17.Kapitel

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Ich atmete tief durch und ließ mich auf die Bank fallen. Den Stau auf der Stadtautobahn und die Autofahrt hatte ich überlebt. Ich liebte meinen Vater wirklich, aber ich hatte heute das Gefühl, er wollte den Weltrekord im Schrittgeschwindigkeitfahren brechen. Als er dann noch ewig beim Einparken gebraucht hatte, war ich kurz davor ihn aus dem Auto zu werfen und selber einzuparken. Auf dem Flughafen mussten wir erst einmal ewig bei der Gepäckabgabe warten. Jetzt hatten wir auch die Sicherheitskontrolle hinter uns und warteten nur noch auf das Boarding. Meine Brüder grinsten wie zwei Honigkuchenpferde als sie sich neben mich pflanzten. Auf meiner Stirn hatten sich die ersten Schweißperlen gebildet. Heute war der erste Tag mit hochsommerlichen Temperaturen und ich war angezogen als wollte ich zu einer Arktisexpedition. Ich pellte mich erst einmal aus meiner Strickjacke und schob die Ärmel von meinem Shirt hoch.
„Sis, ist das da Angstschweiß auf deiner Stirn, weil du mit dem BVB Flieger fliegen musst oder weil du wie ein Inuit im tiefsten Winter gekleidet bist?", lachte mich Alex an. Ich riss meine Augen auf. Mit dem Inuit hatte er ja Recht, aber was meinte er mit BVB Flieger? Jetzt lachte Felix los und zeigte zu den großen Fenstern. Ich sprang auf und rannte zu der Scheibe. Ungläubig schaute ich auf das Flugfeld. Dort stand wirklich der Mannschaftsairbus vom BVB und sollte uns nach Düsseldorf bringen.
„Dein Gesichtsausdruck ist zu geil.", grunzte Felix lachend, während Alex sich auf die Schenkel klopfte „Jetzt hat sie Angst darin in Flammen aufzugehen , unsere Hertha-Maus."
Ja, die beiden konnten gut lachen, Fußball interessierte sie null Komma nichts. Nein, die beiden Herren waren lieber im Schwimmsport aktiv und auch ziemlich erfolgreich, was bei ihrer Länge ja auch kein Wunder war. Die bekam ich ja nicht einmal mit Freikarten ins Olympiastadion zu einem Spiel, höchstens mit VIP Karten und dann waren sie auch nur am Fressen und guckten das Spiel überhaupt nicht. Manchmal fragte ich mich wirklich, was bei ihnen in der Genetik schief gelaufen war. Wir waren alle in unserer Familie Herthafans und Fußball stand über allem, außer bei den beiden. Ich rollte mit den Augen.
„Das kann doch nicht wahr sein. Ich steige nicht in dieses Flugzeug. Das ist doch eine Zumutung. Ich will einen anderen Flieger. Dafür müsste man ja Schmerzensgeld bekommen. Ich kann diese Doofmunder nicht leiden.", wetterte ich rum. Meine Brüder schauten mich an und kriegten sich kaum noch ein.
Trotz all meines Frustes hatten wir einen guten Flug, auch wenn ich mich nicht sonderlich wohl in diesem schwarzgelben Bruchflieger fühlte. Alleine bei dem Gedanken, dass da dieser prollige Zwerg, also Biene Maja, und seine Kumpanies drin gesessen hatten, führte bei mir zu leichtem Würgreiz. Ich musste wieder an meinen Ausflug mit Jasmin nach Dortmund denken. Plötzlich schoss mir wieder dieser rotblonde Typ durch den Kopf. Was für ein Idiot.
In Düsseldorf gelandet suchten wir erst einmal unser Anschlussgate.
„Franzi willst du dir hier nicht noch etwas dünneres zum Anziehen kaufen? Du ertrinkst ja bald in deiner eigenen Schweißpfütze.", meinte Alex und Felix stieg gleich mit ein „Du siehst echt scheiße aus. Deine Haare hängen wie klitschnasse Spaghettis um dein knallrotes Gesicht."
Ach, meine Bruderherzen waren doch zu charmant, kein Wunder, dass sie keine Freundinnen hatten. Das war doch wirklich das, was eine Frau hören wollte. Aber sie hatten ja recht.
„ Ja, ich gehe da vorne schnell etwas kaufen.", knurrte ich. Ein Blick auf die Uhr sagte mit, dass nicht mehr sehr viel Zeit bis zum Boarding war. Also Schnelleinkauf. Ich ließ meinen Blick durch den Laden fliegen und traute meinen Augen nicht. Da hingen wirklich Hertha-Trikots. Sehr schön. Das Oberteil wäre also schon einmal geklärt. Okay und da war noch ein Jeansminirock. Auch gut. Ich ging zur Kasse und bezahlt beides.
„Könnten sie bitte die Preisschilder abschneiden?", bat ich die Verkäuferin. „Ach soll wohl ein Geschenk werden. Soll ich es in Geschenkpapier verpacken?", fragte sie freundlich.
„Ne, passt schon. Ich möchte das gleich anziehen."
Sie blickte mich völlig schockiert an. Okay, es war jetzt nicht gerade Haute Couture, aber so schlimm war es nun auch wieder nicht. Ich verließ schnaubend den Laden und lief zur nächsten Toilette, um mich umzuziehen. Na klasse, scheinbar mussten sämtlich Frauen im Terminal ihre Blase entleeren. Ich stellte mich also artig an und schaute auf die Uhr. Scheiße, nur noch 10 Minuten bis zum Boarding. Konnten die Omis vor mir nicht einmal ein bisschen schneller ihre Schlüpfer hoch und runter ziehen? Ist ja kein Wunder, dass der Sex im Alter nachlässt. Bis Omi den Schlüpper unten hat, ist Opi ja schon weggeknickt. Bei dem Gedanken musste ich kichern, was mir gleich ein paar böse Blicke von den Omis einbrachte. Boah, nun macht doch mal hinne, ich muss noch meinen Flieger bekommen. Endlich kam ich in eine Toilettenkabine und schälte mich schnell aus meinen Sachen. Das war gar nicht so einfach in diesem engen Ding. Ich mochte gar nicht wissen, was die da draußen dachten, immer wenn ich irgendwo gegen polterte. Als ich endlich die Kabine verließ, blickten mich einige ungläubig oder aber strafend an. Ja gut sorry, hatte jetzt auch etwas bei mir gedauert. Schnell noch die Haare durchgebürstet und fertig. Der Blick in den Spiegel bestätigte mir, dass ich wieder einigermaßen zivilisiert aussah, auch wenn mein Kleidungsstyl etwas außergewöhnlich war. Mit einem breiten Grinsen verließ ich die Toilette. Als ich „Wir bitten die Passagiere Franziska Schuhmacher, Alexander Schuhmacher und Felix Schuhmacher sich umgehend zum Gate 72 zu begeben." hörte.
Na, toll jetzt waren wir auch noch die letzten. Ich liebte es durch die Sitzreihen zu laufen und die ganzen empörten Blicke zu kassieren. Ich sah schon meine Brüder am Gate stehen, wie sie von einen auf den anderen Fuß hampelten. Als sie mich sahen, fingen sie zu grinsen an.
„Wow, da wird ja jeder Modeguru neidisch.", feixte Felix und Alex prustete „Das ist bestimmt der absolute Trend für die nächste Saison." los.
Man musste die beiden Affen doch lieben, sonst würde man ihnen den Hals umdrehen. Wir marschierten also durch die Abfertigung in das Flugzeug. So musste sich der Gang nach Canossa angefühlt haben. Ich schaute einfach nach unten, dieser Fußbodenbelag war einfach wirklich faszinierend. Während meine total schmerzfreien Brüder erhobenen Hauptes vor mir schritten als würden sie die Geburtstagsparade der Queen abnehmen. Es fehlte nur noch, dass sie allen die Hand hinhielten und mit ihnen einschlugen. Ich hatte dagegen das Gefühl, als würden sich die Blicke in meinen Rücken brennen. Eine leichte Gänsehaut bildete sich an meinem ganzen Körper.

Ein Schuss zwei Treffer  ✔Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt