Hass.
Dieses eine kleine Wort fasste ziemlich gut zusammen, was in mir übrig geblieben war. Hass auf Zayn, weil er mich geküsst hatte. Weil er mich belogen hatte. Weil er Jade und Louis bedroht hatte. Hass auf Kelsey, weil sie so ein hinterhältiges Miststück war. Hass auf die Schüler, die Zayn, Harry und mich zu dem Gesprächsthema der Schule gemacht hatten. Hass auf die Autofahrerin, weil sie nicht gebremst hatte. Hass auf mich, weil ich so abgelenkt war, dass ich sie nicht kommen gesehen hatte. Hass auf die Ärzte, weil sie es noch immer nicht geschafft hatten, dass Harry aufwachte. Hass auf all die mitleidigen Blicke, die mir zugeworfen wurden.
Hass auf alles und jeden.
Ich wusste, wie falsch diese Reaktion war, aber ich war am Ende. Seit ich aus dem Krankenhaus draußen war, war jeder Tag so ziemlich der selbe. Ich stand auf, machte mich fertig, um dann ins Krankenhaus zu fahren. Ich verbrachte jede freie Minute bei Harry, versuchte, irgendeine Reaktion bei ihm hervor zu locken. Ich redete mit ihm, erzählte ihm Geschichten, erzählte wie mein Tag war. Ich ließ seine Lieblingslieder laufen. Ja sogar die, die er hasste, in der absurden Hoffnung, er würde aufwachen, um sie auszuschalten. Doch nichts passierte. Und mit jeder Minute verzweifelte ich mehr.
Natürlich wollte ich bei Harry sein, ich wollte da sein, wenn er aufwachte oder wenn er sich wenigstens das erste Mal bewegte. Aber um ehrlich zu sein, hielt ich es daheim einfach nicht mehr aus. Selbst meine Eltern schauten mich mit dem selben, mitleidigen Blick an. Wenn ich morgens aus dem Haus ging oder abends wieder aus dem Krankenhaus zurück kam, deprimiert, weil sich wieder nichts getan hatte, hatten sie diesen Blick drauf. Wenn ich mich gleich in mein Zimmer verzog, weil ich diesem Blick nicht stand hielt, war er immer noch da, gefolgt von einem tiefen Seufzen. Wenn ich beim Essen nicht viel runter bekam, weil mein Kopf voll war mit Gedanken, die keine Ruhe geben wollten, war da dieser Blick. Wenn ich mich in meinem Zimmer verkroch und die Musik laut stellte, wenn ich ihr Klopfen ignorierte und ihnen nicht all zu viel Beachtung schenkte, sobald sie ihren Kopf durch die Tür steckten, war da dieser Blick. Ich wusste, dass ich es ihnen schwer tat und dass sie nur mehr an meinem Leben teilhaben wollten, aber es gab nichts, an dem sie teilhaben könnten. Mein Leben bestand in dieser Woche darin, zu warten und zu hoffen, dass sich irgend etwas tat. Und mit jeder Minute, in der dies nicht der Fall war, brach mein Herz ein kleines Stückchen mehr. Ich war übermüdet, unausgeglichen und einfach schlichtweg überfordert.
Das einzige, das ich in dieser Woche noch getan hatte, war zum Arzt zu gehen. Doch das fand ebenfalls im Krankenhaus statt. Die Salben, die Doktor Phillips mir verschrieben hatte, hatten gut geholfen. Meine Schiene konnte mittlerweile durch einen weitaus weniger auffälligen Verband gewechselt werden und ich wurde auch nicht mehr von stechendem Schmerz durchzogen, wenn jemand meine Rippen streifte. Einzig die Platzwunde war noch etwas deutlicher zusehen, doch zumindest war sie schon zugeheilt.Und zu allem Übel war Morgen der erste Tag, an dem ich wieder in die Schule müsste. Der erste Tag, den ich nicht komplett bei Harry verbringen konnte. Ich hatte Angst, etwas zu verpassen. Ich hatte Angst, Zayn wieder zu begegnen. Ich hatte mit niemandem über unser Gespräch geredet, an sich hatte ich alle Anrufe von Louis und Jade ignoriert. Auch die Nachrichten hatte ich nur überflogen. Da Jade allerdings in einer fragte, ob dass mit Zayn und mir stimmen würde, war ich mir ziemlich sicher, dass sie es wusste. Ich hatte allerdings nur auf die anderen Nachrichten geantwortet und meinte lediglich, dass es mir gut ginge und ich im Moment einfach etwas überfordert mit der Situation war und vor allem meine Ruhe brauchte.
Und das war auch nicht gelogen, ich wollte alleine sein. Noch immer hatte ich mich nicht mit dem Gedanken abgefunden. Es war noch viel zu fremd, dass Harry im Krankenhaus war. Es kam mir einfach so absurd vor. Wie ein Albtraum, aus dem ich jeden Moment neben Harry aufwachen würde. Doch es war kein Traum. Ich schlief nicht, viel mehr wälzte ich mich seit Stunden in meinem Bett hin und her und bekam kein Auge zu. In weniger als sechs Stunden müsste ich wieder aufstehen, doch mein Gehirn wollte einfach nicht abschalten. Es war Sonntag, heute lag Harry genau eine Woche im Koma. Eine Woche, die ich entweder im Krankenhaus oder an meinem Handy verbracht hatte, um ja nichts zu verpassen. Eine Woche, die der pure Horror gewesen war. Ich war kein Arzt, doch wenn ich eines mit bekommen hatte, dann, dass es mit jedem Tag, der verging, unwahrscheinlicher wurde, dass er aufwachte. Doch ich gab nicht auf, ich würde es mir nie verzeihen, wenn ich es täte. Ich klammerte mich an jedem Hoffnungsschimmer fest, wie an einen rettenden Anker. Wenn ich die Hoffnung verlor, würde ich untergehen. Ich verbot mir jeden Gedanken an eine andere Möglichkeit, als dass Harry aufwachte. Für mich gab es gar keine andere Option, wieso auch? Er hatte versprochen, mich nicht alleine zu lassen. Harry hielt seine Versprechen immer. Doch lag es überhaupt in seiner Hand, dieses Versprechen zu halten?
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The day you left me
FanfictionWas machst du, wenn dein bester Freund sich von dir distanziert? Wenn er plötzlich eine Freundin hat und komplett den Kontakt abbricht? Was machst du, wenn dein bester Freund zu deinem Feind wird? Und was macht er, wenn du in Gefahr bist? Für wen wi...