16: Umwege

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Am nächsten Morgen wachte ich auf und stellte verblüfft fest, dass ich ziemlich ausgekühlt war und mir alles weh tat. Und ziemlich verpeilt war ich auch. Mein Kopf pochte ziemlich doll und machte mich fast blind vor Schmerz. Ich konnte meine Augen kaum offen halten, aber das, was ich sah, verschlug mir für einen Moment den Atem und brachte mich fast um den Verstand, wenn dieser nicht mal wieder flöten gegangen war, denn das, was ich sah, war ziemlich eigenartig: ich befand mich in einem Käfig aus Holzstangen und merkwürdig aussehende Menschen glubschten mich von außerhalb des Käfigs gespannt an.

"Kukkalakukku?", fragte einer von ihnen und kam neugierig näher. 

Er trug nur ein um die Hüfte gewickeltes Leinentuch und hatte bunte Bemalungen im Gesicht, genau wie alle anderen.

"Was zum-", begann ich, doch der, der mich angesprochen hatte, unterbrach mich, indem er irgendetwas herumbrüllte. "Wo bin ich?"

"Kulaarokko!", antwortete er. 

Was zum Teufel ging hier vor? War das ein schlechter Scherz? Wollte Jack mich etwa auf den Arm nehmen und hatte sich und seine Crew verkleidet und angemalt? Aber wieso sollte er so etwas tun? Er würde sich sicherlich nicht die Mühe für solch einen Schwachsinn machen, da war ich sicher. Aber was ging dann hier vor?

"Jack?", fragte ich unsicher, zweifelnd und vorsichtig.

"Rikolla!", brüllte der, der mich angebrüllt hatte.

Oder war das alles hier ein Traum? Wenn ja, war es ein sehr seltsamer und sich sehr real anfühlender Traum. Und plötzlich wusste ich, was 'rikolla' bedeutete, denn der Käfig, indem ich saß, hob sich an. Vier von diesen merkwürdigen Menschen trugen mich davon. Und nun erkannte ich, dass ich mich auf einer Insel befand. Doch wo war Jack? Und die Pearl?




"Gibbs! Setzt die Segel. Aber sofort! Wir müssen auf die Insel!"

"Aber Jack", wandte Elizabeth ein und kam auf ihn zugeeilt. "Du weißt ganz genau, dass dort Kannibalen leben. Warum müssen wir dahin?"

"Jessie ist weg, verdammt", erklärte Jack.

Elizabeth sah ihn mit geweiteten Augen an. "Aber Jack", sagte sie, als sie sich wieder gefasst hatte. "Wie kannst du so sicher sein, dass Jessie ausgerechnet da-"

"Sieh es dir selbst an", sagte Jack aufgebracht, drückte ihr sein Fernrohr in die Hand und eilte zum Steuerbord.

Elizabeth hielt sich das Fernrohr ans Auge und suchte die Insel ab. Erschrocken zuckte sie zusammen, als sie eine scheinbar bewusstlose Jessie in einem Käfig, der gerade von Kannibalen irgendwohin befördert wurde, entdeckte. Dann eilte sie zu Jack. "Wie kommt Jessie bitte da hin?"

Jack zuckte mit den Schultern. "Das frage ich mich auch. Sie muss wohl in der Nacht noch an Deck gegangen sein. Vielleicht haben sich die Kannibalen zu der Zeit in der Nähe aufgehalten und sie entführt", vermutete Jack, aber er wusste es nicht. Und anders konnte er es sich nicht erklären. "Oder sie schlafwandelt", fügte er leise hinzu und zuckte die Schultern; dies hielt er jedoch für unwahrscheinlich.

"Was gedenkst du zu tun?", wollte Elizabeth wissen.

"Sie retten, was sonst?!", meinte Jack.

"Ohne Plan?"

"Glaub mir, ich weiß, was ich tue", antwortete Jack, als die Black Pearl in einer Bucht an der Insel zum stehen kam. "Manchmal muss man eben improvisieren."

Elizabeth seufzte. Nie wusste jemand, außer Jack selbst, was Jack tat, wenn er improvisierte. Und Elizabeth bezweifelte auch, dass er es selbst wusste. 

Always the Sea - Die Abenteuer der Jessie Bones (Fluch der Karibik FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt