60.Kapitel

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Marcel und ich saßen immer noch am Bug und genossen die Ruhe für uns. Die anderen machten am Sonnendeck ordentlich Party. Die Musik lief laut und sie hüpften alle wie angestochene Aliens durch die Gegend. „Willst du zu den anderen oder lieber hier noch ein wenig chillen?“, fragte mich Marcel.
„Lieber hier chillen.“, kam es sofort von mir. Mir war nach allem, nur nicht nach Party. Außerdem hatte ich eine Menge zu verarbeiten und zu durchdenken nachdem mir Marcel das alles erzählt hatte. Ich konnte immer noch nicht verstehen wie man so einen dämlichen Vertrag abschließen konnte. Trotzdem war ich glücklich, dass Marco mich nicht wirklich verarscht hatte. Und noch glücklicher war ich, dass dieses operierte Pferdegesicht nicht wirklich seine Freundin war. Im Moment kämpfte ich mit mir, ob ich Marco eine Chance geben sollte das alles noch einmal aus seiner Sicht zu erklären.
„Du bist ganz schön am Grübeln, oder?“, fragte mich jetzt Marcel. Ich nickte nur. Er legte daraufhin seinen Arm um meine Schulter und ich kuschelte mich an seine Brust.
„Und gibst du ihm noch einmal eine Chance?“
„Ich weiß es noch nicht. Aber ich glaube schon.“ Ja, ich wusste es wirklich noch nicht, aber ich tendierte schon in Richtung Chance. Denn ehrlich gesagt fehlte er mir unheimlich. Ich wollte mir eigentlich nicht mein Leben lang die Frage stellen, ob ich das nicht doch lieber hätte klären sollen und was wäre wenn.
„Und du arbeitest wirklich bei Hertha? Nik hat sowas erzählt.“
„Ja, ich habe mir meinen Traum erfüllt.“, grinste ich.
„Was ist das denn da neben dir?“, fragte mich Marcel und griff sich meinen Skizzenblock. Ich hatte vorhin hier gesessen und ein wenig gezeichnet. Ich liebte es zur Entspannung zu zeichnen.
„Das sieht ja voll Hammer aus. Du hast echt Talent. Vielleicht kannst du mir ja ein wenig bei den Entwürfen für Pursuit helfen. Hast du Lust?“ Marcel war völlig enthusiastisch. Ich zeichnete zwar gerne, aber ich war jetzt nicht gerade von meinem Talent überzeugt, aber wenn er meinte. So Modeentwürfe wären mal was anderes. Würde mich ja eigentlich mal interessieren. Also kam meine Antwort prompt „Ja, warum nicht.“ Marcel griff nach meiner Hand und zog mich hoch. Wir standen noch kurz an der Reeling und schauten zu dem Nachbarboot, weil auf einmal jede Menge kleiner Schlauchboote mit irgendwelchen  Fotografen auftauchten. „Was ist das denn? Ist da der Prinz von Zamunda oder warum machen die so einen Aufstand?“, lachte ich und schaute mit Marcel genauer hin. Mir verging schlagartig das Lachen und ich hatte das Gefühl mir hätte jemand in den Magen geboxt. Ich war kurz davor mich gleich zu übergeben.
„Ne, das ist der Prinz von Dortmund.“, kam es kopfschüttelnd von Marcel. Marco und das Pferdegesicht fraßen sich gerade förmlich auf, während die Fotokameras nur so glühten. Wollte er sie jetzt da auf Deck noch flachlegen vor den Kameras? Das war ja schon Porno. Jetzt zog er sie unter Deck. Na wenigsten blieb mir der Akt erspart. Und ich hatte wirklich gedacht ihm noch eine Chance zugeben. War ich total ballaballa. Das sah jetzt sehr echt aus und nicht nur nach Vertrag. Vielleicht hatte sich bei den beiden ja doch mehr entwickelt und Marcel wusste das gar nicht. Er stand mit offenem Mund da. „Sag mal, wie bekloppt ist der denn. Nicht einmal in der Situation jetzt verzichtet er auf diese idiotische PR-Aktion. Sorry, aber ich verstehe das nicht.“, regte Marcel sich auf. Mir kullerten wieder die Tränen über die Wangen. Er zog mich in seine Arme und streichelte mir beruhigend über den Rücken. Ich kuschelte mich an seine Brust. Es tat momentan wirklich richtig gut von ihm getröstet zu werden.
„Na schau mal an, da ist der Herr Reus schon wieder an Deck. Dann hat ja sein Gehirn doch noch zugeschaltet. Er beobachtet uns. Was hältst du davon, wenn wir ihm jetzt genauso eine Show bieten, damit er mal merkt wie scheiße sich das anfühlt“, flüsterte Marcel mir ins Ohr.
Ich hob meinen Kopf an und zwinkerte ihm als Zustimmung zu, auch wenn sich eigentlich alles in mir sträubte mich auch auf so ein Niveau zu begeben. Und irgendwie konnte ich es mir auch nicht vorstellen jemand anderen als ihn zu küssen. Aber vielleicht hatte Marcel ja recht und er merkte mal, was er da für einen Mist abzog. Die Wut und Enttäuschung über Marco erleichterte mir die ganze Sache ungemein. Marcels Lippen waren auf einmal auf meinen und ich musste sagen, der Kerl wusste, was er tat. Es wurde ein ziemlich leidenschaftlicher Kuss und wenn ich selber nicht wüsste, dass wir hier nur eine Show abzogen, hätte es mich echt von den Beinen geholt. Selbst so reagierte mein Körper mit einem leichten pulsieren an gewissen Stellen. Das war ja mal aber hallo. Marcel nahm meine Hand und zog mich mit sich unter Deck. Mein letzter Blick ging zu Marco auf der anderen Yacht und ich konnte mit Genugtuung seinen verzweifelten Blick sehen.
„Na Babe, wollen wir weitermachen oder schauen wir uns jetzt die Entwürfe an und lassen dem Prinz von Dortmund etwas länger Zeit für sein Kopfkino. Ich schwöre dir, der wartet bis wir wieder rauskommen.“, grinste Marcel und ich musste lachen.
„Lass mal die Entwürfe gucken und den Herren noch etwas im eigenen Saft schmoren. Strafe muss schließlich sein.“ Ich wuschelte Marcel durch die Haare.
„Ay, was soll das denn jetzt? Lass meine Haare. Weißt du eigentlich wie lange es dauert, bis die so sitzen?“, empörte er sich
„Nö, aber ich weiß, dass sie nach einer Runde Matratzensport mit mir verwuschelt wären.“ Jetzt verwuschelte Marcel meine Haare.
„Und was wird das jetzt?“, fragte ich lachend.
„Naja, ich habe ja schließlich auch einen Ruf als heißblütiger Lover zu verlieren. Und jetzt sag was zu den Entwürfen.“  Wir diskutierten eine ganze Weile darüber und ich machte ein paar Veränderungsvorschläge, die ich auch gleich zeichnerisch umsetzte. Das machte echt voll Spaß.
„Sag mal, hättest du nicht Lust bei uns mit einzusteigen?“, fragte mich Marcel auf einmal ganz ernst.
„Lust schon, aber ich habe da noch einen ziemlich zeitaufwändigen Job. Wie soll das gehen?“, fragte ich skeptisch.
„Da finden wir einen Weg. Du würdest ja nur Ideen einbringen und das Zeichnerische übernehmen. Also wollen wir es versuchen?“ Bei soviel Überzeugungskraft konnte ich ja gar nicht nein sagen. Und Spaß machte es auch. Es war wirklich einen Versuch wert.
„Okay Partner, ich bin dabei.“ Marcel umarmte mich freudig und zog mich wieder mit an Deck. Mein Blick fiel zur anderen Yacht, wo Marco wie angewachsen immer noch an der gleichen Stelle stand und zu uns starrte. Marcel musste es wohl auch gesehen haben, denn er gab mir einen Klaps auf meinen Po und zog mich wieder in eine Umarmung.
„Da kocht jetzt aber jemand gleich über. Glücklicherweise haben diese Yachten keine Laserwaffen an Bord, sonst wäre ich schon ein Aschehäufchen.“, flüsterte Marcel mir ins Ohr und ich musste grinsen als Marcel mir einen Kuss auf die Stirn hauchte. Ich sah noch wie Marco sich enttäuscht umdrehte und kopfschüttelnd zum Kapitän lief. Kurze Zeit später fuhr die Yacht los.

Ein Schuss zwei Treffer  ✔Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt