Gegen Abend verließ ich Jacks Kajüte und ging über das Deck. Die Sonne stand bereit zum Untergehen und ich stieg die hölzernen Stufen zum Steuerrad, wo auch Jack stand, empor. Stolz trug ich das weiße Kleid, welches eigentlich für die Hochzeit von David und Charlotte vorgesehen war, aber ich hatte es mir einfach nicht verkneifen können, es anzuziehen.
"Wirst du gleich abgelöst?", fragte ich Jack und setzte einen Hundeblick auf, wie er es immer tat, wenn er etwas wollte; jedoch war meiner um Welten nicht so unwiderstehlich, wie der seine.
"Aye, gleich kommt Gibbs", antwortete Jack, wirkte aber eher abwesend und beäugte stolz seine geliebte Pearl.
Ich schmunzelte. "Du liebst dein Schiff", tat ich eine offenkundige Tatsache kund.
"Aye, weißt du, Liebes, es ist nicht nur ein Kiel und ein Deck und ein Rumpf und ein Segel. Das alles braucht ein Schiff. Aber was ein Schiff bedeutet, was die Black Pearl bedeutet, ist die Freiheit", schwärmte Jack.
"Weißt du was? Ich verstehe dich. Sehr gut sogar", sagte ich.
Jack blickte nur leicht verträumt drein.
Als Gibbs ihn dann abgelöst hatte, standen wir an der Reling und sahen der untergehenden Sonne zu. Ich liebte es! Sonnenuntergänge waren einfach wundervoll. Jack legte mir seinen Arm um die Schultern und ich kuschelte mich an ihn. Als dann auch noch der letzte Sonnenstrahl am Horizont verschwand, ergriff Jack meinen Arm und zog mich mit sich über das Deck und nur wenig später betraten wir die Vorratskammer der Black Pearl.
"Was hast du vor?", fragte ich.
"Wir schenken deinem Cousin noch eine Flasche Wein, was hältst du davon?"
Wow, Jack gab freiwillig Alkohol ab? Ich sparte mir meinen auf der Zunge liegenden Kommentar und nickte stattdessen bloß, woraufhin Jack nach zwei Flaschen mit rotem Inhalt griff.
"Warum gleich zwei?"
Er nahm auch noch zwei Gläser mit und meinte: "Wir machen es uns etwas in meiner Kajüte bequem, was sagst du?"
Ich nickte lächelnd.
Als wir dann in seiner Kajüte waren und er die Tür schloss, stellte ich die eine Weinflasche zu den beiden Steinen. Jack stellte die Gläser und die andere Flasche auf dem Schreibtisch ab und begann, einige Kerzen zu entzünden. Ich ergriff die Weinflasche und zerrte am Korken herum. Es war anstrengend. Dieses Mistding wollte nämlich einfach nicht aus der Flasche heraus. Ich zog noch einmal kräftig daran und der Korken sprang mit einem lauten 'Plopp!' aus der Flasche und Wein spritzte heraus und auf mein weißes Kleid. Verflucht!
"Ups!", sagte ich kleinlaut.
"Hoppla", kommentierte Jack tonlos, als er sich zu mir umdrehte und sich die Bescherung ansah. "Na herzlichen Glückwunsch. Erst versaut du Kleidung mit Blut, jetzt mit Rotwein. Du bist wirklich talentiert, was sowas angeht."
"Vielen Dank", sagte ich sarkastisch. "Mein Kleid ist hin! Das kann ich unmöglich zur Hochzeit anziehen! Jack!", beschwerte ich mich und schmollte.
"Nun ja, ehrlich gesagt wäre es mir sowie so lieber, wenn du kein weißes Kleid tragen würdest...", gab er zu. "Sonst denkt jeder, du wärst die Braut. Ich meine, so lange er Carlotta nicht kennt."
"Charlotte", verbesserte ich ihn.
"Von mir aus", meinte er.
"Und wieso hast du das nicht gleich gesagt? Bevor wir das Kleid mitgenommen haben?", wollte ich wissen.
"Weil... ach, das ist doch irrelevant!", sagte er trotzig und klang minimal eingeschnappt; das machte mich neugierig.
"Doch, ich will es wissen", bestand ich.
"Weil... du darin so schön aussahst, zufrieden?", meckerte er und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Aw, Jack!", stieß ich aus. Ich war hin und weg. "Wie süß von dir!"
"...und genau deshalb hielt ich den Grund für irrelevant", seufzte Jack und blickte genervt nach oben. "Aber dies alles tut eh nichts mehr zur Sache. Denn das Kleid ist nun wirklich hinüber."
Aus meinem begeisterten Blick wurde ein weniger begeisterter. Vielmehr sah ich wohl nun ein wenig unglücklich und verzweifelt aus. "Und was soll ich dann anziehen? Du kannst nicht von mir erwarten, dass ich so rumlaufen werde, wie du", nörgelte ich.
"Such dir ein Kleid aus der Kleiderkiste aus und werd glücklich", sagte Jack beiläufig. "Aber sieh erst einmal zu, dass du dieses Kleid ausziehst." Er nahm mir die Weinflasche aus der Hand und schenkte uns beiden Wein ein.
Ich zog gerade das Kleid aus, als die Tür aufflog und Juana eintrat. Ohne zu klopfen. Diese Manieren. Aber was erwartete ich schon? Immerhin war ich auf einem Piratenschiff.
"Oh", meinte sie und grinste. "Ihr seid beschäftigt. Dann geh ich mal wieder. Wir verbringen dann mal den Abend ohne dich, Jessie. Viel Spaß euch beiden!" Und so schnell sie hereingeplatzt war, war sie auch schon wieder verschwunden.
"Danke", meinte ich zur verschlossenen Tür und Jack lachte, woraufhin ich mich zu ihm umdrehte, nur um gerade noch zu sehen, wie er sich sein Hemd über den Kopf auszog.
Und bei diesem Anblick wurde mir augenblicklich heiß. Ohne sein Hemd sah er nämlich auch wirklich echt gut aus. Er hatte einen sehr schönen Rücken. Das flackernde Kerzenlicht betonte das Ganze noch und Jack sah einfach unwiderstehlich aus. Mein Herz begann schneller zu schlagen. Achtlos schmiss er sein Hemd in eine Ecke - was mich übrigens total wuschig machte - und verriegelte die Tür.
Ich ging währenddessen auf das große Fenster zu und blickte hinaus. Draußen war es bereits dunkel. Am Himmel stand der silberne Mond und die Sterne glitzerten. Ich liebte die Nacht. Ich hatte sie schon immer geliebt. Und heiraten wollte ich sie seit diesem einen Tag vor acht Jahren. Damals war ich mal wieder nachts auf dem Schiffsdeck unterwegs gewesen, wie so oft. Ich hatte mich einfach auf die hölzernen Planken gesetzt und den Himmel beobachtet. Die vielen Sterne, die ihren eigenen Platz am Firmament hatten und gemeinsam mit anderen Sternen die verschiedensten Konstellationen bildeten. Man konnte sich weit weg träumen, hinein ins Unendliche, weit weg in ferne Galaxien, die man mit dem bloßen Auge nur erahnen konnte... Und ich hatte in jener Nacht sogar eine Sternschnuppe gesehen. Aber was das tollste an all dem gewesen war, war, dass ich gesehen hatte, wie der Mond gewandert ist. Es war beeindruckend zu beobachten, wie er nach einer Stunde schon an einer ganz anderen Stelle war. Seitdem war ich der Nacht noch mehr verfallen gewesen. Es war ein viel zu wundervolles Erlebnis gewesen.
Plötzlich legten sich mir zwei Hände von hinten auf den Bauch und rissen mich somit aus meinen nostalgischen Gedanken. Aber eher gesagt berührte Jack mich kaum, nur ganz leicht. Doch das, was ich spürte, machte mich verrückt... wahnsinnig! Dann ließ Jack mich wieder los, holte die beiden mit Wein gefüllten Gläser und reichte mir das eine. Wir stießen an und der allgemeine hohe Ton erklang. Dann tranken wir.
Als ich mein Glas geleert hatte, drehte ich mich um und stellte es auf dem Schreibtisch ab. Jack war am Fenster stehen geblieben. Ich schlich mich leise und vorsichtig von hinten an ihn. Er sah selbst von hinten so verdammt gut aus. Dann legte ich meine Hände auf seine Schultern und begann, ihn leicht zu massieren. Ein angenehmes Seufzen seinerseits verriet mir, dass es ihm gefiel. Er war richtig verkrampft, da half ja wohl nur noch massieren, aye? Jack legte den Kopf in den Nacken. Ich blickte über seine Schulter und sah, dass er die Augen geschlossen hatte.
"Nicht aufhören", meinte er.
Ich kicherte: "Sicher nicht."
Als ich dann jedoch aufhörte, ihn zu massieren, weil mir die Hände weh taten, schlang ich meine Arme von hinten um Jacks Brust und streichelte mit den Händen über seine Schultern. Er drehte sich zu mir um. Ich betrachtete ihn und konnte mich einfach nur noch wiederholen: Er war einfach schön! Aber so richtig! Ich ergriff seine Hand und zog ihn mit mir zur Koje herüber. Wir legten uns hinein und kuschelten uns aneinander. Meine Hand wanderte über seinen Oberkörper und es fühlte sich wirklich schön an, vor allem, weil seine Haut so schön warm war. Ich liebte es, ihn zu berühren. Er hatte einen Arm um mich gelegt und streichelte meinen Oberarm. So schlief ich dann irgendwann im Kerzenschein ein.
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Always the Sea - Die Abenteuer der Jessie Bones (Fluch der Karibik FF)
Fanfiction»Wer seid Ihr?« - »Vielleicht werde ich das später mal erwähnen, aber ich weiß, wer Ihr seid.« Captain Jack Sparrow ist mal wieder auf Schatzsuche. Jedoch auf Umwegen. Denn die Black Pearl strandet auf einer Insel. Doch die Piraten bleiben nicht lan...