Kapitel 17 🎈

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Gestern gab es ein riesen Festmahl zu ehren Daddys Rückkehr. Mam und Julia haben ihn genauso vermisst wie ich ihn vermisst habe.

Wir redeten Stunden lang bis ich von einer Sekunde auf die nächste eingeschlafen bin und mein Dad mich nach oben tragen musste. Das schönste an diesem Abend war aber, dass wir nicht nur über Leukämie geredet haben, sondern auch über sein Leben wie auch über Julia und Mam. Wir haben die letzten Jahre zusammen gefasst und sind noch lange nicht fertig.

So schnell kann er nicht wieder verschwinden, er ist noch nicht auf dem richtigen Stand der Dinge.

Der nächste Morgen kam wieder viel schneller als gedacht und alle fragten mich über mein Dad aus. Sie wussten, dass er in Irak war, aber interessanter war eher, wieso er nicht mehr dort ist.

Mehrmals musste ich immer wieder sagen, dass er Urlaub bekommen hat und uns jetzt besucht. Er aber nicht weiss, wenn er wieder zurück muss und ich deswegen so viel Zeit wie nur möglich mit ihm verbringen muss. Auf irgendeine Art uns Weise ist das ja auch wahr, oder? An jeder Lüge steckt ein Fünkchen Wahrheit. Ich hätte auch was ganz anderes behaupten können, doch das entspricht am meisten der Wahrheit. Ich muss nur darauf achten, dass ich immer bei der selben Version bleibe. Aber langsam werde ich wirklich gut im Lügen.

Kann man das lernen? Ich hätte das nie von mir gedacht. Früher dachte ich noch, ich kann gar nicht lügen. Wie falsch ich da lag.

Der Rest des Schultages verlief ganz normal. Es passierte nichts aussergewöhnliches. Kira und Annabelle sprachen von Parker. Layla wich so gut es geht Leon aus. Und ich genoss die vielen Küsse von Ben.

Nach der Probe holten mich meine Eltern ab um gemeinsam zur Klinik zu fahren. Daddy will unbedingt Dr. Carter kennenlernen.

Toll.

Während Dr. Carter mir eine Nadel in meinen Arm rammt und ich mich zusammen reissen muss nicht in Ohnmacht zu fliegen, schwetzen die beiden lieben Herren fachmännisch über mich und meine Krankheit. Sie benützen Wörter die nur Ärzte verstehen können. Alles was ich verstehe sind Pronomen und so. Einen Zusammenhang sehe ich nicht.

Aber ich darf jetzt nicht schon bei dieser kleinen Spritze sterben. Tief ein und ausatmen.

Ich werde mich wahrscheinlich nie an diese dünne Nadel gewöhnen, die in meinen Körper eindringt.

Zum Glück ist Mam da um meine Hand zu halten.

Dr. Carter zieht sie wieder raus. Ich beisse mir auf die Unterlippe. Bald habe ich die Schmerzen hinter mir.

Ich wollte den Krebs nicht, deshalb werde ich ihn auch nie als einen Teil von mir sehen. Er ist wie ein ekelhafter Pickel der nicht verschwinden will und ich nicht los werde. Er bereitet mir Schmerzen und macht das Leben schwer. Leukämie ist wie ein blöder Pickel! Nur schlimmer.

"Das wars! Bei einem kleinen Spaziergang über die Station kann ich euch noch erklären, wie wir jetzt weiter vorgehen.", meint Dr. Carter. Das einzige was mir dazu einfällt ist: "Sie meinen Wohl mit meinem Vater. Ihr versteht euch ja so gut und genießt es, euch mit jemandem auszutauschen der nicht so dumm ist wie ich."

Ich ernte nicht identifizierbare Blicke, was bedeutet: Ich habe meine Gedanken laut ausgesprochen. Mist. Zum Glück sagt niemand mehr was dazu. Das heisst ich habe recht. Doch tatsächlich, auf dem Rundgang über der Station benützen beide Wörter, die ich teilweise auch verstehe. Es hat also was gebracht.

Aber sie haben sich ihre Chance vertan. Ich trotte ihnen hinterher und sehe mich um und verliere mich in meinen Gedanken.

Hier ist nicht viel Liebe.

Alle Menschen die ich hier sehe sind Deprimiert oder dabei ihre Tränen zu trocknen. Hier gibt es viele Patienten, denen es viel schlechter geht als mir.

Irgendwann halten sie an und ich laufe fast in sie hinein. Zum Glück konnte ich mich noch rechtzeitig stoppen. Sie reden immer noch und ich höre immer noch nicht zu. Das einzige was ich höre ist ein Mädchen, welches erstaunlicherweise lacht. Und es kling wunderschön.

Es kommt aus dem Zimmer bei dem wir stehen geblieben sind. Die Tür steht offen, ich sehe aber niemand.

Das nenne ich Respekt. Auf so einer Station zu lachen verdient seinen Respekt.

Was ich auch noch höre ist eine Stimme. Sie scheint einem jungen Mann zu gehören. Er hat sie ein bisschen verstellt und schwafelt sinnloses Zeug, weshalb das Mädchen auch so lacht.

Auch der Mann verdient seinen Respekt.

Ich würde gerne die Gesichter sehen.

Gott hat meine Gebete erhört. Ich höre wie der Mann aufsteht und das Mädchen packt. Nehme ich an, denn das Mädchen beginnt zu schreien und ein paar Sachen fliegen zu Boden.

Dieser Mix aus Schreien, lachen und den Monstergeräuschen bringen mich ebenfalls zum schmunzeln.

Er trägt sie im ganzen Raum herum und dreht sie im Kreis und so konnte ich ein Blick auf die beiden erhaschen. Das Mädchen hat lange braune Zöpfe und der Junge...

Diese zerzausten braunen Haare und dieser Muskulöse Körper kenne ich. Im Krankenhaus hätte ich sie aber nicht erwartet. Ich muss hier weg bevor er mich sieht: "So, ich danke ihnen Dr. Carter, aber wir müssen jetzt leider wieder weiter. Ich habe meinen Vater schon zulange nicht mehr gesehen und möchte gern die Zeit an einem, tut mir leid wenn ich das jetzt sage, aber an einem schöneren und fröhlicheren Ort nach holen. Trotzdem danke. Los, gehen wir!", schneide ich ihm das Wort ab.

Ich muss hier weg.

Hoffentlich hat er mich noch nicht gesehen.

Alle sehen mich fragend an. Vermutlich fragen sie sich, was jetzt wieder nicht mit mir stimmt. Meine Mutter findet als erste die Sprache wieder. Sie fasst mir an die Stirn und fragt: "Geht es dir nicht gut? Dr. Carter ist gleich hier wenn es dir nicht gut geht."

"Nein! Diese Station macht mich krank. Ich möchte nur noch weg hier.", sage ich. Warum verstehen die mich denn nicht?

Da wendet sich mein Vater ein: "Dir ist schon klar, dass du dann einen ganzen Monat hier bleiben musst während der Chemo? Da darfst du nicht einmal frische Luft schnappen gehen."

Ja das ist mir klar, aber soweit ist es noch nicht. Und dann wird er dann auch nicht mehr hier sein und es wird alles gleich viel angenehmer und sympathischer. Das können sie gar nicht verstehen. Dennoch respektieren sie meine Meinung und wir verschwinden.

Es hat auch ein paar Vorteile erkrankt zu sein, man bekommt fast alles was man will.

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Wie gefällt es euch bisher? Und was denkt ihr wer der gut aussehende Typ ist, der mit dem Mädchen gespielt hat? 🙈

Noch einen wunderschönen Heiligen Abend, bis zum nächsten mal 💕

CancerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt