Kapitel 55 ~ Of monsters and men.

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~ Till your tired eyes and my lullabies have carried you softly to sleep. ~

Der dritte Tag.

Der dritte Tag, an dem wir nun nicht mehr zusammen waren. Der dritte Tag ohne Harry. Der dritte Tag, seit dem ich wusste, dass Harry nicht mehr das selbe für mich empfand. Nichts mehr empfand. Nichts, außer Freundschaft. Aus Freundschaft kann Liebe werden, doch aus Liebe nie wieder Freundschaft. Für den ersten Teil dieses Sprichwortes waren wir ja praktisch ein perfektes Beispiel gewesen, aber für den zweiten? Harry bewies das Gegenteil. Doch konnte ich den ersten Teil wieder in die Tat umsetzen? Würde ich es überhaupt schaffen, dass Harry sich wieder in mich verliebte? Was, wenn er nie wieder mehr als Freundschaft empfände? Wenn er ein anderes Mädchen fand, eines, dass er mehr liebte, als er mich jemals geliebt hatte? All diese Was-wäre-wenn's quälten mich seit drei Tagen. Seit er wieder wach war. Seit er uns, das wichtigste in meinem Leben, vergessen hatte. Die Tage waren der Horror und wider Erwarten wurde es nicht besser. Es tat noch immer weh, verdammt weh. Alles kreiste um diesen einen Gedanken: Harry.

Doch ich weinte nicht mehr. Seit ich das Krankenhaus verlassen hatte, hatte ich keine Träne mehr vergossen. Es schien, als seien sie aufgebraucht, als wären sie bei der einzigen Person geblieben, die sie verdient hatte. Hieß es nicht, dass niemand deine Tränen verdient hatte, die einzige Person, die dies täte, dich jedoch niemals zum Weinen bringen würde? Ich war mir sicher, Harry war jede einzelne Träne wert gewesen. Ich liebte ihn, egal was passierte. Ich würde ihn immer lieben, er würde immer in meinem Herzen sein, was auch immer noch auf uns zu kommen würde. Das war das einzige, wobei ich mir in den letzten Tagen noch sicher war. Dennoch habe ich keine einzige Träne mehr verloren. Ich hatte mir selber dieses Versprechen gegeben, kalt sein, hart sein, stark sein. Solange, bis Harry wieder da war. Würde er überhaupt wieder zurück kommen? Was, wenn er dieses Mal endgültig den Kontakt abbrechen wollte? Sofort schüttelte ich meinen Kopf, er hatte es mir versprochen. Er meinte, es wäre kein Kontaktabbruch. Das war nur vorübergehend, eine kleine Pause, bis seine Gefühle wieder kamen. Wenn sie wieder kamen.

Genervt fuhr ich mir durch die Haare, ich durfte nicht negativ denken. Das würde alles nur noch schlimmer machen. Aber konnte es überhaupt noch schlimmer werden? Es war drei Uhr nachts an einem Montagmorgen, ein paar Stunden bevor ich zur Schule musste und ich hatte noch kein Auge zu getan. Stattdessen lag ich wach in meinem Bett und dachte über Harry nach, mal wieder.

Wenn Jade jetzt hier wäre, würde sie mir alle schlechten Gedanken ausreden. Sie würde mich aufheitern, auf andere Gedanken bringen und mir vor allem Mut zureden. Aber ich hatte sie das ganze Wochenende über nicht gesprochen. Was vielleicht daran lag, dass mein Handy ausgeschaltet war. Ich wusste, das war nicht die richtige Lösung, das war ehrlich gesagt gar keine Lösung. Ich wusste auch, dass ich Harry versprochen hatte, trotz allem immer für ihn da zu sein und ich es so nicht konnte, aber ich wusste nicht weiter. Ich wollte mit niemanden sprechen, aus Angst, schwach zu werden. Aus Angst vor den Schmerzen, die zweifelsohne kommen würden, wenn ich darüber sprach. Aber waren die Schmerzen nicht sowieso die ganze Zeit über da? Dazu kam, dass ich nicht mit Harry reden wollte. Nein, das stimmte nicht ganz. Alles in mir sehnte sich danach, seine Stimme wieder zu hören, sein Lächeln zu sehen, aber ich konnte nicht. Wenn ich mir bei einem Sicher war, dann, dass das weh tun würde. Ihm so nah zu sein, obwohl wir keine Nähe mehr teilen konnten. Ich war noch nicht bereit dazu, nur Freunde zu sein. Die Frage war jedoch, ob ich das jemals sein würde. Aber vielleicht brauchte ich das nicht, vielleicht würde er sich wieder in mich verlieben. Er hat es doch schon einmal getan, warum nicht wieder? Er musste ja nicht einmal neue Gefühle entwickeln, er musste sich ja nur an die alten erinnern. So wie er sich auch an andere Sachen erinnern musste. Wieso sollte es schwieriger sein oder länger dauern, sich an unsere Beziehung zu erinnern als an die Tatsache, dass seine Schwester ein Auslandsjahr machte? Ich würde das wieder hin bekommen, wir würden das zusammen wieder hin bekommen. Wir hatten schon so einiges überstanden, wir kannten uns unser ganzes Leben lang. Ich würde ihn so schnell nicht aufgeben, ich würde ihn niemals aufgeben. Das hatte ich nicht nur mir versprochen.

The day you left meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt