Kapitel 62 ~ It wasn't over for me.

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SARAH'S POV

~ Nimm meine Hand, wir fangen nochmal an. Und hält dich das auch nicht zurück, dann spring ich für dich. ~

Daheim angekommen schloss ich die Tür möglichst leise, auch wenn ich sie am liebsten laut zugeknallt und danach das ganze Haus auseinander genommen hätte. Doch ich bleib leise, schlich die Treppen nach oben in mein Zimmer. Die erste Stufe – Trauer – hatte ich wohl hinter mir und die zweite – Verleugnung – hatte ich auf dem Weg nach Hause durchlaufen. Und jetzt steckte ich in der dritten Stufe fest – Wut. Gemischt mit Verzweiflung. Die Gefühle nagten an mir, fraßen mich von innen auf und es gab kein entkommen. Ich strich mir meine verschwitzten Haare aus der Stirn, schnappte mir neue Klamotten und ging wieder ins Bad, um mich noch einmal schnell zu duschen. Ich beeilte mich, konzentrierte mich stur auf den normalen Ablauf. Ließ keine Gedanken zu, wollte nicht weiter darüber nachdenken. Harry konnte machen, was er wollte. Schließlich waren wir nicht mehr zusammen. Er hatte gesagt, er wollte Abstand, aber anscheinend nur von mir. Von Kelsey zumindest nicht. Ich riss das Handtuch von der Duschwand, wickelte mich darin ein. Ich sah in den großen Spiegel an der Wand, doch wollte mein Spiegelbild schon nach wenigen Sekunden nicht mehr sehen. Langsam schloss ich meine Augen. Die ganze Zeit über hallte diese eine Frage in meinem Kopf. Wie konnte er mir das antun? Ich öffnete meine Augen wieder, warf einen letzten Blick in den Spiegel. Sah so ein starkes Mädchen aus? Meine Augen waren müde, meine Mundwinkel nach unten verzogen. Nein, ich war alles andere als stark.

Ich wandte mich von meinem Abbild ab und schlüpfte in meine Unterwäsche. Danach lief ich zurück in mein Zimmer, um mir frische Kleider zu suchen. Nachdem ich mir kurze Hosen angezogen hatte, wühlte ich in dem oberen Fach nach einem Oberteil, das ich anziehen könnte. Ich zog irgendeines heraus, als ich es auffaltete, um es über zu ziehen, stutzte ich. In meinen Händen hielt ich das T-Shirt, das Harry mir gegeben hatte, nachdem wir mit einander geschlafen hatten. Ich konnte meinen Blick nicht von dem Oberteil nehmen, während mich alle Erinnerungen an diesen Tag übermannten. Ich hatte ihm vertraut, auf seine Liebe vertraut. Hatte ihm geglaubt, als er meinte, er würde mich für immer lieben.

Ich zweifelte nicht daran, dass es wahr war, als er es gesagt hatte. Doch jetzt war nichts mehr davon wahr. Ich hatte ihm geglaubt, als er meinte, er hätte Kelsey nicht geliebt. Dass er nie mit ihr geschlafen hatte. Dass er sie nicht einmal mochte. Alles hatte ich ihm geglaubt. Und jetzt hatte ich ihn in ihren Armen gesehen. Wieder einmal. Ich schmiss das T-Shirt in die andere Ecke des Zimmers, konnte es nicht länger ansehen, und fischte mir ein einfaches Top heraus. Ich schnappte mir mein Handy und machte es mir, nachdem ich Musik angemacht hatte, auf meiner Fensterbank bequem. Kurz überlegte ich, ob ich mein Zeichenzeug holen sollte, doch mir fehlte jegliche Motivation. Ich wusste nicht, was ich hätte zeichnen sollen.

Mein Blick verlor sich irgendwo in unserem Garten, beobachtete die Blätter der Bäume, die sich leicht im Wind bewegten. Was sollte ich jetzt tun? Vielleicht war er mit Kelsey glücklich. Ich wollte seinem Glück nicht im Weg stehen. Er hatte es verdient, glücklich zu werden. Auch wenn ich mir nichts sehnlicher wünschte, als dass er es mit mir wäre. Doch ich hatte meine Chance gehabt, vielleicht hatte ich keine zweite verdient.

Ich hörte mein Handy klingeln, doch es dauerte etwas, bis ich wirklich realisierte, dass es meines war. Ich beeilte mich, nach meinem Handy zu greifen, als ich jedoch seinen Namen auf dem Bildschirm sah, erstarrte ich. Was, wenn er anrief, um alles zu beenden? Ich wollte es nicht hören. Ich wollte nicht hören, dass es vorbei war. Denn für mich war es noch nicht vorbei. Für mich würde es nie vorbei sein. Obwohl ich wusste, dass es falsch war und ich irgendwann mit ihm reden musste, drückte ich ihn weg. Zu groß war die Angst vor dem, was er mir vielleicht sagen wollte. Ich konnte nicht aus seinem Mund hören, dass es so nicht weiter ging. Dann wäre es Wirklichkeit geworden, dann gäbe es kein zurück mehr. Auch die weiteren Anrufe drückte ich weg, bei jedem Mal wurde mein Herz schwerer. Es war das vierte Mal, dass er jetzt anrief. „Es tut mir so Leid“, flüsterte ich leise vor mich hin, als ich erneut auf den roten Hörer drückte.

The day you left meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt