Always the Sea - Die Abenteuer der Jessie Bones (Fluch der Karibik FF)

46: Kannst du meine Hand halten?

"Jessie!" Eine wunderschöne, sanfte Stimme drang an mein Ohr und jemand strich mir durch die Haare. "Jessie, wach auf. Bitte!"

Ich gab ein Murren von mir und rieb mir mit den Händen über das Gesicht. Dann schlug ich die Augen auf und fand mich in einer Zelle direkt an der Trennwand zur Nebenzelle wieder. Sagt mal, kann es sein, dass mein Leben in letzter Zeit nur noch in irgendwelchen Zellen hockt und sich miserabel fühlt? Denn mein wahrscheinlich verstauchter Arm schmerzte immer noch. Doch das war nicht mein einziges Problem. Mein Kopf pochte ebenfalls. Mein Kleid war dreckig und leicht zerfetzt. Vater würde wohl ausrasten, wenn er es sehen würde. Naja, ich fand es immer noch hübsch.

Dann spürte ich erneut die Streicheleien in meinen Haaren. Meine Augen glitten in die Nachbarzelle. Ich erkannte ein sommersprossenüberwuchertes, grinsendes Gesicht, strahlend grüne Augen und leuchtend rotes Haar - Hendric!

Ich richtete mich auf und strahlte mein Gegenüber an. "Hendric?! Was machst du denn hier? Und was mache ich überhaupt in einer Zelle?", plapperte ich ihn voll und sah mich dann erst einmal komplett um. "Und... wo ist eigentlich Jack?"

"Kleines, du brauchst jetzt viele starke Nerven", erklärte Hendric und sein Grinsen verblasste.

Ich sah ihn verängstigt an. "Geht es ihm nicht gut? Was ist passiert? Was ist das hier eigentlich für ein Schiff?"

"Doch, es geht ihm gut. Glaub ich. Also, ich weiß es nicht. Aber wir sind über das Meer gesegelt, als wir zwei sich gegenseitig beschießende und bekämpfende Schiffe gesehen haben. Die Black Pearl unter Captain Barbossas Leitung, die Pink Pearl unter Mr. Gibbs' Leitung. Mittendrin Piraten aus beiden Crews, die sich bekämpft haben. Auch dein Herzblatt, der mit drei Leuten gleichzeitig gekämpft hat. Also schlecht ist deine Wahl von Männern nicht, muss ich sagen."

Ich blinzelte zwei- dreimal.

"Er kann ziemlich mutig sein. Und ehrlich gesagt ist er richtig schnuckelig."

Ich blinzelte vier- fünfmal. Ich hatte schon mehrfach festgestellt, dass Hendric das ein oder andere Mal ein Auge auf Männer warf, aber als 'schnuckelig' hatte er noch nie jemanden bezeichnet. Vor allem bisher keinen Mann, mit dem ich liiert war. Ich hatte so einen kleinen Verdacht, dass Hendric vielleicht homosexuell war. Er hatte mich zwar schonmal geküsst, aber wer weiß, was seitdem alles in ihm vorgegangen ist. Aber wenn er es wäre, würde ich es schon längst wissen. Wir hatten so gut wie keine Geheimnisse voreinander.

"Jedenfalls lagst du, als ich mit ein paar anderen die Pink Pearl betreten habe, bewusstlos auf dem Deck", erzählte er weiter. "Natürlich habe ich dich sofort hochgehoben, damit dich niemand zertrampelt. Obwohl... ich wette, selbst Piraten haben so viel Anstand, dass sie eine überaus hübsche Piratin nicht zertrampeln, aye?!" Er grinste mich kurz an. "Jedenfalls entdeckte mich dann Jack und kam sofort zu uns. Natürlich hat er sich sofort nach deinem Zustand erkundigt. Ich habe ihm gesagt, dass du bewusstlos bist. Du hast auch eine Kopfwunde, die ich dir in den letzten drei Tagen, an denen du geistig abwesend warst, halbwegs verarztet habe."

Ich hob die Hand an meine Stirn. Dort konnte tatsächlich einen Verband spüren. Aber ich war tatsächlich drei Tage lang abwesend gewesen? Das konnte doch wohl nicht wahr sein!

"Nun, jedenfalls hat Jack mir aufgetragen, dich in Sicherheit zu bringen und gut auf dich aufzupassen. Er würde dich bei mir abholen, wenn der Krieg vorbei wäre. Er hat sich zurück in die Schlacht gestürzt. Ich war mit dir auf dem Arm gerade auf dem Weg über das Deck, doch ich verlor irgendwie die Orientierung. Ich wusste nicht mehr, was vor sich ging. Dann ging auf einmal alles so schnell und es gab so viele Schiffswechsel, das glaubst du nicht. Hinterher befand sich die Crew von deinem Herzblatt auf der Black Pearl. Barbossa besaß die Pink Pearl, wo wir beide hingebracht worden sind. Dein Herzblatt ist auf der Great Maid, dem neuen Schiff von deinem Vater. Ich konnte noch sehen, wie er abgeführt wurde, bevor wir unter Deck gezerrt wurden, Kleines. Es tut mir so Leid für dich. Du bist von deinem Liebsten getrennt und weißt nicht, wann und ob ihr euch wiederseht. Das muss schrecklich für dich sein."