir wieder ein paar hundert das sie längere Zeit wieder Ruhe haben. Ich habe ein riesen Haus für mich alleine, eine Haushälterin, einen riesen Pool..."

Ich könnte das nicht. Er beeindrucke mich. Das wusste ich alles nicht. Er lebt so anders als ich es mir ausgemalt habe: „Hast du Lust mal auf ein gemütliches Abendessen mit einer tollen Familie? Du bist herzlich bei uns zuhause willkommen."

Beschämt sieht er zu Boden, dann zu mir: „Dein Ernst?"

„Jaa, meiner Mam macht es sicher nichts aus für einen Menschen mehr zu kochen, daran ist sie sich gewöhnt, ich bringe ab und zu Leute mit."

„Ich denke darüber nach."

„Es wäre wirklich schön."

So beschämt habe ich ihn noch nie erläbt. Er ist so nett. Wieso konnten wir das nicht früher schon begreifen? Wir spatzieren durch den Wald ohne ein Ziel. Also, ich kenne kein Ziel, er anscheinend schon. Denn plötzlich stehen wir an einem Seeufer und die Aussicht ist einfach nur atemberaubend. Der See hat ein klares blaues Wasser und nur wenige Enten treiben darauf herum. Es ist wunderschön. "Woher kennst du diesen Ort überhaupt?"

Er atmet ein. Das wird wohl eine längere Geschichte: „Kurzfassung? Ich hatte wieder einmal Krach mit meinen Eltern und bin von zuhause abgehauen. Dann bin ich hier gelandet. Geschichte beendet. Ich könnte einen Roman darüber schreiben, findest du nicht auch?"

„Eher eine Kurzgeschichte. Das waren noch nicht einmal 20 Wörter."

Wir beginnen zu lachen. Ich wiederhole mich gern. Ich bereue alles was ich über Parker gesagt habe. Ich bin froh das ich in sein Auto gestiegen bin.

Wir bleiben noch lange hier am See auf einem Bänkchen sitzen, bis es dann doch zu kalt wird. Wir versprechen uns im Sommer wieder hier her zu kommen um dann eventuell noch in denn See zu springen. Wir kommen erst zuhause an, als es bereits dunkel ist, was kein Wunder ist in dieser Jahreszeit. Jedenfalls lässt er mich direkt vor der Haustür raus.

Es dauert nicht lange nachdem ich hinein trete, steht Julia vor mir: „Wer war das? Hast du dich wieder mit Ben versöhnt? Erzähl mir sofort was in deinem Leben los ist!"

„Macht es dir was aus, wenn ich zuerst meine Schuhe und Jacke ausziehe?"

„Nicht, wenn du gleichzeitig erzählst."

Das letzte Mal als sie so interessiert an meinem Leben war, war als ihre Lieblinsserie fertig gedreht wurde und sie nichts mehr zum suchten hatte. Also vermute ich hier das selbe: „Hast du wieder deine Serie fertig?"

„Ja und es fühlt sich an, als hätte ich einen guten Freund verloren. Du must mich ablenken und das was gerade los ist könnte sogar klappen.", sie ist ein typischer Serienjunkie. Aber ich liebe sie: „Komm später in mein Zimmer, okay?"

„Okay, ich breite unterdessen Tee und heisse Schokolade vor und hole das Eis aus dem Gefrierschrank.", schnell verschwindet sie wieder wie sie aufgetaucht ist. Da kann ich nur den Kopf schütteln.

Ich gehe hoch in mein Zimmer und lasse mich auf mein Bett sinken.

Was ist heute passiert?

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