Kapitel 51 ~ Pained glance.

4.3K 201 43
                                    

„Was willst du hier?“, fragte ich tonlos, bemüht, meine Wut zu unterdrücken.

„I-Ich wollte sehen, wie es ihm geht.“ Ich hörte sie hart schlucken, ihre Augen blickten überall hin, nur nicht in meine.

„Du hast hier nichts zu suchen“, zischte ich. „Nicht nach allem, was du getan hast.“

Kelsey schaute mich verletzt an, ihr Kopf bewegte sich leicht von rechts nach links. „Ich weiß, ich habe Fehler gemacht, aber –“

„Nein“, unterbrach ich sie hysterisch. „Kein aber, verdammt. Du hast beinahe alles zerstört, hörst du? Alles!“ Ich ging näher auf sie zu, bis ich nur noch wenige Zentimeter von ihr entfernt stand. Auch wenn sie alles andere als glücklich aussah, blieb sie ruhig. Im Gegensatz zu mir. Anklagend zeigte ich mit meinem Finger auf sie, während ich ihr zum ersten Mal alles an den Kopf warf. „Du hast Harry in dem Gedanken bestärkt, sich von mir fern zu halten. Du standest unserer Versöhnung ein ganzes Jahr lang im Weg. Du hast mir alles genommen, was mir etwas bedeutet hatte. Du hast jede Gelegenheit genutzt, um mich fertig zu machen. Du warst der Grund, warum ich mein Leben gehasst habe. Aber das hat dir ja nicht gereicht, nein. Du musstest ja auch noch das Leben von Jade und Louis erschweren. Was habe ich dir getan, dass du mich so hasst? Wieso hast du dich so verändert?“ Meine Stimme wurde zum Ende hin immer leiser, die ersten Tränen stiegen in meine Augen. Energisch versuchte ich, mich wieder zu beruhigen. Immerhin waren wir in einem Krankenhaus und mein Freund lag neben uns, ob er uns nun hören konnte oder nicht. Das hier war nicht der richtige Platz dafür.

„Das weißt du genau“, zischte sie, bemühte sich aber sogleich wieder um einen ruhigen Ton. „Auch wenn du es mir wahrscheinlich nicht glaubst, er ist mir nicht egal. Und es ist mir nicht egal, dass er jetzt hier ist. Ich musste einfach wissen, wie es ihm geht.“

Ungläubig schüttelte ich den Kopf. „Ich will, dass du jetzt gehst“, flüsterte ich mit Tränen erstickter Stimme. Sie sollte nicht hier sein, sie hatte kein Recht dazu. „Sarah, bitte. Ich –“

„Geh!“, weinte ich, meine Stimme schrillte um einige Oktaven in die Höhe. Auch in Kelseys Augen schimmerten die Tränen, als sie sich abwandte. „Es tut mir Leid“, wisperte sie und verließ endlich das Zimmer.

Erschöpft ließ ich mich auf dem Stuhl neben Harrys Bett nieder. Ich würde nicht weinen, nicht wegen ihr. Nie wieder, das hatte ich mir versprochen. Sie würde mich nicht mehr verletzen. Ich war stärker als das. Mein Blick fiel auf die Rose, die ich noch immer in meinen Händen hielt. Vorsichtig legte ich die Blume auf das kleine Tischchen. „Ich habe dir eine Rose mitgebracht, Harry.“ Ich griff nach seiner Hand, fuhr leicht über seine weiche Haut. „Sie ist wunderschön, so wie du. Ich wünschte, du könntest sie sehen. Aber ich werde dir jeden Tag eine Rose mitbringen, bis du wieder bei mir bist und sie alle bewundern kannst.“

Ich atmete tief durch, um mich wieder zu beruhigen. Allein Harrys Hand zu halten, half mir.

„Du wirst wieder zurück kommen, oder? Du kannst doch nicht alles aufgeben. Du kannst uns doch nicht aufgeben.“ Ich verschränkte unsere Hände miteinander, betrachtete unsere ineinander verflochtenen Finger. Sein Körper war erschreckend kalt, doch ich konnte seinen schwachen Puls spüren. Sein Atem war flach, aber gleichmäßig. Einer der betreuenden Ärzte hatte mir erklärt, er könne selbstständig atmen, doch es wurde mit einem Gerät kontrolliert, damit die Atmung gleichmäßig blieb. Ich betrachtete all die Geräte im Zimmer, all die Schläuche, die in ihm steckten. Noch immer verspürte ich ein Ziehen in der Brust, wenn ich ihn so sah. Er war so blass, so leblos. Beinahe nichts zeugte mehr von dem so lebensfreudigen Jungen, der nie zur Ruhe zu kommen schien. Sanft strich ich ihm ein paar Locken aus dem Gesicht, verweilte mit meiner Hand auf seiner Wange. „Ich vermisse dich.“ Bevor neue Tränen kommen konnten, wandte ich meinen Blick ab. Ich vermisste ihn unglaublich sehr. Nicht so, wie man jemanden vermisst, der weggezogen oder gerade im Urlaub war. Das hier war anders. Wäre er diese Woche im Urlaub gewesen, hätte ich gewusst, er würde wieder kommen. Das, was das alles noch viel schlimmer machte, war die Ungewissheit. Und diese drohte mich langsam zu zerstören. 

The day you left meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt