63. Kapitel

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Heute war unser Abreisetag. Die Jungs und ich hatten in der letzten Woche auf Ibiza noch ordentlich die Korken knallen lassen. Es war eine Menge Alkohol durch meine Adern geflossen. Ich weiß, dass das nicht sehr intelligent war, so kurz vor Saisonbeginn. Spätestens beim Laktat-Test würde ich es richtig bereuen, aber nur so hatte ich es geschafft nachts Schlaf zu finden und nicht die ganze Zeit durch das Zimmer zu tigern. Germaine war zwar wie gewünscht abgereist und hatte mich auch in Ruhe gelassen und Murat hatte mir bereits geschrieben, dass er alle Nummern und vor allem auch die für mich wichtigste retten konnte, aber ehrlich gesagt ging es mir trotzdem ziemlich scheiße. Ich sah Franzi ziemlich oft und beobachtete sie heimlich. Immer war Marcel in ihrer Nähe und sie gingen sehr vertraut miteinander um. Es machte mich echt fertig und ich vermisste sie heftig. Ich hatte oft überlegt sie um ein Gespräch zu bitten, dann aber immer im letzten Moment aus Schiss den Schwanz eingezogen und es doch nicht gemacht. Auf dem Weg zu unserem Terminal traf mich fast der Schlag, denn dort saß Franzi mit Marcel. Gerade legte er seinen Arm um sie und flüsterte ihr Turteleien ins Ohr. Wollten die mir extra weh tun? Und das sollte ich jetzt den ganzen Flug durchhalten. Ich versuchte mit meinem Blick Marcel zu zeigen, wie sehr ich ihn dafür verachtete. Naja ehrlich gesagt, hätte ich ihn am liebsten mit meinem Blick erdolcht. Ich konnte Franzi einfach nicht aus den Augen lassen und starrte sie an als sie sich auf einmal panisch umsah. Was war denn mit ihr los? Sie stürzte an mir vorbei und zu dem Papierkorb, der gleich neben mir stand. Und schon hing sie mit ihrem Kopf darüber und reierte was das Zeug hielt. Als sie fertig war, stand sie mit hochrotem Kopf da. Ich wusste genau, dass sie sich in diesem Moment in Grund und Boden schämte. Am liebsten hätte ich sie jetzt in den Arm genommen und beruhigt. Genau in dem Moment traf ihr Blick mich und sie grinste leicht, bevor sie in Begleitung von Jasmin auf die Toilette verschwand.
„Ay Woody, du hast ja eine geile Ausstrahlung auf deine Ex. Die hat dir ja fast auf die Schuhe gekotzt.“, gröhlte Erik, während Jule mit ihm einschlug und „Ist doch auch mal eine klare Meinungsäußerung.“ dazu beisteuerte. „Boah Jungs, ihr seid ja mal wieder mega lustig. Und Roman, hast du auch noch etwas dazu beizutragen.“, gab ich total angepisst von mir. Echte Idioten. „Naja, wenn du so fragst. Die Schlagzeile in der Bild Frauen finden Marco Reus zum Kotzen, hätte schon etwas.“, kam es wie immer verzögert von dem besonders schnellen Schweizer. Ich machte mir hier Sorgen um Franzi und die hatten nichts anderes als blöde Sprüche im Kopf.
Im Flugzeug bekam ich dann den nächsten Schlag als sie zwischen Marcel und Robin saß. Als ich zur Toilette ging, sah ich wie sie an Marcel gekuschelt schlief. Bei diesem Anblick zog sich alles in mir zusammen, während Marcel mich schadenfroh angrinste. Ich musste nachher unbedingt versuchen Franzi abzufangen und kurz mit ihr zu reden. Es war meine letzte Chance bevor sie wieder nach Berlin verschwand und ich sie vielleicht nie wieder sehen würde. Diesmal durfte ich nicht wieder den Schwanz einziehen. Ich konnte sie nicht einfach aufgeben. Ich musste wenigsten versuchen ihr meine Situation zu erklären. Vielleicht konnte sie mich dann ja wenigstens ein bisschen verstehen und hasste mich nicht total und gab uns auch noch einmal eine Chance. Ich sehnte die Landung herbei. Plötzlich musste ich doch grinsen. Das war fast wie auf dem Hinflug. Da wollte ich auch unbedingt Franzi ansprechen. Na hoffentlich war ich heute erfolgreicher. Ich durfte auf keinen Fall wieder einschlafen. Aber die Gefahr bestand eher nicht, so wie mein Herz vor Nervosität und Angst raste. Die ganze Zeit überlegte ich wie ich es am besten anstellen sollte. Mein Hirn verweigerte total die Arbeit. Stattdessen schielte ich immer wieder zu dem Sitz von Franzi. Sie schlief die ganze Zeit. In mir kroch leichte Wut hoch und mein Herz zog sich zusammen. Marcel hatte sie wahrscheinlich keine Nacht schlafen lassen. Er hatte nicht umsonst den Spitznamen Lovemachine. Es ist ein Wunder, dass sie noch laufen und sitzen konnte. Mir kam die Galle hoch. Ich glaube, ich musste auch gleich kotzen, wenn ich diesen Gedanken und diese Bilder nicht aus meinem Kopf bekam. Als wir endlich gelandet waren, kam es wie es kommen musste. Wir vier wurden erkannt und mussten erst einmal ein paar Fanpics machen. Als wir fertig waren, war Franzi wie vom Erdboden verschluckt. Verfluchter Mist. Was sollte ich denn jetzt machen. Ich schaute an der Tafel, wo der Flug nach Berlin ging und lief schnell zu dem Gate. Von weitem sah ich wie sich gerade Jasmin und Robin von ihr verabschiedeten. Als Marcel sie in den Arm zog, war ich kurz vorm explodieren. Ich war bereits ganz dicht bei ihnen ohne das sie mich bemerkt hatten. Scheinbar nahmen sie nichts um sich wahr. Ich hörte sogar wie er ihr „Ich werde dich vermissen, meine Kleine.“, zu raunte bevor er ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn drückte. Mein Herz zog sich zusammen. Sie war meine Kleine und nicht seine. Das lief hier gewaltig schief. Ohne zu überlegen, rempelte ich die beiden einfach an. Franzi schaute mich wütend an. Und ich drehte mich zu ihr um. Alle meine Gefühle fuhren gerade Achterbahn in mir. Ich schaute ihr in die Augen und hoffte wenigstens noch ein wenig Zuneigung für mich dort zu finden. Ich nahm all‘ meinen Mut zusammen.
„Franzi, bitte lasse uns noch einmal reden.“, gab ich unsicher von mir. Franzi schüttelte einfach nur den Kopf und sagte gar nichts. Mir musste jetzt etwas einfallen. Ich konnte sie nicht einfach so gehen lassen. „Franzi, bitte.“, flehte ich. Auf einmal wurde Franzi ganz blass und rannte zur Toilette.
„Was hast du Scheißkerl mit ihr angestellt, dass es ihr so schlecht geht?“, fuhr ich Marcel an.
„Ich habe sie nicht so kacke behandelt wie du. Vielleicht sollten wir uns lieber darüber unterhalten, was du mit ihr angestellt hast. Dachtest du wirklich sie kommt da so leicht darüber hinweg von dir verarscht worden zu sein?“, meckerte dieser zurück.
„Ich habe sie nicht verarscht. Man ich liebe sie, du Wichser.“, sprudelte es nur so aus mir heraus.
„Das ich nicht lache. Und deshalb hast du ihr auch nichts von diesem scheiß Vertrag gesagt. Hu, das muss ja wirklich die große Liebe sein. Ich habe dich oft genug gewarnt. Aber der große Herr Reus dachte ja wieder ihm gehört die ganze Welt und alles geht so wie der Herr es gerne möchte. Ihm steht ja alles zu. Geld und die Frau für’s Leben. Hast du jetzt gelernt, dass man nicht alles haben kann und manchmal auch auf etwas verzichten muss, um etwas besonderes zu bekommen?“ Marcel sah mich wütend an.
„Für Franzi würde ich alles aufgeben.“, schoss es ohne zu überlegen aus mir heraus. Und ja, genau das würde ich tun.
„Das sah mit Germaine auf Ibiza aber ganz anders aus.“, lachte er jetzt höhnisch. Am liebsten würde ich ihm jetzt eine reinhauen, wenn ich daran dachte, wie er die Situation ausgenutzt hatte. Aber das würde mich jetzt bei Franzi auch nicht weiterbringen, sondern eher im Gegenteil. Außerdem machte ich mir Sorgen. Sie war jetzt schon eine halbe Ewigkeit auf Toilette. Hoffentlich war sie nicht zusammengebrochen. Leichte Panik kroch in mir hoch, als sie gerade aus der Toilette trat. Ich atmete etwas erleichtert auf, obwohl sie immer noch sehr blass aussah. „Und Marco, wie fühlt es sich so an, wenn man die Traumfrau in Action mit einem anderen sieht und man weiß, dass man selber daran schuld ist?“, provozierte mich Marcel. Ich musste mich jetzt zusammenreißen und entschied mich für eisiges Schweigen. Außerdem sorgte ich mich wirklich um Franzi, die jetzt bei uns war.
„Geht es dir wieder besser, Süße?“, wollte ich jetzt unbedingt wissen. Am liebsten hätte ich sie in den Arm genommen. 
„Nenn mich nicht Süße“, giftete sie mich an und drehte sich um. Ich konnte sie jetzt nicht einfach gehen lassen. Ich musste alles auf eine Karte setzen.
„Bitte lasse uns noch einmal reden. Schreib mir einfach oder rufe mich an. Egal wann und wo, ich werde da sein“, bettelte ich. Sie reagierte aber überhaupt nicht darauf und gab Marcel noch einen Kuss auf die Wange und lief davon. Meine Hoffnung war bei null. Fuck, ich trat wütend gegen den nächsten Papierkorb und wischte mir eine Träne weg, die sich aus meinem Augenwinkel ihren Weg bahnte. Das wäre doch das gefundene Fressen für die Presse. „Heulender Marco Reus auf dem Flughafen.“ Aber ehrlich gesagt war mir das scheißegal. Ich hatte eben meinen größten Schatz verloren. Und es war mir auch egal wie mich die Leute anschauten, weil ich vor mich hin schniefte. Ich machte mich also auf den Heimweg. Doch bevor ich nach Hause fuhr, machte ich noch kurz Halt bei Murat und holte mein neues iPhone ab. Mit allen alten Nummern abgespeichert. Als erstes versicherte ich mich, dass auch wirklich Franzis Nummer da war. Ich atmete erleichtert auf. Vielleicht versuchte ich es auf dem Weg noch einmal.  Zu Hause setzte ich mich erst einmal auf mein Sofa. Und schaute auf das Hintergrundbild. Murat hatte mein altes dort hingezaubert. Es war ein Bild von Franzi und mir, als wir im Sonnenuntergang am Strand gesessen hatten. Ich hatte meinen Arm um ihre Schulter gelegt und sie hatte sich angekuschelt. Wir strahlten beide glücklich in die Kamera. Genau das wollte ich wieder haben. Ich wusste noch nicht wie, aber ich musste es schaffen. Ohne sie war mein Leben nichts mehr wert. Ich hielt mein Handy in der Hand und hypnotisierte es in der Hoffnung, dass sie sich melden würde. Irgendwann schlief ich mit meinem Handy in der Hand ein. Ich musste ja immer erreichbar sein.

Ein Schuss zwei Treffer  ✔Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt